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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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ist, so ist doch seine Mutter mit seinen Freunden des Willens, wenn es ihm
in dem Hause gerathen möchte, so würde sie ihn verändern, dieweil sie noch
am Leben ist. Denn es weiß jetzt niemand, wo man mit den Söhnen hin
soll, daß sie lernen und studiren, was der Seele Heil sei, daß sie nit verführt
werden; und auch wenn sie lange studiren und viel Geld verthun, so bringt
es ihrer manchem nicht immer Nutzen, und wär ihm vielleicht nützlicher, daß
er bei seiner angebornen Ehrbarkeit bliebe, die er von Gott hat; als daß er
viel studirt und die Schriften nit recht versteht, und daß ihn dann der Teufel
durch Hoffart verführe und andere mit ihm, die ihm glauben, dieweil er ge¬
lehrt ist und auch das Schwatzen wohl versteht. Ein solcher führt das Volk
gar in großen Irrthum. Davon wollt ich dir gar viel schreiben, aber ich hab
dir es in dem letzten Brief vor diesem verheißen, ich wollte dir nicht mehr
davon schreiben und will es auch nicht thun, dieweil du in Wittenberg bist;
aber du wähnst, du seist gar wohl in Wittenberg aufgehoben, Gott gebe, daß
es wahr sei, du wirst es wohl erfahren. Ferner, lieb Johann, so wisse, warum
ich dir jetzt also schreibe -- -- eine ehrliche Person hat mit mir jetzt geredet,
des Johann Knoblauchs Hausfrau hab ihrem Hauswirth befohlen, wenn du
mit sammt deiner Freundschaft seiner Tochter begehrst, und die Tochter einen
Willen dazu habe, so soll sie der Vater dir vor andern geben. Darauf hab
ich zur Antwort gegeben, ich wisse deine Neigung nicht und wollte dir schrei¬
ben und wollte dir es zu wissen thun; was mir dann von dir zur Antwort
werde, Vas wollt ich dieselbe Person wissen lassen. Darum, lieb Sohn, so
laß ich dich wissen, daß mir die Jungfrau wohl gefällt mit allem ihrem Wesen,
besser als eine andere, die ich jetzt weiß, so ist auch die Mutter eine ehrbare
feste Frau gewesen. Woran ich ein viel besseres Gefallen habe, da sie nicht
von einer wankelmüthigen Art ist. Denn wer nit eine geschickte, feste 'Frau
hat, sei sie auch so sein und so reich als sie will, so wird doch ein armer,
kümmerlicher Mann aus ihm. Darum, lieb Johann, wenn du mir darin
folgen willst, so wollt ich Dirs mit aller Treue rathen. -- Zwar sind 11 Kin¬
der da zu versorgen, wovon ein Theil noch klein ist, es ist aber wohl möglich,
daß ihrer weniger werden; so ist auch ein gutes Auskommen da und das Mehr-
theil liegende Güter. Darum, lieb Sohn, bedenke dich, ich will dich nit
zwingen zur Veränderung, aber du thätst mir gar einen großen Gefallen mit
diesem Hause, denn ich sehe noch in langer Zeit keinen Ort, der mit allem,
was. darum steht, so gut sür dich wäre, als dieser Ort. -- Lieb Johann,
wenn du ein Gefallen daran hättest, doch so, daß du gern wolltest, daß du
sie und sie dich vorher sehn möchte, so komm in der Fastenmesse her mit der
ersten Gesellschaft, die dir gefällt, die durch sichere Straßen zieht, und laß es
bei dir bleiben und sag deiner Gesellen keinem davon/ Bis ein oder zwei
Tage vor deinem Weggange, dann sag es Justinian, daß du heim, willst-


ist, so ist doch seine Mutter mit seinen Freunden des Willens, wenn es ihm
in dem Hause gerathen möchte, so würde sie ihn verändern, dieweil sie noch
am Leben ist. Denn es weiß jetzt niemand, wo man mit den Söhnen hin
soll, daß sie lernen und studiren, was der Seele Heil sei, daß sie nit verführt
werden; und auch wenn sie lange studiren und viel Geld verthun, so bringt
es ihrer manchem nicht immer Nutzen, und wär ihm vielleicht nützlicher, daß
er bei seiner angebornen Ehrbarkeit bliebe, die er von Gott hat; als daß er
viel studirt und die Schriften nit recht versteht, und daß ihn dann der Teufel
durch Hoffart verführe und andere mit ihm, die ihm glauben, dieweil er ge¬
lehrt ist und auch das Schwatzen wohl versteht. Ein solcher führt das Volk
gar in großen Irrthum. Davon wollt ich dir gar viel schreiben, aber ich hab
dir es in dem letzten Brief vor diesem verheißen, ich wollte dir nicht mehr
davon schreiben und will es auch nicht thun, dieweil du in Wittenberg bist;
aber du wähnst, du seist gar wohl in Wittenberg aufgehoben, Gott gebe, daß
es wahr sei, du wirst es wohl erfahren. Ferner, lieb Johann, so wisse, warum
ich dir jetzt also schreibe — — eine ehrliche Person hat mit mir jetzt geredet,
des Johann Knoblauchs Hausfrau hab ihrem Hauswirth befohlen, wenn du
mit sammt deiner Freundschaft seiner Tochter begehrst, und die Tochter einen
Willen dazu habe, so soll sie der Vater dir vor andern geben. Darauf hab
ich zur Antwort gegeben, ich wisse deine Neigung nicht und wollte dir schrei¬
ben und wollte dir es zu wissen thun; was mir dann von dir zur Antwort
werde, Vas wollt ich dieselbe Person wissen lassen. Darum, lieb Sohn, so
laß ich dich wissen, daß mir die Jungfrau wohl gefällt mit allem ihrem Wesen,
besser als eine andere, die ich jetzt weiß, so ist auch die Mutter eine ehrbare
feste Frau gewesen. Woran ich ein viel besseres Gefallen habe, da sie nicht
von einer wankelmüthigen Art ist. Denn wer nit eine geschickte, feste 'Frau
hat, sei sie auch so sein und so reich als sie will, so wird doch ein armer,
kümmerlicher Mann aus ihm. Darum, lieb Johann, wenn du mir darin
folgen willst, so wollt ich Dirs mit aller Treue rathen. — Zwar sind 11 Kin¬
der da zu versorgen, wovon ein Theil noch klein ist, es ist aber wohl möglich,
daß ihrer weniger werden; so ist auch ein gutes Auskommen da und das Mehr-
theil liegende Güter. Darum, lieb Sohn, bedenke dich, ich will dich nit
zwingen zur Veränderung, aber du thätst mir gar einen großen Gefallen mit
diesem Hause, denn ich sehe noch in langer Zeit keinen Ort, der mit allem,
was. darum steht, so gut sür dich wäre, als dieser Ort. — Lieb Johann,
wenn du ein Gefallen daran hättest, doch so, daß du gern wolltest, daß du
sie und sie dich vorher sehn möchte, so komm in der Fastenmesse her mit der
ersten Gesellschaft, die dir gefällt, die durch sichere Straßen zieht, und laß es
bei dir bleiben und sag deiner Gesellen keinem davon/ Bis ein oder zwei
Tage vor deinem Weggange, dann sag es Justinian, daß du heim, willst-


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[0344] ist, so ist doch seine Mutter mit seinen Freunden des Willens, wenn es ihm in dem Hause gerathen möchte, so würde sie ihn verändern, dieweil sie noch am Leben ist. Denn es weiß jetzt niemand, wo man mit den Söhnen hin soll, daß sie lernen und studiren, was der Seele Heil sei, daß sie nit verführt werden; und auch wenn sie lange studiren und viel Geld verthun, so bringt es ihrer manchem nicht immer Nutzen, und wär ihm vielleicht nützlicher, daß er bei seiner angebornen Ehrbarkeit bliebe, die er von Gott hat; als daß er viel studirt und die Schriften nit recht versteht, und daß ihn dann der Teufel durch Hoffart verführe und andere mit ihm, die ihm glauben, dieweil er ge¬ lehrt ist und auch das Schwatzen wohl versteht. Ein solcher führt das Volk gar in großen Irrthum. Davon wollt ich dir gar viel schreiben, aber ich hab dir es in dem letzten Brief vor diesem verheißen, ich wollte dir nicht mehr davon schreiben und will es auch nicht thun, dieweil du in Wittenberg bist; aber du wähnst, du seist gar wohl in Wittenberg aufgehoben, Gott gebe, daß es wahr sei, du wirst es wohl erfahren. Ferner, lieb Johann, so wisse, warum ich dir jetzt also schreibe — — eine ehrliche Person hat mit mir jetzt geredet, des Johann Knoblauchs Hausfrau hab ihrem Hauswirth befohlen, wenn du mit sammt deiner Freundschaft seiner Tochter begehrst, und die Tochter einen Willen dazu habe, so soll sie der Vater dir vor andern geben. Darauf hab ich zur Antwort gegeben, ich wisse deine Neigung nicht und wollte dir schrei¬ ben und wollte dir es zu wissen thun; was mir dann von dir zur Antwort werde, Vas wollt ich dieselbe Person wissen lassen. Darum, lieb Sohn, so laß ich dich wissen, daß mir die Jungfrau wohl gefällt mit allem ihrem Wesen, besser als eine andere, die ich jetzt weiß, so ist auch die Mutter eine ehrbare feste Frau gewesen. Woran ich ein viel besseres Gefallen habe, da sie nicht von einer wankelmüthigen Art ist. Denn wer nit eine geschickte, feste 'Frau hat, sei sie auch so sein und so reich als sie will, so wird doch ein armer, kümmerlicher Mann aus ihm. Darum, lieb Johann, wenn du mir darin folgen willst, so wollt ich Dirs mit aller Treue rathen. — Zwar sind 11 Kin¬ der da zu versorgen, wovon ein Theil noch klein ist, es ist aber wohl möglich, daß ihrer weniger werden; so ist auch ein gutes Auskommen da und das Mehr- theil liegende Güter. Darum, lieb Sohn, bedenke dich, ich will dich nit zwingen zur Veränderung, aber du thätst mir gar einen großen Gefallen mit diesem Hause, denn ich sehe noch in langer Zeit keinen Ort, der mit allem, was. darum steht, so gut sür dich wäre, als dieser Ort. — Lieb Johann, wenn du ein Gefallen daran hättest, doch so, daß du gern wolltest, daß du sie und sie dich vorher sehn möchte, so komm in der Fastenmesse her mit der ersten Gesellschaft, die dir gefällt, die durch sichere Straßen zieht, und laß es bei dir bleiben und sag deiner Gesellen keinem davon/ Bis ein oder zwei Tage vor deinem Weggange, dann sag es Justinian, daß du heim, willst-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/344>, abgerufen am 11.05.2024.