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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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nahe der Stadt gleiches Namens, die ebenfalls an der Burgasbucht gelegen
ist, Salz aus dem Meere gewonnen worden, dieser Industriezweig indeß wieder
aufgegeben worden sei.

Eine auf dem Vormast wehende Signalflagge des Dampfers mahnte uns
an Bord zurückzukehren. Eine Viertelstunde darnach hatte das Fahrzeug um¬
gelegt und dampfte aus der Bucht dem offenen Meere entgegen.


Cap Emineh.

Es war Nachmittag , als wir Burgas schon weit hinter uns hatten und
nur noch ein Minaret, das höchste von allen, über eine Landspitze als letztes
Merkmal der Stadt herüberschaute. Der Wind stand von Norden her, und
verschiedene Briggs und Schooner, die wie wir die Küste entlang, aber ent¬
gegengesetzten Cours steuerten, fuhren mit ausgebreiteten Linnen, die Leesegel
an den verlängerten Raaen weitgcbläht, majestätisch an uns vorüber. In der
Ferne glaubten wir eine russische Kriegsfregatte wahrzunehmen, die südost-
wärts über Stag ging und dem Anschein nach auf die kleinasiatische Küste zu¬
steuerte.

Die Küste, welche uns dauernd in Sicht blieb, nimmt von Burgas aus
einen mehr steilen, bergigen, zum Theil felsigen Charakter an, und ist an vielen
Stellen mit Wald bedeckt. Der Balkan, dessen Kette unter einem rechten
Winkel auf die Gestadelinie einfällt, ist in voller Entwicklung nur selten sicht¬
bar, aber einzelne namhafte Bergspitzen bemerkt man Kom Meere aus auch in
größerer Ferne.

Gegen Abend naheten wir uns dem Cap Emineh. Es ist dies der öst¬
lichste Ausläufer des Balkans; schroff stürzen seine Hänge ins Meer hernieder
und lassen unterwärts nicht den nöthigen Raum, um eine, Straße zwischen See
und Gebirge hinführen zu können. Ohne überraschend hoch zu sein, hat die
Bergsormation hier ein mannigfaches Interesse. Es ist dies in mehr als einer
Beziehung ein Scheidepunkt. Hier hört die rumelische Küste auf und die bul¬
garische beginnt. Hier liegt die Grenze des Klimas, welches im Norden der
europäischen Türkei so verschieden von dem im Süden ist. Hier ist auch
die Stelle, wo der Pontus wie die griechische Halbinsel sich in Süden und
Norden trennen, und die große Markscheidelinie zwischen Orient und Occident,
der Balkan, nimmt hier seinen Anfang. Ein besonderes Flußsvstem diesseits
und ein andres jenseits. Im Norden die Donau und im Süden, der Halb¬
inselnatur gemäß, ein freies Durcheinander unzähliger selbstständiger Wasser¬
linien.

Wir fuhren ziemlich dicht unter dem Vorgebirge hin, welches ernst und
kahl, nur mit kurzgrastgem Nasen bedeckt, in die See hinausschaut. So, nur


nahe der Stadt gleiches Namens, die ebenfalls an der Burgasbucht gelegen
ist, Salz aus dem Meere gewonnen worden, dieser Industriezweig indeß wieder
aufgegeben worden sei.

Eine auf dem Vormast wehende Signalflagge des Dampfers mahnte uns
an Bord zurückzukehren. Eine Viertelstunde darnach hatte das Fahrzeug um¬
gelegt und dampfte aus der Bucht dem offenen Meere entgegen.


Cap Emineh.

Es war Nachmittag , als wir Burgas schon weit hinter uns hatten und
nur noch ein Minaret, das höchste von allen, über eine Landspitze als letztes
Merkmal der Stadt herüberschaute. Der Wind stand von Norden her, und
verschiedene Briggs und Schooner, die wie wir die Küste entlang, aber ent¬
gegengesetzten Cours steuerten, fuhren mit ausgebreiteten Linnen, die Leesegel
an den verlängerten Raaen weitgcbläht, majestätisch an uns vorüber. In der
Ferne glaubten wir eine russische Kriegsfregatte wahrzunehmen, die südost-
wärts über Stag ging und dem Anschein nach auf die kleinasiatische Küste zu¬
steuerte.

Die Küste, welche uns dauernd in Sicht blieb, nimmt von Burgas aus
einen mehr steilen, bergigen, zum Theil felsigen Charakter an, und ist an vielen
Stellen mit Wald bedeckt. Der Balkan, dessen Kette unter einem rechten
Winkel auf die Gestadelinie einfällt, ist in voller Entwicklung nur selten sicht¬
bar, aber einzelne namhafte Bergspitzen bemerkt man Kom Meere aus auch in
größerer Ferne.

Gegen Abend naheten wir uns dem Cap Emineh. Es ist dies der öst¬
lichste Ausläufer des Balkans; schroff stürzen seine Hänge ins Meer hernieder
und lassen unterwärts nicht den nöthigen Raum, um eine, Straße zwischen See
und Gebirge hinführen zu können. Ohne überraschend hoch zu sein, hat die
Bergsormation hier ein mannigfaches Interesse. Es ist dies in mehr als einer
Beziehung ein Scheidepunkt. Hier hört die rumelische Küste auf und die bul¬
garische beginnt. Hier liegt die Grenze des Klimas, welches im Norden der
europäischen Türkei so verschieden von dem im Süden ist. Hier ist auch
die Stelle, wo der Pontus wie die griechische Halbinsel sich in Süden und
Norden trennen, und die große Markscheidelinie zwischen Orient und Occident,
der Balkan, nimmt hier seinen Anfang. Ein besonderes Flußsvstem diesseits
und ein andres jenseits. Im Norden die Donau und im Süden, der Halb¬
inselnatur gemäß, ein freies Durcheinander unzähliger selbstständiger Wasser¬
linien.

Wir fuhren ziemlich dicht unter dem Vorgebirge hin, welches ernst und
kahl, nur mit kurzgrastgem Nasen bedeckt, in die See hinausschaut. So, nur


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[0272] nahe der Stadt gleiches Namens, die ebenfalls an der Burgasbucht gelegen ist, Salz aus dem Meere gewonnen worden, dieser Industriezweig indeß wieder aufgegeben worden sei. Eine auf dem Vormast wehende Signalflagge des Dampfers mahnte uns an Bord zurückzukehren. Eine Viertelstunde darnach hatte das Fahrzeug um¬ gelegt und dampfte aus der Bucht dem offenen Meere entgegen. Cap Emineh. Es war Nachmittag , als wir Burgas schon weit hinter uns hatten und nur noch ein Minaret, das höchste von allen, über eine Landspitze als letztes Merkmal der Stadt herüberschaute. Der Wind stand von Norden her, und verschiedene Briggs und Schooner, die wie wir die Küste entlang, aber ent¬ gegengesetzten Cours steuerten, fuhren mit ausgebreiteten Linnen, die Leesegel an den verlängerten Raaen weitgcbläht, majestätisch an uns vorüber. In der Ferne glaubten wir eine russische Kriegsfregatte wahrzunehmen, die südost- wärts über Stag ging und dem Anschein nach auf die kleinasiatische Küste zu¬ steuerte. Die Küste, welche uns dauernd in Sicht blieb, nimmt von Burgas aus einen mehr steilen, bergigen, zum Theil felsigen Charakter an, und ist an vielen Stellen mit Wald bedeckt. Der Balkan, dessen Kette unter einem rechten Winkel auf die Gestadelinie einfällt, ist in voller Entwicklung nur selten sicht¬ bar, aber einzelne namhafte Bergspitzen bemerkt man Kom Meere aus auch in größerer Ferne. Gegen Abend naheten wir uns dem Cap Emineh. Es ist dies der öst¬ lichste Ausläufer des Balkans; schroff stürzen seine Hänge ins Meer hernieder und lassen unterwärts nicht den nöthigen Raum, um eine, Straße zwischen See und Gebirge hinführen zu können. Ohne überraschend hoch zu sein, hat die Bergsormation hier ein mannigfaches Interesse. Es ist dies in mehr als einer Beziehung ein Scheidepunkt. Hier hört die rumelische Küste auf und die bul¬ garische beginnt. Hier liegt die Grenze des Klimas, welches im Norden der europäischen Türkei so verschieden von dem im Süden ist. Hier ist auch die Stelle, wo der Pontus wie die griechische Halbinsel sich in Süden und Norden trennen, und die große Markscheidelinie zwischen Orient und Occident, der Balkan, nimmt hier seinen Anfang. Ein besonderes Flußsvstem diesseits und ein andres jenseits. Im Norden die Donau und im Süden, der Halb¬ inselnatur gemäß, ein freies Durcheinander unzähliger selbstständiger Wasser¬ linien. Wir fuhren ziemlich dicht unter dem Vorgebirge hin, welches ernst und kahl, nur mit kurzgrastgem Nasen bedeckt, in die See hinausschaut. So, nur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/272>, abgerufen am 06.05.2024.