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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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Aus dem 16. Jahrhundert.

Zu den angesehensten Geschlechtern in Frankfurt am Main gehörte die
adlige Familie von Glauburg. Aus dem Privatarchiv derselben sind eine An¬
zahl Briefe zugänglich (abgedruckt in: Franksurtisches Archiv sür ältere deutsche
Literatur und Geschichte, von I. C. von Fichard, genannt Baur von'Eyseneck,
3 Theile, Frankfurt a. M. 1811 --181ö; im zweiten und dritten Theile). Zu¬
nächst der Brief einer Mutter an ihren Sohn, worin sie ihm ein Mädchen
zur Gattin empfiehlt, um ihn aus dem revolutionären Wittenberg und aus
der Nähe Luthers fortzuziehen. Ein Brief in vieler Beziehung charakteristisch
für die Stellung der Frauen in der Familie. Es ist das Schreiben einer
Frau von Energie und klugem Sinn, welche zu herrschen gewohnt und nicht
ohne Neigung zu Intriguen ist. Der Brief ist wie die folgenden getreu in
die Sprache unsers Jahrhunderts übertragen, doch durften in ihm einige Sätze
ohne Schaden weggelassen werden.

1L26.

Margarethe Horng") aus Frankfurt an ihren Sohn Johann
von Glauburg in Wittenberg.

Meinen freundlichen Gruß zuvor, lieb Johann, wisse, daß wir noch all-
sammen gesund sind, Gott hat Lob und Dank, also hoffe ich auch von dir zu
hören. Lieber Johann, nachdem ich dir in dem letzten Brief geschrieben hab,
daß Johann Knoblauchs Hausfrau, gestorben ist, der Gott gnädig sei. Sie
war meine gute Freundin, es hat mir ihr Tod wohl so weh gethan, als
meiner beiden feigen Hauswirthe Absterben, wodurch mir doch groß Leid ge¬
schah, aber was Gott will, darin muß man Geduld haben. Ich und sie sind
>u einem Jahre hergekommen und haben uns auch so freundlich zusammen¬
gehalten, daß keine die andere mit keinem Wort nie erzürnt hat. Sie hat mir
auch ihre zwei Töchter auf ihrem Tvdbett so befohlen, als ob ich ihre Schwester
wäre, daß ich ihre Ausstattung besorgen soll, wenn ich erlebe, daß sie sich ver¬
ändern. Die eine ist jetzt mannbar und ist eine feine grade Jungfrau, sie ist
>N der Länge, wie deine Stiefschwester Anna, wie sie auch heißt, und ist eine
seine Haushälterin, wem sie zu Theil wird, der wird sicher ihrethalb nit ver¬
derben. Ich vcrseh mich wohl, ihr Vater wird sie bald verändern, denn es
sind drei da, die um sie werben, zwei Edelmänner, und der dritte Johann Wolf
Rvhrbcich, der Frau Ursula zu der grünen Thür*") Sohn, der ist jetzt groß,
und ist seit Ostern bei der Mutter. Wiewohl er nit mehr denn 19 Jahr alt




Margarethe Honig von Erusttircheu, zweimal vermählt, zuerst mit Johann von
Glauburg zu Lichtenstein, dann mit Welcker Frosch, beide Geschlechter von Frankfurt.
°
") Die Rohrbach ebenfalls ein frankfurter Geschlecht. Die Mutter des jungen Rohrbach
ist Ursula von Melam, nach ihrem Hause zur grünen Thür benannt.
Aus dem 16. Jahrhundert.

Zu den angesehensten Geschlechtern in Frankfurt am Main gehörte die
adlige Familie von Glauburg. Aus dem Privatarchiv derselben sind eine An¬
zahl Briefe zugänglich (abgedruckt in: Franksurtisches Archiv sür ältere deutsche
Literatur und Geschichte, von I. C. von Fichard, genannt Baur von'Eyseneck,
3 Theile, Frankfurt a. M. 1811 —181ö; im zweiten und dritten Theile). Zu¬
nächst der Brief einer Mutter an ihren Sohn, worin sie ihm ein Mädchen
zur Gattin empfiehlt, um ihn aus dem revolutionären Wittenberg und aus
der Nähe Luthers fortzuziehen. Ein Brief in vieler Beziehung charakteristisch
für die Stellung der Frauen in der Familie. Es ist das Schreiben einer
Frau von Energie und klugem Sinn, welche zu herrschen gewohnt und nicht
ohne Neigung zu Intriguen ist. Der Brief ist wie die folgenden getreu in
die Sprache unsers Jahrhunderts übertragen, doch durften in ihm einige Sätze
ohne Schaden weggelassen werden.

1L26.

Margarethe Horng") aus Frankfurt an ihren Sohn Johann
von Glauburg in Wittenberg.

Meinen freundlichen Gruß zuvor, lieb Johann, wisse, daß wir noch all-
sammen gesund sind, Gott hat Lob und Dank, also hoffe ich auch von dir zu
hören. Lieber Johann, nachdem ich dir in dem letzten Brief geschrieben hab,
daß Johann Knoblauchs Hausfrau, gestorben ist, der Gott gnädig sei. Sie
war meine gute Freundin, es hat mir ihr Tod wohl so weh gethan, als
meiner beiden feigen Hauswirthe Absterben, wodurch mir doch groß Leid ge¬
schah, aber was Gott will, darin muß man Geduld haben. Ich und sie sind
>u einem Jahre hergekommen und haben uns auch so freundlich zusammen¬
gehalten, daß keine die andere mit keinem Wort nie erzürnt hat. Sie hat mir
auch ihre zwei Töchter auf ihrem Tvdbett so befohlen, als ob ich ihre Schwester
wäre, daß ich ihre Ausstattung besorgen soll, wenn ich erlebe, daß sie sich ver¬
ändern. Die eine ist jetzt mannbar und ist eine feine grade Jungfrau, sie ist
>N der Länge, wie deine Stiefschwester Anna, wie sie auch heißt, und ist eine
seine Haushälterin, wem sie zu Theil wird, der wird sicher ihrethalb nit ver¬
derben. Ich vcrseh mich wohl, ihr Vater wird sie bald verändern, denn es
sind drei da, die um sie werben, zwei Edelmänner, und der dritte Johann Wolf
Rvhrbcich, der Frau Ursula zu der grünen Thür*") Sohn, der ist jetzt groß,
und ist seit Ostern bei der Mutter. Wiewohl er nit mehr denn 19 Jahr alt




Margarethe Honig von Erusttircheu, zweimal vermählt, zuerst mit Johann von
Glauburg zu Lichtenstein, dann mit Welcker Frosch, beide Geschlechter von Frankfurt.
°
") Die Rohrbach ebenfalls ein frankfurter Geschlecht. Die Mutter des jungen Rohrbach
ist Ursula von Melam, nach ihrem Hause zur grünen Thür benannt.
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[0343] Aus dem 16. Jahrhundert. Zu den angesehensten Geschlechtern in Frankfurt am Main gehörte die adlige Familie von Glauburg. Aus dem Privatarchiv derselben sind eine An¬ zahl Briefe zugänglich (abgedruckt in: Franksurtisches Archiv sür ältere deutsche Literatur und Geschichte, von I. C. von Fichard, genannt Baur von'Eyseneck, 3 Theile, Frankfurt a. M. 1811 —181ö; im zweiten und dritten Theile). Zu¬ nächst der Brief einer Mutter an ihren Sohn, worin sie ihm ein Mädchen zur Gattin empfiehlt, um ihn aus dem revolutionären Wittenberg und aus der Nähe Luthers fortzuziehen. Ein Brief in vieler Beziehung charakteristisch für die Stellung der Frauen in der Familie. Es ist das Schreiben einer Frau von Energie und klugem Sinn, welche zu herrschen gewohnt und nicht ohne Neigung zu Intriguen ist. Der Brief ist wie die folgenden getreu in die Sprache unsers Jahrhunderts übertragen, doch durften in ihm einige Sätze ohne Schaden weggelassen werden. 1L26. Margarethe Horng") aus Frankfurt an ihren Sohn Johann von Glauburg in Wittenberg. Meinen freundlichen Gruß zuvor, lieb Johann, wisse, daß wir noch all- sammen gesund sind, Gott hat Lob und Dank, also hoffe ich auch von dir zu hören. Lieber Johann, nachdem ich dir in dem letzten Brief geschrieben hab, daß Johann Knoblauchs Hausfrau, gestorben ist, der Gott gnädig sei. Sie war meine gute Freundin, es hat mir ihr Tod wohl so weh gethan, als meiner beiden feigen Hauswirthe Absterben, wodurch mir doch groß Leid ge¬ schah, aber was Gott will, darin muß man Geduld haben. Ich und sie sind >u einem Jahre hergekommen und haben uns auch so freundlich zusammen¬ gehalten, daß keine die andere mit keinem Wort nie erzürnt hat. Sie hat mir auch ihre zwei Töchter auf ihrem Tvdbett so befohlen, als ob ich ihre Schwester wäre, daß ich ihre Ausstattung besorgen soll, wenn ich erlebe, daß sie sich ver¬ ändern. Die eine ist jetzt mannbar und ist eine feine grade Jungfrau, sie ist >N der Länge, wie deine Stiefschwester Anna, wie sie auch heißt, und ist eine seine Haushälterin, wem sie zu Theil wird, der wird sicher ihrethalb nit ver¬ derben. Ich vcrseh mich wohl, ihr Vater wird sie bald verändern, denn es sind drei da, die um sie werben, zwei Edelmänner, und der dritte Johann Wolf Rvhrbcich, der Frau Ursula zu der grünen Thür*") Sohn, der ist jetzt groß, und ist seit Ostern bei der Mutter. Wiewohl er nit mehr denn 19 Jahr alt Margarethe Honig von Erusttircheu, zweimal vermählt, zuerst mit Johann von Glauburg zu Lichtenstein, dann mit Welcker Frosch, beide Geschlechter von Frankfurt. ° ") Die Rohrbach ebenfalls ein frankfurter Geschlecht. Die Mutter des jungen Rohrbach ist Ursula von Melam, nach ihrem Hause zur grünen Thür benannt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/343>, abgerufen am 28.04.2024.