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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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Aber du sollst ihm nit sagen, weshalb du heim wolltest, sondern deiner
Güter wegen, daß du die wieder bestellst, weil ich dir so hart geschrieben
hätte, daß ich dir die nicht mehr verwalten wolle nach den letzten drei Brie¬
fen, wie ich denn auch zu thun Willens bin, wenn du mir in keinem Stück
folgen willst. Auch hast du wohl Ursach, daß du ihm sein Wort abnimmst,
auf daß es geheim bleibe. Lieb Johann, ich bitte dich, du wollst bedenken,
wie die Zeitläuse jetzt sind, .daß es sich zu dieser Zeit nit schicken will, lange
unverändert zu bleiben. Ach gäbe doch mein Schwager, Herr Hammann,*)
dem Jüstüücm auch eine Frau zur Zeit, dieweil dieser nach seinem Gefallen
lebt, es würde ihm kein Schade sein, damit es nit mit ihm zugeht, wie mit
seinem seligen Vetter Blasius, der hatte sich an die Büberei gewöhnt, und des¬
halb konnte ihn niemand zum Heirathen bringen, bis er alt wurde, und da
hatte er keine Gesundheit und hat auch kein Kind verlassen, und seine Haus¬
frau hat sich wieder verändert, sie hat einen Edelmann, einen Schenk von
Schweinsburg. Man sagt, sie werde bald Hochzeit machen, Gott geb ihr
Glück.--

So weit der Brief. Der Wunsch der klugen Mutter wurde erfüllt, ihr
Sohn kehrte, wie sie vorsichtig befohlen, nach Frankfurt zurück, er heirathete
das Mädchen ihrer Wahl , und lebte vierzig Jahre mit ihr in glücklicher Ehe.
Wenn auch von ihm und Anna Knoblauch keine weiteren Aufzeichnungen zu¬
gänglich sind, so sind doch in derselben Familie aus dem Ende desselben Jahr¬
hunderts andere Nachrichten, welche in liebenswürdiger Weise das Verhältniß
einer Braut zu ihrem Verlobten charakterisiren. Ein Enkel der Genannten,
der reiche Patricier Johann Adolph von Gläuburg aus Frankfurt lernte auf
einem Besuch in Nürnberg die schone Ursula Freher kennen, Tochter des
Stadtsyndicus von Nürnberg und Schwester des, berühmten Gelehrten und
Staatsmanns Marquard Freher zu Heidelberg. Der Reiz und die Anmuth
des Mädchens wurden in ganz Schwaben gefeiert, Glauburg selbst war schon
einmal verheirathet gewesen und gewann als Witwer die Neigung Ursulas.
Die folgenden Briefe sind während des Brautstandes von ihr an ihn, von
Nürnberg nach Frankfurt geschrieben.


-IL98.
1.

"Dem edlen und ehrenfester Johann Adolf von Glauburg, meinem Herz-
lichen Junker zu Händen."

"Edler, ehrenfester, freundlicher und herzlieber Junker! Euer Schreiben



*> Hammann von 'Holzhause", Vater des Hieronymus und der reiche Blasius von Holz-
Hansen, aus einem adligen Geschlecht von Frankfurt.
Grenzboten. IV. ->8os. ' 43

Aber du sollst ihm nit sagen, weshalb du heim wolltest, sondern deiner
Güter wegen, daß du die wieder bestellst, weil ich dir so hart geschrieben
hätte, daß ich dir die nicht mehr verwalten wolle nach den letzten drei Brie¬
fen, wie ich denn auch zu thun Willens bin, wenn du mir in keinem Stück
folgen willst. Auch hast du wohl Ursach, daß du ihm sein Wort abnimmst,
auf daß es geheim bleibe. Lieb Johann, ich bitte dich, du wollst bedenken,
wie die Zeitläuse jetzt sind, .daß es sich zu dieser Zeit nit schicken will, lange
unverändert zu bleiben. Ach gäbe doch mein Schwager, Herr Hammann,*)
dem Jüstüücm auch eine Frau zur Zeit, dieweil dieser nach seinem Gefallen
lebt, es würde ihm kein Schade sein, damit es nit mit ihm zugeht, wie mit
seinem seligen Vetter Blasius, der hatte sich an die Büberei gewöhnt, und des¬
halb konnte ihn niemand zum Heirathen bringen, bis er alt wurde, und da
hatte er keine Gesundheit und hat auch kein Kind verlassen, und seine Haus¬
frau hat sich wieder verändert, sie hat einen Edelmann, einen Schenk von
Schweinsburg. Man sagt, sie werde bald Hochzeit machen, Gott geb ihr
Glück.--

So weit der Brief. Der Wunsch der klugen Mutter wurde erfüllt, ihr
Sohn kehrte, wie sie vorsichtig befohlen, nach Frankfurt zurück, er heirathete
das Mädchen ihrer Wahl , und lebte vierzig Jahre mit ihr in glücklicher Ehe.
Wenn auch von ihm und Anna Knoblauch keine weiteren Aufzeichnungen zu¬
gänglich sind, so sind doch in derselben Familie aus dem Ende desselben Jahr¬
hunderts andere Nachrichten, welche in liebenswürdiger Weise das Verhältniß
einer Braut zu ihrem Verlobten charakterisiren. Ein Enkel der Genannten,
der reiche Patricier Johann Adolph von Gläuburg aus Frankfurt lernte auf
einem Besuch in Nürnberg die schone Ursula Freher kennen, Tochter des
Stadtsyndicus von Nürnberg und Schwester des, berühmten Gelehrten und
Staatsmanns Marquard Freher zu Heidelberg. Der Reiz und die Anmuth
des Mädchens wurden in ganz Schwaben gefeiert, Glauburg selbst war schon
einmal verheirathet gewesen und gewann als Witwer die Neigung Ursulas.
Die folgenden Briefe sind während des Brautstandes von ihr an ihn, von
Nürnberg nach Frankfurt geschrieben.


-IL98.
1.

„Dem edlen und ehrenfester Johann Adolf von Glauburg, meinem Herz-
lichen Junker zu Händen."

„Edler, ehrenfester, freundlicher und herzlieber Junker! Euer Schreiben



*> Hammann von 'Holzhause», Vater des Hieronymus und der reiche Blasius von Holz-
Hansen, aus einem adligen Geschlecht von Frankfurt.
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[0345] Aber du sollst ihm nit sagen, weshalb du heim wolltest, sondern deiner Güter wegen, daß du die wieder bestellst, weil ich dir so hart geschrieben hätte, daß ich dir die nicht mehr verwalten wolle nach den letzten drei Brie¬ fen, wie ich denn auch zu thun Willens bin, wenn du mir in keinem Stück folgen willst. Auch hast du wohl Ursach, daß du ihm sein Wort abnimmst, auf daß es geheim bleibe. Lieb Johann, ich bitte dich, du wollst bedenken, wie die Zeitläuse jetzt sind, .daß es sich zu dieser Zeit nit schicken will, lange unverändert zu bleiben. Ach gäbe doch mein Schwager, Herr Hammann,*) dem Jüstüücm auch eine Frau zur Zeit, dieweil dieser nach seinem Gefallen lebt, es würde ihm kein Schade sein, damit es nit mit ihm zugeht, wie mit seinem seligen Vetter Blasius, der hatte sich an die Büberei gewöhnt, und des¬ halb konnte ihn niemand zum Heirathen bringen, bis er alt wurde, und da hatte er keine Gesundheit und hat auch kein Kind verlassen, und seine Haus¬ frau hat sich wieder verändert, sie hat einen Edelmann, einen Schenk von Schweinsburg. Man sagt, sie werde bald Hochzeit machen, Gott geb ihr Glück.-- So weit der Brief. Der Wunsch der klugen Mutter wurde erfüllt, ihr Sohn kehrte, wie sie vorsichtig befohlen, nach Frankfurt zurück, er heirathete das Mädchen ihrer Wahl , und lebte vierzig Jahre mit ihr in glücklicher Ehe. Wenn auch von ihm und Anna Knoblauch keine weiteren Aufzeichnungen zu¬ gänglich sind, so sind doch in derselben Familie aus dem Ende desselben Jahr¬ hunderts andere Nachrichten, welche in liebenswürdiger Weise das Verhältniß einer Braut zu ihrem Verlobten charakterisiren. Ein Enkel der Genannten, der reiche Patricier Johann Adolph von Gläuburg aus Frankfurt lernte auf einem Besuch in Nürnberg die schone Ursula Freher kennen, Tochter des Stadtsyndicus von Nürnberg und Schwester des, berühmten Gelehrten und Staatsmanns Marquard Freher zu Heidelberg. Der Reiz und die Anmuth des Mädchens wurden in ganz Schwaben gefeiert, Glauburg selbst war schon einmal verheirathet gewesen und gewann als Witwer die Neigung Ursulas. Die folgenden Briefe sind während des Brautstandes von ihr an ihn, von Nürnberg nach Frankfurt geschrieben. -IL98. 1. „Dem edlen und ehrenfester Johann Adolf von Glauburg, meinem Herz- lichen Junker zu Händen." „Edler, ehrenfester, freundlicher und herzlieber Junker! Euer Schreiben *> Hammann von 'Holzhause», Vater des Hieronymus und der reiche Blasius von Holz- Hansen, aus einem adligen Geschlecht von Frankfurt. Grenzboten. IV. ->8os. ' 43

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/345>, abgerufen am 28.04.2024.