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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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Die drei Triangel Kollstantinopels.

Es ist nicht die Gestaltung des Halbinselraumes allein, auf welchem das
eigentliche Stambul, das alte Byzanz, sich erhebt, welches der Metropole des,
osmanischen Reichs den Namen der Dreieckstadt verschafft hat;, denn genctu
genommen ist es nicht ein, sondern es sind drei Triangel, die von vom Meer
geschiedenen Ufern aus hier ihre Spitzen einander entgegenwendend das Ensemble
der ungeheuren Capitale ausmachen. Allerdings ist die dreiseitige Figur, welche
von der riesigen Mauer der Konstantine gezogen wird und in deren Umfassung
das heutige eigentliche Konstantinopel hineinfällt, die markirteste, geradlinigst
begrenzte und darum in die Augen springendste von allen; aber ihr gegenüber
stecken die Punkte Haskoj, Galata und Dolma Bagdsche einen nicht minder
ausgedehnten Dreiecksraum ab, in welchen hinein die ganze junge, in der Er¬
weiterung und Entwicklung begriffene Hälfte der Hauptstadt fällt, und endlich
kann gegenüber auf dem asiatischen Ufer das weitläufige Skutari sammt seinen
vielnamigen Ausläufern kaum in eine andere Figur als einen Triangel hinein¬
geschoben werden.

Diese drei Dreiecke haben das miteinander gemein, daß je zwei ihrer Seiten
vom Meer begrenzt sind und nur eine landwärts sich ausschließt. Darauf ins¬
besondere beruht der überwiegend maritime Charakter-dieser in ihrer Lage un¬
vergleichlichen Metropole, deren Zukunft noch ungleich großer sich gestalten
dürfte, als ihre Vergangenheit es gewesen.

Die Hauptfronten vom eigentlichen Stambul kennt jedermann, welcher
jemals einen Plan Konstantinopels gesehen. Er weiß, daß von den beiden
der See zugewendeten die eine auswärts dem Marmorameere entgegengekehrt
ist und von den sieben Thürmen bis zur Serailspitze reicht, wogegen die andere
dem goldnen Horn oder den Hafen entlang reichende sich vom letzteren Punkte
bis Ejub ausdehnt. Zwischen den sieben Thürmen und Ejub entfaltet sich
endlich die dritte oder binnenwärtige Fronte. Sonach ist die Situation Stam-
buls eine Zwischenstellung inmitten des Chrysokeras, wie die Griechen und
Türken das Goldhorn nennen, und der Propontis. Die Serailspitze ist der
Punkt, wo das erstere Becken sich öffnet, und äußeres Meer und Hafen ihre
gemeinsame Grenze finden; aber gleichzeitig öffnet sich hier auch die großartige
Meerenge, der Welttheile scheidende Bosporus, und gibt damit dem Promon-
torium eine dritte maritime Beziehung.

Sowie Stambul zwischen dem Hafen und der Marmorasee gelegen ist,
liegt Skutari zwischen dieser und dem Bosporus, nur daß die beiden Fronten
hier unter einem ungleich stumpferen, breiteren Winkel zusammenstoßen. Der
Kiß Kulassi oder Leanderthurm liegt der Spitze vor, und bildet in solcher Weise
den Scheidepunkt zwischen der Propontis und der Seestraße.


Die drei Triangel Kollstantinopels.

Es ist nicht die Gestaltung des Halbinselraumes allein, auf welchem das
eigentliche Stambul, das alte Byzanz, sich erhebt, welches der Metropole des,
osmanischen Reichs den Namen der Dreieckstadt verschafft hat;, denn genctu
genommen ist es nicht ein, sondern es sind drei Triangel, die von vom Meer
geschiedenen Ufern aus hier ihre Spitzen einander entgegenwendend das Ensemble
der ungeheuren Capitale ausmachen. Allerdings ist die dreiseitige Figur, welche
von der riesigen Mauer der Konstantine gezogen wird und in deren Umfassung
das heutige eigentliche Konstantinopel hineinfällt, die markirteste, geradlinigst
begrenzte und darum in die Augen springendste von allen; aber ihr gegenüber
stecken die Punkte Haskoj, Galata und Dolma Bagdsche einen nicht minder
ausgedehnten Dreiecksraum ab, in welchen hinein die ganze junge, in der Er¬
weiterung und Entwicklung begriffene Hälfte der Hauptstadt fällt, und endlich
kann gegenüber auf dem asiatischen Ufer das weitläufige Skutari sammt seinen
vielnamigen Ausläufern kaum in eine andere Figur als einen Triangel hinein¬
geschoben werden.

Diese drei Dreiecke haben das miteinander gemein, daß je zwei ihrer Seiten
vom Meer begrenzt sind und nur eine landwärts sich ausschließt. Darauf ins¬
besondere beruht der überwiegend maritime Charakter-dieser in ihrer Lage un¬
vergleichlichen Metropole, deren Zukunft noch ungleich großer sich gestalten
dürfte, als ihre Vergangenheit es gewesen.

Die Hauptfronten vom eigentlichen Stambul kennt jedermann, welcher
jemals einen Plan Konstantinopels gesehen. Er weiß, daß von den beiden
der See zugewendeten die eine auswärts dem Marmorameere entgegengekehrt
ist und von den sieben Thürmen bis zur Serailspitze reicht, wogegen die andere
dem goldnen Horn oder den Hafen entlang reichende sich vom letzteren Punkte
bis Ejub ausdehnt. Zwischen den sieben Thürmen und Ejub entfaltet sich
endlich die dritte oder binnenwärtige Fronte. Sonach ist die Situation Stam-
buls eine Zwischenstellung inmitten des Chrysokeras, wie die Griechen und
Türken das Goldhorn nennen, und der Propontis. Die Serailspitze ist der
Punkt, wo das erstere Becken sich öffnet, und äußeres Meer und Hafen ihre
gemeinsame Grenze finden; aber gleichzeitig öffnet sich hier auch die großartige
Meerenge, der Welttheile scheidende Bosporus, und gibt damit dem Promon-
torium eine dritte maritime Beziehung.

Sowie Stambul zwischen dem Hafen und der Marmorasee gelegen ist,
liegt Skutari zwischen dieser und dem Bosporus, nur daß die beiden Fronten
hier unter einem ungleich stumpferen, breiteren Winkel zusammenstoßen. Der
Kiß Kulassi oder Leanderthurm liegt der Spitze vor, und bildet in solcher Weise
den Scheidepunkt zwischen der Propontis und der Seestraße.


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[0134] Die drei Triangel Kollstantinopels. Es ist nicht die Gestaltung des Halbinselraumes allein, auf welchem das eigentliche Stambul, das alte Byzanz, sich erhebt, welches der Metropole des, osmanischen Reichs den Namen der Dreieckstadt verschafft hat;, denn genctu genommen ist es nicht ein, sondern es sind drei Triangel, die von vom Meer geschiedenen Ufern aus hier ihre Spitzen einander entgegenwendend das Ensemble der ungeheuren Capitale ausmachen. Allerdings ist die dreiseitige Figur, welche von der riesigen Mauer der Konstantine gezogen wird und in deren Umfassung das heutige eigentliche Konstantinopel hineinfällt, die markirteste, geradlinigst begrenzte und darum in die Augen springendste von allen; aber ihr gegenüber stecken die Punkte Haskoj, Galata und Dolma Bagdsche einen nicht minder ausgedehnten Dreiecksraum ab, in welchen hinein die ganze junge, in der Er¬ weiterung und Entwicklung begriffene Hälfte der Hauptstadt fällt, und endlich kann gegenüber auf dem asiatischen Ufer das weitläufige Skutari sammt seinen vielnamigen Ausläufern kaum in eine andere Figur als einen Triangel hinein¬ geschoben werden. Diese drei Dreiecke haben das miteinander gemein, daß je zwei ihrer Seiten vom Meer begrenzt sind und nur eine landwärts sich ausschließt. Darauf ins¬ besondere beruht der überwiegend maritime Charakter-dieser in ihrer Lage un¬ vergleichlichen Metropole, deren Zukunft noch ungleich großer sich gestalten dürfte, als ihre Vergangenheit es gewesen. Die Hauptfronten vom eigentlichen Stambul kennt jedermann, welcher jemals einen Plan Konstantinopels gesehen. Er weiß, daß von den beiden der See zugewendeten die eine auswärts dem Marmorameere entgegengekehrt ist und von den sieben Thürmen bis zur Serailspitze reicht, wogegen die andere dem goldnen Horn oder den Hafen entlang reichende sich vom letzteren Punkte bis Ejub ausdehnt. Zwischen den sieben Thürmen und Ejub entfaltet sich endlich die dritte oder binnenwärtige Fronte. Sonach ist die Situation Stam- buls eine Zwischenstellung inmitten des Chrysokeras, wie die Griechen und Türken das Goldhorn nennen, und der Propontis. Die Serailspitze ist der Punkt, wo das erstere Becken sich öffnet, und äußeres Meer und Hafen ihre gemeinsame Grenze finden; aber gleichzeitig öffnet sich hier auch die großartige Meerenge, der Welttheile scheidende Bosporus, und gibt damit dem Promon- torium eine dritte maritime Beziehung. Sowie Stambul zwischen dem Hafen und der Marmorasee gelegen ist, liegt Skutari zwischen dieser und dem Bosporus, nur daß die beiden Fronten hier unter einem ungleich stumpferen, breiteren Winkel zusammenstoßen. Der Kiß Kulassi oder Leanderthurm liegt der Spitze vor, und bildet in solcher Weise den Scheidepunkt zwischen der Propontis und der Seestraße.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/134>, abgerufen am 06.05.2024.