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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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Allgemeine Kunstausstellung in Paris.
(Pariser Brief.)

Eugen Delacroir ist eine starke Künstlernatur. Was dieser Mann erlebt,
gelesen, gedacht, geträumt, hat sich in seiner Seele zum Gemälde gestaltet und
darum schafft er auch mit seltner Fruchtbarkeit Meisterstücke aus allen Genres.
Er dachte kaum daran verschiedene Gattungen von Malereien zu machen, um
zu, zeigen, daß er überall Meister sei, er gab blos den Bildern, welche
die Geschichte, oder Dichter wie Goethe, Shakespeare, Dante, Lord By¬
ron in seiner Seele erweckten, ihren Ausdruck. Niemand wird vom Künstler
erwarten, daß er als pedantischer Commentator oder Glossenschreiber sich skla¬
visch an sein Vorbild aus einem andern Kunstgebiete halten werde. Dela¬
croir vergißt seinen Dichter oder auch das Ereigniß, sowie er an die Staffelei
tritt, er wird vom Eindrucke beherrscht, den sie in ihm hervorgerufen, und dies ist
der Grund, warum seine Bilder auch im Beschauer immer eine ähnliche Wir¬
kung machen, wie die Dichtung, die sie veranlaßt, das geschichtliche Ereigniß,
welches sie entstehen ließ; wenngleich der Antiquar oder der Schulfuchs ihm
manchen Verstoß nachweisen wird. Der Maler hat eine andere Aufgabe als
der Dichter, auch wenn er denselben Gegenstand malt, das sind Dinge, die
man heutzutage nicht mehr wiederholen müßte. Und doch ist es meist der
Vorwurf, der Delacroir gemacht wird. Sein Schiffbruch aus dem Don Juan
zum Beispiel schildert uns die Barke vom brausenden Meere hin und Herge¬
trieben, während der Himmel jeden Augenblick die Schleusten seiner Schrecken
zu öffnen droht. Zehn bis zwölf Unglückliche sind auf dem halb zertrümmerten
Schiffe zusammengedrängt, ihrem nahen Tode entgegensehend. Hilflos,
verlassen, schwache Menschengcschöpse, dem Unendlichen zur Beute. Am Aeußer-
sten angelangt ergreifen sie das Aeußerste auel zon ruisskt s<z<z et<z lonssings
ok Ms oannibal arix litUIivugd -zpoks not) in tdvir voollisn ö^c-s. Eine
scheußliche Gestalt des Jammers hält'den Hut in der Hand, in dem die Loose
sich befinden und jedes der Mithandelnden drückt sein Elend, seinen Schreck,
den Abscheu vor sich selbst aus eine andere Weise ans. Hinten am Steuerruder
sitzt ein bis an die Augen in den Mantel gehüllter Mann, dessen sclbstbekämpfte
Verzweiflung allein eine Steigerung des Schmerzes darzustellen vermöchte.

Der Kritiker ruft uns vergebens zu, Byron habe ausdrücklich gesagt:


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Ille "es am! si^ wer" diuo, uni ele"r unä milt.--

Allgemeine Kunstausstellung in Paris.
(Pariser Brief.)

Eugen Delacroir ist eine starke Künstlernatur. Was dieser Mann erlebt,
gelesen, gedacht, geträumt, hat sich in seiner Seele zum Gemälde gestaltet und
darum schafft er auch mit seltner Fruchtbarkeit Meisterstücke aus allen Genres.
Er dachte kaum daran verschiedene Gattungen von Malereien zu machen, um
zu, zeigen, daß er überall Meister sei, er gab blos den Bildern, welche
die Geschichte, oder Dichter wie Goethe, Shakespeare, Dante, Lord By¬
ron in seiner Seele erweckten, ihren Ausdruck. Niemand wird vom Künstler
erwarten, daß er als pedantischer Commentator oder Glossenschreiber sich skla¬
visch an sein Vorbild aus einem andern Kunstgebiete halten werde. Dela¬
croir vergißt seinen Dichter oder auch das Ereigniß, sowie er an die Staffelei
tritt, er wird vom Eindrucke beherrscht, den sie in ihm hervorgerufen, und dies ist
der Grund, warum seine Bilder auch im Beschauer immer eine ähnliche Wir¬
kung machen, wie die Dichtung, die sie veranlaßt, das geschichtliche Ereigniß,
welches sie entstehen ließ; wenngleich der Antiquar oder der Schulfuchs ihm
manchen Verstoß nachweisen wird. Der Maler hat eine andere Aufgabe als
der Dichter, auch wenn er denselben Gegenstand malt, das sind Dinge, die
man heutzutage nicht mehr wiederholen müßte. Und doch ist es meist der
Vorwurf, der Delacroir gemacht wird. Sein Schiffbruch aus dem Don Juan
zum Beispiel schildert uns die Barke vom brausenden Meere hin und Herge¬
trieben, während der Himmel jeden Augenblick die Schleusten seiner Schrecken
zu öffnen droht. Zehn bis zwölf Unglückliche sind auf dem halb zertrümmerten
Schiffe zusammengedrängt, ihrem nahen Tode entgegensehend. Hilflos,
verlassen, schwache Menschengcschöpse, dem Unendlichen zur Beute. Am Aeußer-
sten angelangt ergreifen sie das Aeußerste auel zon ruisskt s<z<z et<z lonssings
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scheußliche Gestalt des Jammers hält'den Hut in der Hand, in dem die Loose
sich befinden und jedes der Mithandelnden drückt sein Elend, seinen Schreck,
den Abscheu vor sich selbst aus eine andere Weise ans. Hinten am Steuerruder
sitzt ein bis an die Augen in den Mantel gehüllter Mann, dessen sclbstbekämpfte
Verzweiflung allein eine Steigerung des Schmerzes darzustellen vermöchte.

Der Kritiker ruft uns vergebens zu, Byron habe ausdrücklich gesagt:


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[0319] Allgemeine Kunstausstellung in Paris. (Pariser Brief.) Eugen Delacroir ist eine starke Künstlernatur. Was dieser Mann erlebt, gelesen, gedacht, geträumt, hat sich in seiner Seele zum Gemälde gestaltet und darum schafft er auch mit seltner Fruchtbarkeit Meisterstücke aus allen Genres. Er dachte kaum daran verschiedene Gattungen von Malereien zu machen, um zu, zeigen, daß er überall Meister sei, er gab blos den Bildern, welche die Geschichte, oder Dichter wie Goethe, Shakespeare, Dante, Lord By¬ ron in seiner Seele erweckten, ihren Ausdruck. Niemand wird vom Künstler erwarten, daß er als pedantischer Commentator oder Glossenschreiber sich skla¬ visch an sein Vorbild aus einem andern Kunstgebiete halten werde. Dela¬ croir vergißt seinen Dichter oder auch das Ereigniß, sowie er an die Staffelei tritt, er wird vom Eindrucke beherrscht, den sie in ihm hervorgerufen, und dies ist der Grund, warum seine Bilder auch im Beschauer immer eine ähnliche Wir¬ kung machen, wie die Dichtung, die sie veranlaßt, das geschichtliche Ereigniß, welches sie entstehen ließ; wenngleich der Antiquar oder der Schulfuchs ihm manchen Verstoß nachweisen wird. Der Maler hat eine andere Aufgabe als der Dichter, auch wenn er denselben Gegenstand malt, das sind Dinge, die man heutzutage nicht mehr wiederholen müßte. Und doch ist es meist der Vorwurf, der Delacroir gemacht wird. Sein Schiffbruch aus dem Don Juan zum Beispiel schildert uns die Barke vom brausenden Meere hin und Herge¬ trieben, während der Himmel jeden Augenblick die Schleusten seiner Schrecken zu öffnen droht. Zehn bis zwölf Unglückliche sind auf dem halb zertrümmerten Schiffe zusammengedrängt, ihrem nahen Tode entgegensehend. Hilflos, verlassen, schwache Menschengcschöpse, dem Unendlichen zur Beute. Am Aeußer- sten angelangt ergreifen sie das Aeußerste auel zon ruisskt s<z<z et<z lonssings ok Ms oannibal arix litUIivugd -zpoks not) in tdvir voollisn ö^c-s. Eine scheußliche Gestalt des Jammers hält'den Hut in der Hand, in dem die Loose sich befinden und jedes der Mithandelnden drückt sein Elend, seinen Schreck, den Abscheu vor sich selbst aus eine andere Weise ans. Hinten am Steuerruder sitzt ein bis an die Augen in den Mantel gehüllter Mann, dessen sclbstbekämpfte Verzweiflung allein eine Steigerung des Schmerzes darzustellen vermöchte. Der Kritiker ruft uns vergebens zu, Byron habe ausdrücklich gesagt: 'sbo tour^b cui^f LAme but not a bruiUl ol' »ir ^ni oeöiw slumbsi-'d lito an unwenu'd e-biKI Ijie all^> !>mal lboir do»>, in^ llouUnF rlrere Ille «es am! si^ wer« diuo, uni ele»r unä milt.—

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/319>, abgerufen am 28.04.2024.