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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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werden kann, aber in Tagen, wie die jüngsten, wo sich nur noch ein schwaches
Geschwader der Alliirten im baltischen Meere befand, eigentlich wol Ehrensache
gewesen sein würde. Die Führer der Kreuzzeitungspartei wollen seine von
beiden Methoden acceptiren; die letztere, obwol sie russisch ist, nicht, weil sie
einsehen, daß sie unmöglich zum Zweck führen wird und weil sie fürchten, daß.
man alsdann sich bestimmen lassen möchte, zu der andern überzugehen. 'Diese
andere, d. l). die Basirung der Größe der Kriegsmarine auf die der Handels¬
flotte, ist ihnen aber darum so sehr verhaßt, weil sie und zwar mit unleugbarer
Eonsequenz folgern, daß die Regierung sich in der Nothwendigkeit befinden
wird, die letztere, also das Erwerbsinstrument der Bourgeoisie, ausnahmsweise
zu begünstigen, weil sie nur so das Fundament ihrer eignen Institution fest
zu legen vermag.

Preußen kann, alles eingerechnet und wenn man im Besonderen die Be¬
mannung der Küstenfahrer mit in Anschlag bringt, etwa 1i,000 Matrosen auf¬
weisen. Das ist eine Zahl, die allerdings nicht ausreichen würde, um
aus ihr die Bemannung irgendeiner respektablen Kriegsflotte die auch nur
fähig wäre, auf der baltischen See dem kleinen Dänemark das Gleichgewicht zu
halten, zu entnehmen; zumal wenn man berücksichtigt, daß der Handelsschiffahrt
nicht alle Leute entzogen werden können und, wenn dieselbe ihren Betrieb nicht
der Hauptsache nach einzustellen gezwungen sein soll, sie mindestens die Hälfte
für ihre eignen Zwecke verfügbar behalten muß. Es verblieben sonach dem
Staate lediglich 7000 Mann, grade genug, um vierzehn mittlere Kriegsfahr¬
zeuge zu bemannen, was immerhin um vieles mehr ist, als Preußen mit
seinen heutigen Marineplänen anstrebt, was aber nichtsdestoweniger noch zu
keinem Resultat führen würde, auch zu dem nicht, daß ein etwaiger künftiger
Krieg für Schleswig-Holstein in der Form einer nach Entscheidung zielenden
Offensive geführt werden könnte. -- Die unmittelbare Folge dieses Mangels
an Mannschaften würde, falls größere Marinepläne im Werke wären, noth¬
wendig der sein, daß Preußen seine Handelsmarine zu vermehren bemüht sein
müßte. Also zunächst Hinwegräumung alles dessen, was deren Gedeihen zu
beeinträchtigen vermag, Kündigung oder Ablösung des Sundzolles; Vertiefung
aller Fahrwasser zu den binnenwärts gelegenen Seehäfen durch Ausbaggerung,
Reduction der Zölle auf Eisen und alle andern für den> Schiffbau dienlichen
Materialien oder gänzliche Aufhebung derselben u. s. w. Es latin kaum be¬
zweifelt werden, daß dergleichen Maßregeln ihre Wirkung haben würden. Die
Aufmunterung für den preußischen Rheder, sein Geschäft zu erweitern, würde
sich verdoppeln; Capitalien, die jetzt ruhen, oder in der Landwirthschaft nur
geringe Zinsen abwarfen, würden auf die Schiffahrt übertragen werden und
reichlich rentiren; die Geldmacht der größern Seestädte würde sich heben; letztlich
würde auf der doppelten Zahl von Handelsschiffen die doppelte Zahl Matrosen


werden kann, aber in Tagen, wie die jüngsten, wo sich nur noch ein schwaches
Geschwader der Alliirten im baltischen Meere befand, eigentlich wol Ehrensache
gewesen sein würde. Die Führer der Kreuzzeitungspartei wollen seine von
beiden Methoden acceptiren; die letztere, obwol sie russisch ist, nicht, weil sie
einsehen, daß sie unmöglich zum Zweck führen wird und weil sie fürchten, daß.
man alsdann sich bestimmen lassen möchte, zu der andern überzugehen. 'Diese
andere, d. l). die Basirung der Größe der Kriegsmarine auf die der Handels¬
flotte, ist ihnen aber darum so sehr verhaßt, weil sie und zwar mit unleugbarer
Eonsequenz folgern, daß die Regierung sich in der Nothwendigkeit befinden
wird, die letztere, also das Erwerbsinstrument der Bourgeoisie, ausnahmsweise
zu begünstigen, weil sie nur so das Fundament ihrer eignen Institution fest
zu legen vermag.

Preußen kann, alles eingerechnet und wenn man im Besonderen die Be¬
mannung der Küstenfahrer mit in Anschlag bringt, etwa 1i,000 Matrosen auf¬
weisen. Das ist eine Zahl, die allerdings nicht ausreichen würde, um
aus ihr die Bemannung irgendeiner respektablen Kriegsflotte die auch nur
fähig wäre, auf der baltischen See dem kleinen Dänemark das Gleichgewicht zu
halten, zu entnehmen; zumal wenn man berücksichtigt, daß der Handelsschiffahrt
nicht alle Leute entzogen werden können und, wenn dieselbe ihren Betrieb nicht
der Hauptsache nach einzustellen gezwungen sein soll, sie mindestens die Hälfte
für ihre eignen Zwecke verfügbar behalten muß. Es verblieben sonach dem
Staate lediglich 7000 Mann, grade genug, um vierzehn mittlere Kriegsfahr¬
zeuge zu bemannen, was immerhin um vieles mehr ist, als Preußen mit
seinen heutigen Marineplänen anstrebt, was aber nichtsdestoweniger noch zu
keinem Resultat führen würde, auch zu dem nicht, daß ein etwaiger künftiger
Krieg für Schleswig-Holstein in der Form einer nach Entscheidung zielenden
Offensive geführt werden könnte. — Die unmittelbare Folge dieses Mangels
an Mannschaften würde, falls größere Marinepläne im Werke wären, noth¬
wendig der sein, daß Preußen seine Handelsmarine zu vermehren bemüht sein
müßte. Also zunächst Hinwegräumung alles dessen, was deren Gedeihen zu
beeinträchtigen vermag, Kündigung oder Ablösung des Sundzolles; Vertiefung
aller Fahrwasser zu den binnenwärts gelegenen Seehäfen durch Ausbaggerung,
Reduction der Zölle auf Eisen und alle andern für den> Schiffbau dienlichen
Materialien oder gänzliche Aufhebung derselben u. s. w. Es latin kaum be¬
zweifelt werden, daß dergleichen Maßregeln ihre Wirkung haben würden. Die
Aufmunterung für den preußischen Rheder, sein Geschäft zu erweitern, würde
sich verdoppeln; Capitalien, die jetzt ruhen, oder in der Landwirthschaft nur
geringe Zinsen abwarfen, würden auf die Schiffahrt übertragen werden und
reichlich rentiren; die Geldmacht der größern Seestädte würde sich heben; letztlich
würde auf der doppelten Zahl von Handelsschiffen die doppelte Zahl Matrosen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/468>, abgerufen am 09.05.2024.