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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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Welle zu Welle nothwendig für die Grundempfindung des episch fortrollenden
Ganzen.

Im Spanischen konnten die Uebersetzer sich eher deS Reims entschlagen,
da die Assonanz eine so starke Rolle neben dem wirklichen Reim spielt. Wie
herrlich gelang es Herder die würdevolle Grandezza , die fast sophistische Fein¬
heit des spanischen Stils bei uns einzubürgern! Die Sprache verhält sich
(so weit ich es beurtheilen kann), dem Uebersetzer gegenüber, ungefähr wie das
Italienische, denn auch sie feuert ihn nicht minder zur Anstrebung lautlicher
Schönheit, zu Feuer und Schwung im trochäischen Fluß der Rede an, ja sie
hat noch mehr consonantische Zartheit und bei mehr stumpfen Ausgängen und
reichlichern Zischlauten mehr Muskelkraft als das Italienische, das doch mehr
dem Dionysos als dein Apollo gleicht. Ungemein schön und treu.ist dieser
Grundzug der Sprache sowol in Herders Eid, als in Geibels und Paul Hevses
Liederchen bewahrt.

Herder hat eine große Menge neuer Züge in sein Lied eingewoben; er
hat vieles ganz umgeschaffen, z. B. das schöne "Rückwärts, rückwärts, Don
Rodrigo!" .(Vergl. Komuncei'u <ZeI cia publ. par ^. Keller p. 91 t?.) Den¬
noch hat Herder von dem Stil und Ton der spanischen Ritterromanze ein so
tiefes Bewußtsein gehabt, daß seine Nachbildung auch sehr treu, sehr spa¬
nisch ist.




Schleswig-Holsteinische Briefe.
Fünfter Brief.

Die heut zu Ende gehende Woche wurde auf Streifzüge durch die süd¬
westlichen Kirchspiele Angelus verwendet, von denen ich ziemlich jedes Dorf
besucht und von wo ich eine solche Masse von wohlbegründeten Klagen heim¬
gebracht habe, daß es mir schwer fallen wird, auch nur die hauptsächlichsten
>n einen Brief zusammenzudrängen. Gern schickte ich meinem Berichte dar¬
über als Einleitung eine Charakteristik Angelus und der Angeln voraus. Allein
der Raum fehlt für heute, und es findet sich wol später Gelegenheit, über.das
höchst interessante Ländchen und Volk das Nöthige zu sagen.

Mein Man führte mich zunächst direct nach Norden. Ich ging, immer


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Welle zu Welle nothwendig für die Grundempfindung des episch fortrollenden
Ganzen.

Im Spanischen konnten die Uebersetzer sich eher deS Reims entschlagen,
da die Assonanz eine so starke Rolle neben dem wirklichen Reim spielt. Wie
herrlich gelang es Herder die würdevolle Grandezza , die fast sophistische Fein¬
heit des spanischen Stils bei uns einzubürgern! Die Sprache verhält sich
(so weit ich es beurtheilen kann), dem Uebersetzer gegenüber, ungefähr wie das
Italienische, denn auch sie feuert ihn nicht minder zur Anstrebung lautlicher
Schönheit, zu Feuer und Schwung im trochäischen Fluß der Rede an, ja sie
hat noch mehr consonantische Zartheit und bei mehr stumpfen Ausgängen und
reichlichern Zischlauten mehr Muskelkraft als das Italienische, das doch mehr
dem Dionysos als dein Apollo gleicht. Ungemein schön und treu.ist dieser
Grundzug der Sprache sowol in Herders Eid, als in Geibels und Paul Hevses
Liederchen bewahrt.

Herder hat eine große Menge neuer Züge in sein Lied eingewoben; er
hat vieles ganz umgeschaffen, z. B. das schöne „Rückwärts, rückwärts, Don
Rodrigo!" .(Vergl. Komuncei'u <ZeI cia publ. par ^. Keller p. 91 t?.) Den¬
noch hat Herder von dem Stil und Ton der spanischen Ritterromanze ein so
tiefes Bewußtsein gehabt, daß seine Nachbildung auch sehr treu, sehr spa¬
nisch ist.




Schleswig-Holsteinische Briefe.
Fünfter Brief.

Die heut zu Ende gehende Woche wurde auf Streifzüge durch die süd¬
westlichen Kirchspiele Angelus verwendet, von denen ich ziemlich jedes Dorf
besucht und von wo ich eine solche Masse von wohlbegründeten Klagen heim¬
gebracht habe, daß es mir schwer fallen wird, auch nur die hauptsächlichsten
>n einen Brief zusammenzudrängen. Gern schickte ich meinem Berichte dar¬
über als Einleitung eine Charakteristik Angelus und der Angeln voraus. Allein
der Raum fehlt für heute, und es findet sich wol später Gelegenheit, über.das
höchst interessante Ländchen und Volk das Nöthige zu sagen.

Mein Man führte mich zunächst direct nach Norden. Ich ging, immer


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[0387] Welle zu Welle nothwendig für die Grundempfindung des episch fortrollenden Ganzen. Im Spanischen konnten die Uebersetzer sich eher deS Reims entschlagen, da die Assonanz eine so starke Rolle neben dem wirklichen Reim spielt. Wie herrlich gelang es Herder die würdevolle Grandezza , die fast sophistische Fein¬ heit des spanischen Stils bei uns einzubürgern! Die Sprache verhält sich (so weit ich es beurtheilen kann), dem Uebersetzer gegenüber, ungefähr wie das Italienische, denn auch sie feuert ihn nicht minder zur Anstrebung lautlicher Schönheit, zu Feuer und Schwung im trochäischen Fluß der Rede an, ja sie hat noch mehr consonantische Zartheit und bei mehr stumpfen Ausgängen und reichlichern Zischlauten mehr Muskelkraft als das Italienische, das doch mehr dem Dionysos als dein Apollo gleicht. Ungemein schön und treu.ist dieser Grundzug der Sprache sowol in Herders Eid, als in Geibels und Paul Hevses Liederchen bewahrt. Herder hat eine große Menge neuer Züge in sein Lied eingewoben; er hat vieles ganz umgeschaffen, z. B. das schöne „Rückwärts, rückwärts, Don Rodrigo!" .(Vergl. Komuncei'u <ZeI cia publ. par ^. Keller p. 91 t?.) Den¬ noch hat Herder von dem Stil und Ton der spanischen Ritterromanze ein so tiefes Bewußtsein gehabt, daß seine Nachbildung auch sehr treu, sehr spa¬ nisch ist. Schleswig-Holsteinische Briefe. Fünfter Brief. Die heut zu Ende gehende Woche wurde auf Streifzüge durch die süd¬ westlichen Kirchspiele Angelus verwendet, von denen ich ziemlich jedes Dorf besucht und von wo ich eine solche Masse von wohlbegründeten Klagen heim¬ gebracht habe, daß es mir schwer fallen wird, auch nur die hauptsächlichsten >n einen Brief zusammenzudrängen. Gern schickte ich meinem Berichte dar¬ über als Einleitung eine Charakteristik Angelus und der Angeln voraus. Allein der Raum fehlt für heute, und es findet sich wol später Gelegenheit, über.das höchst interessante Ländchen und Volk das Nöthige zu sagen. Mein Man führte mich zunächst direct nach Norden. Ich ging, immer i8*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/387>, abgerufen am 28.04.2024.