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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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vorhanden sein und die betreffende Classe des Bürgerstandes würde ihr Ver¬
mögen ebenfalls aus das Doppelte und in demselben höhern Maße ihr An¬
sehen und ihren Einfluß im Staate anzuschlagen haben.

Eben das ist es, was die Führer der Kreuzzeitungspartei nicht wollen,
was sie fürchten, mehr noch, was ihnen als eine der vermeidenswerlhesten Con-
sequenzen einer preußischen Seemacht und als Hauptgrund für die Verwerfung
aller auf deren Schöpfung hinzielenden Entwürfe gilt. Sie werden mit
ihrem Bemühen, die Ausführung des großen Planes zu hindern, darum nicht
weniger scheitern; ja vielleicht daß ungeachtet aller trüben Erfahrungen, die
wir in den letzten zwei Jahren auf dem Felde unsrer politischen Hoffnungen
gemacht haben, der Augenblick nicht fern steht, wo Preußen seine seitherigen,
einer Kriegsmarine ungünstigen Principien aufgibt und, um nicht einseitig, blos
zu Lande, sondern auch nach der andern Seite hin, aus dem Meere, seinen
Charakter als Großmacht zu wahren und festzustellen, rüstig ans Werk geht!




Reiseeriliilenmgen und Bilder aus der europäischen Türkei.
Von Scharkoj nach Zaribrvd.

Vor kurzem ist in mehren Reden, die in britischen Volksversammlungen
gehalten wurden und auch anderwärts auf die Befähigung der türkische" Län¬
der zum massenhaften und billigen Getreideerport hingewiesen worden. Mir
fällt dies ein, indem ich von der Fruchtbarkeit des lieblichen Thales rede,
durch welches wir unsern Weg nahmen. Diese Behauptungen sind gerecht¬
fertigt, wenn man dabei das osmanische Reich in seinem weiteren Umfange im
Auge hat, also die Donaufürstenthümer (im Besonderen die Walachei) die
weiten Flußebenen in Kleinasien, endlich Aegypten nicht ausschließt. Was die
europäische Türkei im engern Sinne angeht, so führen heute Bulgarien und
Rumelien, ersteres über Küstendsche, Varna und mittelst der Donau, letzteres
über Burgas und? Kavala, auch Salonich, allerdings Getreide aus, das¬
selbe nimmt aber zum Theil seinen Weg nach Stambul, um aus dem dortigen
Markt mit den Kornfrüchten aus Anawlien (Kleinasien) und der Walachei zu
concurriren. Nur zum kleinern Theil wol wird es nach europäischen Häfen
verschifft. Denkt man sich die Bevölkerung der Türkei ! im engern Sinne im
Wachsen und annähernd bis zur durchschnittlichen Dichtigkeit der Bewohnerzahl
auch nur der minder bevölkerten westlichen Staaten gestiegen, so wird sich
herausstellen, daß unter solcher Voraussetzung zwar noch eine bedeutende Aus¬
fuhr bestehen kann, aber nicht in dem Umfange und zu so niedrigem Preise,


vorhanden sein und die betreffende Classe des Bürgerstandes würde ihr Ver¬
mögen ebenfalls aus das Doppelte und in demselben höhern Maße ihr An¬
sehen und ihren Einfluß im Staate anzuschlagen haben.

Eben das ist es, was die Führer der Kreuzzeitungspartei nicht wollen,
was sie fürchten, mehr noch, was ihnen als eine der vermeidenswerlhesten Con-
sequenzen einer preußischen Seemacht und als Hauptgrund für die Verwerfung
aller auf deren Schöpfung hinzielenden Entwürfe gilt. Sie werden mit
ihrem Bemühen, die Ausführung des großen Planes zu hindern, darum nicht
weniger scheitern; ja vielleicht daß ungeachtet aller trüben Erfahrungen, die
wir in den letzten zwei Jahren auf dem Felde unsrer politischen Hoffnungen
gemacht haben, der Augenblick nicht fern steht, wo Preußen seine seitherigen,
einer Kriegsmarine ungünstigen Principien aufgibt und, um nicht einseitig, blos
zu Lande, sondern auch nach der andern Seite hin, aus dem Meere, seinen
Charakter als Großmacht zu wahren und festzustellen, rüstig ans Werk geht!




Reiseeriliilenmgen und Bilder aus der europäischen Türkei.
Von Scharkoj nach Zaribrvd.

Vor kurzem ist in mehren Reden, die in britischen Volksversammlungen
gehalten wurden und auch anderwärts auf die Befähigung der türkische» Län¬
der zum massenhaften und billigen Getreideerport hingewiesen worden. Mir
fällt dies ein, indem ich von der Fruchtbarkeit des lieblichen Thales rede,
durch welches wir unsern Weg nahmen. Diese Behauptungen sind gerecht¬
fertigt, wenn man dabei das osmanische Reich in seinem weiteren Umfange im
Auge hat, also die Donaufürstenthümer (im Besonderen die Walachei) die
weiten Flußebenen in Kleinasien, endlich Aegypten nicht ausschließt. Was die
europäische Türkei im engern Sinne angeht, so führen heute Bulgarien und
Rumelien, ersteres über Küstendsche, Varna und mittelst der Donau, letzteres
über Burgas und? Kavala, auch Salonich, allerdings Getreide aus, das¬
selbe nimmt aber zum Theil seinen Weg nach Stambul, um aus dem dortigen
Markt mit den Kornfrüchten aus Anawlien (Kleinasien) und der Walachei zu
concurriren. Nur zum kleinern Theil wol wird es nach europäischen Häfen
verschifft. Denkt man sich die Bevölkerung der Türkei ! im engern Sinne im
Wachsen und annähernd bis zur durchschnittlichen Dichtigkeit der Bewohnerzahl
auch nur der minder bevölkerten westlichen Staaten gestiegen, so wird sich
herausstellen, daß unter solcher Voraussetzung zwar noch eine bedeutende Aus¬
fuhr bestehen kann, aber nicht in dem Umfange und zu so niedrigem Preise,


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[0469] vorhanden sein und die betreffende Classe des Bürgerstandes würde ihr Ver¬ mögen ebenfalls aus das Doppelte und in demselben höhern Maße ihr An¬ sehen und ihren Einfluß im Staate anzuschlagen haben. Eben das ist es, was die Führer der Kreuzzeitungspartei nicht wollen, was sie fürchten, mehr noch, was ihnen als eine der vermeidenswerlhesten Con- sequenzen einer preußischen Seemacht und als Hauptgrund für die Verwerfung aller auf deren Schöpfung hinzielenden Entwürfe gilt. Sie werden mit ihrem Bemühen, die Ausführung des großen Planes zu hindern, darum nicht weniger scheitern; ja vielleicht daß ungeachtet aller trüben Erfahrungen, die wir in den letzten zwei Jahren auf dem Felde unsrer politischen Hoffnungen gemacht haben, der Augenblick nicht fern steht, wo Preußen seine seitherigen, einer Kriegsmarine ungünstigen Principien aufgibt und, um nicht einseitig, blos zu Lande, sondern auch nach der andern Seite hin, aus dem Meere, seinen Charakter als Großmacht zu wahren und festzustellen, rüstig ans Werk geht! Reiseeriliilenmgen und Bilder aus der europäischen Türkei. Von Scharkoj nach Zaribrvd. Vor kurzem ist in mehren Reden, die in britischen Volksversammlungen gehalten wurden und auch anderwärts auf die Befähigung der türkische» Län¬ der zum massenhaften und billigen Getreideerport hingewiesen worden. Mir fällt dies ein, indem ich von der Fruchtbarkeit des lieblichen Thales rede, durch welches wir unsern Weg nahmen. Diese Behauptungen sind gerecht¬ fertigt, wenn man dabei das osmanische Reich in seinem weiteren Umfange im Auge hat, also die Donaufürstenthümer (im Besonderen die Walachei) die weiten Flußebenen in Kleinasien, endlich Aegypten nicht ausschließt. Was die europäische Türkei im engern Sinne angeht, so führen heute Bulgarien und Rumelien, ersteres über Küstendsche, Varna und mittelst der Donau, letzteres über Burgas und? Kavala, auch Salonich, allerdings Getreide aus, das¬ selbe nimmt aber zum Theil seinen Weg nach Stambul, um aus dem dortigen Markt mit den Kornfrüchten aus Anawlien (Kleinasien) und der Walachei zu concurriren. Nur zum kleinern Theil wol wird es nach europäischen Häfen verschifft. Denkt man sich die Bevölkerung der Türkei ! im engern Sinne im Wachsen und annähernd bis zur durchschnittlichen Dichtigkeit der Bewohnerzahl auch nur der minder bevölkerten westlichen Staaten gestiegen, so wird sich herausstellen, daß unter solcher Voraussetzung zwar noch eine bedeutende Aus¬ fuhr bestehen kann, aber nicht in dem Umfange und zu so niedrigem Preise,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/469>, abgerufen am 27.04.2024.