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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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Als das Kalk die Ville de Paris passirt hatte, bemerkte ich links, dem
Arsenal zu, einen langgestreckten Schraubendampfer, der durchaus rasirt (seiner
Masten beraubt) war, und vor mir drei Zweidecker, nämlich einen türkischen,
einen englischen und einen französischen. Der letztere war das Linienschiff
Valmy. Mir war es interessant, bei diesem dichten Nebeneinander französische
und britische Schiffsbaukunst miteinander zu vergleichen. Der Umstand indeß,
daß der englische Zweidecker ein sehr altes Schiff war, ließ mich zu keinem be¬
stimmten Resultat gelangen. Beim letzteren waren die Schiffswände oben zu¬
rückgebogen, mit anderen Worten, sie hatten eine Ventrve,, während sie bei
dem Franzosen, in moderner Art, senkrecht aufstiegen. Hieraus geht hervor,
daß die britische Admiralität in diesem Kriege, den Russen gegenüber, ökono¬
misch zu Werke gehen und ihr altes Material verwerthen zu dürfen meinte.

Es würde nicht ohne Interesse und namentlich für die aufkeimenden Ma¬
riner Oestreichs und Preußens von der höchsten Bedeutung sein, vergleichsweise
zu ermitteln, in welcher Weise die beiderseitigen Seebudgets von England und
Frankreich in den letzten fünfzehn Jahren zur Verwendung gebracht worden
sind. In diesem Zeitraum hat das Marineministerium zu Paris etwa eine
gleich große Summe >wie die Admiralität zu London zur Verausgabung gebracht,
und das Resultat ist, daß Frankreich jetzt ein Material von gegen fünfzig
Linienschiffen, worunter sieben Dreidecker, besitzt, von denen gegen vierzig nach
neueren Principien erbaut sind, wogegen England neunzig Linienschiffe auszu¬
weisen hat, aber von denen ihm zwischen vierzig und fünfzig aus älterer Zeit
überkommen und mithin von veralteter Construction sin!?. Seine Anstrengungen
waren, anstatt darauf: ein neues Material von Segelschiffen zu schaffen, viel¬
mehr auf die Begründung einer mächtigen Dampfflotte gerichtet. Man ist in
dieser Hinsicht in mancherlei Dingen voreilig gewesen, aber im Grunde ge¬
nommen hat man doch wol die bessere Entscheidung getroffen. Frankreich
folgte später dem gegebenen Beispiel langsam nach. Was die Umwandlung der
Segellinienschiffe in Schrauber betrifft, so ging die Initiative von ihm aus.

Um die zuletzt erwähnten Zweidecker herum wimmelte es von Corvetten,
Kuttern und Briggs; mein Kaikschi aber lenkte dem Anlandeplatz von Kassia
Pascha zu, wo mit dem Rathsgebäude der türkischen Admiralität die Fronte
des Arsenals schließt. Noch einen Gruß warf ich den weiter im Hintergrunde,
nahe der mittleren Brücke gelegenen Kriegsschiffen zu, unter denen ein abge¬
takelter osmanischer Dreidecker aufragte und stieg alsbald aus Land.




Als das Kalk die Ville de Paris passirt hatte, bemerkte ich links, dem
Arsenal zu, einen langgestreckten Schraubendampfer, der durchaus rasirt (seiner
Masten beraubt) war, und vor mir drei Zweidecker, nämlich einen türkischen,
einen englischen und einen französischen. Der letztere war das Linienschiff
Valmy. Mir war es interessant, bei diesem dichten Nebeneinander französische
und britische Schiffsbaukunst miteinander zu vergleichen. Der Umstand indeß,
daß der englische Zweidecker ein sehr altes Schiff war, ließ mich zu keinem be¬
stimmten Resultat gelangen. Beim letzteren waren die Schiffswände oben zu¬
rückgebogen, mit anderen Worten, sie hatten eine Ventrve,, während sie bei
dem Franzosen, in moderner Art, senkrecht aufstiegen. Hieraus geht hervor,
daß die britische Admiralität in diesem Kriege, den Russen gegenüber, ökono¬
misch zu Werke gehen und ihr altes Material verwerthen zu dürfen meinte.

Es würde nicht ohne Interesse und namentlich für die aufkeimenden Ma¬
riner Oestreichs und Preußens von der höchsten Bedeutung sein, vergleichsweise
zu ermitteln, in welcher Weise die beiderseitigen Seebudgets von England und
Frankreich in den letzten fünfzehn Jahren zur Verwendung gebracht worden
sind. In diesem Zeitraum hat das Marineministerium zu Paris etwa eine
gleich große Summe >wie die Admiralität zu London zur Verausgabung gebracht,
und das Resultat ist, daß Frankreich jetzt ein Material von gegen fünfzig
Linienschiffen, worunter sieben Dreidecker, besitzt, von denen gegen vierzig nach
neueren Principien erbaut sind, wogegen England neunzig Linienschiffe auszu¬
weisen hat, aber von denen ihm zwischen vierzig und fünfzig aus älterer Zeit
überkommen und mithin von veralteter Construction sin!?. Seine Anstrengungen
waren, anstatt darauf: ein neues Material von Segelschiffen zu schaffen, viel¬
mehr auf die Begründung einer mächtigen Dampfflotte gerichtet. Man ist in
dieser Hinsicht in mancherlei Dingen voreilig gewesen, aber im Grunde ge¬
nommen hat man doch wol die bessere Entscheidung getroffen. Frankreich
folgte später dem gegebenen Beispiel langsam nach. Was die Umwandlung der
Segellinienschiffe in Schrauber betrifft, so ging die Initiative von ihm aus.

Um die zuletzt erwähnten Zweidecker herum wimmelte es von Corvetten,
Kuttern und Briggs; mein Kaikschi aber lenkte dem Anlandeplatz von Kassia
Pascha zu, wo mit dem Rathsgebäude der türkischen Admiralität die Fronte
des Arsenals schließt. Noch einen Gruß warf ich den weiter im Hintergrunde,
nahe der mittleren Brücke gelegenen Kriegsschiffen zu, unter denen ein abge¬
takelter osmanischer Dreidecker aufragte und stieg alsbald aus Land.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/133>, abgerufen am 26.05.2024.