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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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holen. Weil aber diese Kutschen nicht alle Gäste führen konnten, so lehrete
mir der Herr Landeshauptmann von Schiveinichen, nein die Aeptissm des
Nonnenklosters, Uein der Stadtrath, je eine mit vier Pferden bespannet, sammt
etlichen Caleschen; worauf ich mich im Namen Gottes mit meinen Gästen nach
Polewitz verfügte. Nach gehaltener Copulationspredigt, in welcher Herr Dares
die Namen Friedrich und Elisabeth sehr sinnreich und emblemalisch aus¬
legte, geschah die Copulation bei brennenden Fackeln Abends um 6 Uhr auf
dem großen Speisesaale, wobei ich von dem fürstlichen Rathe, Herrn Knichen
und von Herrn Caspar Braun, meine Liebste aber von Herrn von Poser und
Herrn von Eicke, dem Bruder der Frau Generalin, geführet ward. Vor der
Copulation hatte mir Fräulein von Schlepusch den Kranz präsentiret, ich ihr
aber dagegen einen schönen Goldring verehret. Sobald die Copulation voll¬
zogen war, ging man zur Tafel, welche meine Liebste auf unsere Kosten hatte
Herrichten lassen, und waren wir allerseits gar fröhlich und guter Dinge. Solcher¬
gestalt bewirtheten wir die Gäste noch drei Tage in höchster Fröhlichkeit und
mit allem Contentement, und endigte sich alles in Einigkeit und guter Ver¬
traulichkeit. Am vierten Tage hielt ich, begleitet von Herrn Rath Knichen
und seiner Liebsten, in der Frau Generalin Leibkutsche, mit sechs Pferden be¬
spannt, die Heimführung meiner Liebsten in Liegnitz.

So weit der Bericht des glücklichen Gatten, er hatte durch seine Freiwer¬
dung eine vortreffliche Hausfrau gewonnen. Vielleicht ersieht der Leser auch
aus dem verschnörkelten Ausdruck, daß hier ein ehrliches Menschenherz in mäch¬
tiger Bewegung schlug.




Die schwedische Politik von 1812"-).

Es gibt gegenwärtig in Schweden zwei Parteien: eine westmächtliche und
eine russische. Letztere behauptet, daß Rußland der natürliche Verbündete Schwe¬
dens sei, daß der Besitz Finnlands für Schweden ein Nessusgewand sein
werde, daß Rußland, indem es für Finnland ihm Norwegen verschaffte, Schwe¬
dens Selbstständigkeit erleichtert habe. Bernadottes Politik von -1812 habe
Schweden und den ganzen skandinavischen Norden gerettet, sie sei noch heute
die einzig richtige Politik. Bernadotte hat allerdings den ihm übertragenen



*) Bergmann, LouVsnirs als 1'tiistoirs oovtsinvorsms as Suvcls. -- <Ao"w?,' Lsrnackotts se
1" ?c>Iiti<zns Lnsäoiss us 1812. Letztere Schrift ergänzt und berichtigt ans den französischen
Staatsarchiven das Buch des Herrn Bergmann, welcher eine reine Apologie Bernadottes ge¬
schrieben hat und so weit geht, zu behaupten, das, Bernadotte -I8>2 und -1813 viles allem
gethan habe und'daß man nur ihm die Befreiung Europas verdaute.

holen. Weil aber diese Kutschen nicht alle Gäste führen konnten, so lehrete
mir der Herr Landeshauptmann von Schiveinichen, nein die Aeptissm des
Nonnenklosters, Uein der Stadtrath, je eine mit vier Pferden bespannet, sammt
etlichen Caleschen; worauf ich mich im Namen Gottes mit meinen Gästen nach
Polewitz verfügte. Nach gehaltener Copulationspredigt, in welcher Herr Dares
die Namen Friedrich und Elisabeth sehr sinnreich und emblemalisch aus¬
legte, geschah die Copulation bei brennenden Fackeln Abends um 6 Uhr auf
dem großen Speisesaale, wobei ich von dem fürstlichen Rathe, Herrn Knichen
und von Herrn Caspar Braun, meine Liebste aber von Herrn von Poser und
Herrn von Eicke, dem Bruder der Frau Generalin, geführet ward. Vor der
Copulation hatte mir Fräulein von Schlepusch den Kranz präsentiret, ich ihr
aber dagegen einen schönen Goldring verehret. Sobald die Copulation voll¬
zogen war, ging man zur Tafel, welche meine Liebste auf unsere Kosten hatte
Herrichten lassen, und waren wir allerseits gar fröhlich und guter Dinge. Solcher¬
gestalt bewirtheten wir die Gäste noch drei Tage in höchster Fröhlichkeit und
mit allem Contentement, und endigte sich alles in Einigkeit und guter Ver¬
traulichkeit. Am vierten Tage hielt ich, begleitet von Herrn Rath Knichen
und seiner Liebsten, in der Frau Generalin Leibkutsche, mit sechs Pferden be¬
spannt, die Heimführung meiner Liebsten in Liegnitz.

So weit der Bericht des glücklichen Gatten, er hatte durch seine Freiwer¬
dung eine vortreffliche Hausfrau gewonnen. Vielleicht ersieht der Leser auch
aus dem verschnörkelten Ausdruck, daß hier ein ehrliches Menschenherz in mäch¬
tiger Bewegung schlug.




Die schwedische Politik von 1812"-).

Es gibt gegenwärtig in Schweden zwei Parteien: eine westmächtliche und
eine russische. Letztere behauptet, daß Rußland der natürliche Verbündete Schwe¬
dens sei, daß der Besitz Finnlands für Schweden ein Nessusgewand sein
werde, daß Rußland, indem es für Finnland ihm Norwegen verschaffte, Schwe¬
dens Selbstständigkeit erleichtert habe. Bernadottes Politik von -1812 habe
Schweden und den ganzen skandinavischen Norden gerettet, sie sei noch heute
die einzig richtige Politik. Bernadotte hat allerdings den ihm übertragenen



*) Bergmann, LouVsnirs als 1'tiistoirs oovtsinvorsms as Suvcls. — <Ao«w?,' Lsrnackotts se
1» ?c>Iiti<zns Lnsäoiss us 1812. Letztere Schrift ergänzt und berichtigt ans den französischen
Staatsarchiven das Buch des Herrn Bergmann, welcher eine reine Apologie Bernadottes ge¬
schrieben hat und so weit geht, zu behaupten, das, Bernadotte -I8>2 und -1813 viles allem
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[0356] holen. Weil aber diese Kutschen nicht alle Gäste führen konnten, so lehrete mir der Herr Landeshauptmann von Schiveinichen, nein die Aeptissm des Nonnenklosters, Uein der Stadtrath, je eine mit vier Pferden bespannet, sammt etlichen Caleschen; worauf ich mich im Namen Gottes mit meinen Gästen nach Polewitz verfügte. Nach gehaltener Copulationspredigt, in welcher Herr Dares die Namen Friedrich und Elisabeth sehr sinnreich und emblemalisch aus¬ legte, geschah die Copulation bei brennenden Fackeln Abends um 6 Uhr auf dem großen Speisesaale, wobei ich von dem fürstlichen Rathe, Herrn Knichen und von Herrn Caspar Braun, meine Liebste aber von Herrn von Poser und Herrn von Eicke, dem Bruder der Frau Generalin, geführet ward. Vor der Copulation hatte mir Fräulein von Schlepusch den Kranz präsentiret, ich ihr aber dagegen einen schönen Goldring verehret. Sobald die Copulation voll¬ zogen war, ging man zur Tafel, welche meine Liebste auf unsere Kosten hatte Herrichten lassen, und waren wir allerseits gar fröhlich und guter Dinge. Solcher¬ gestalt bewirtheten wir die Gäste noch drei Tage in höchster Fröhlichkeit und mit allem Contentement, und endigte sich alles in Einigkeit und guter Ver¬ traulichkeit. Am vierten Tage hielt ich, begleitet von Herrn Rath Knichen und seiner Liebsten, in der Frau Generalin Leibkutsche, mit sechs Pferden be¬ spannt, die Heimführung meiner Liebsten in Liegnitz. So weit der Bericht des glücklichen Gatten, er hatte durch seine Freiwer¬ dung eine vortreffliche Hausfrau gewonnen. Vielleicht ersieht der Leser auch aus dem verschnörkelten Ausdruck, daß hier ein ehrliches Menschenherz in mäch¬ tiger Bewegung schlug. Die schwedische Politik von 1812"-). Es gibt gegenwärtig in Schweden zwei Parteien: eine westmächtliche und eine russische. Letztere behauptet, daß Rußland der natürliche Verbündete Schwe¬ dens sei, daß der Besitz Finnlands für Schweden ein Nessusgewand sein werde, daß Rußland, indem es für Finnland ihm Norwegen verschaffte, Schwe¬ dens Selbstständigkeit erleichtert habe. Bernadottes Politik von -1812 habe Schweden und den ganzen skandinavischen Norden gerettet, sie sei noch heute die einzig richtige Politik. Bernadotte hat allerdings den ihm übertragenen *) Bergmann, LouVsnirs als 1'tiistoirs oovtsinvorsms as Suvcls. — <Ao«w?,' Lsrnackotts se 1» ?c>Iiti<zns Lnsäoiss us 1812. Letztere Schrift ergänzt und berichtigt ans den französischen Staatsarchiven das Buch des Herrn Bergmann, welcher eine reine Apologie Bernadottes ge¬ schrieben hat und so weit geht, zu behaupten, das, Bernadotte -I8>2 und -1813 viles allem gethan habe und'daß man nur ihm die Befreiung Europas verdaute.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/356>, abgerufen am 27.04.2024.