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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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Die väterliche Bevormundung des holländischen Herings.

Möge erlaubt sein, an einem auffallenden Beispiel zu zejgen, wie schädlich
Einmischung der Negierung auf Handel und Industrie eines Landes wirken
kann. Die Leser der Grenzboten werden nicht zürnen, wenn der Beweis davon
an einen kleinen silberfarbigem Fisch geknüpft wird, welcher den Vorzug hat,
;u den bekanntesten Geschöpfen dieser Welt zu gehören. Es ist bekannt, wie¬
viel der niederländische Wohlstand der Heringsfischerei zu danken gehabt hat
Im -16. und 17. Jahrhundert besaßen die Niederländer 700 Heringsbüisen,
ja fast das Monopol im Fange und Handel mit Heringen.

Gegenwärtig beträgt die Zahl der niederländischen Heringsbüisen nur
noch circa 100 und alljährlich überflügelt England die Niederlande in diesem
Handelsartikel in erstaunlichen Progressionen.

Die eine Ursache des Verfalls der niederländischen Heringsfischerei ist die¬
selbe, wie für die Abnahme der ganzen commerciellen Bedeutung der Nieder¬
lande, nämlich der nationalökonomische Aufschwung anderer Nationen, und infolge
dessen Aufhören des niederländischen Monopols. Es kommt aber noch eine
zweite Ursache hinzu und diese ist handelspolitisch höchst belehrend, da sie in schon
sovielen Ländern ehemals blühende Erwerbszweige zerstört hat; wir meinen
die bevormundende Fürsorge der Regierungen, eine Affenliebe, welche auch
jetzt noch soviele starke Kinder deS volkswirthschaftlichen Lebens nicht aus
ihren Armen lassen will.

Schon die letzten i0 Jahre der alten Republik hatten eine Menge von
hindernden Reglements über die Heringsfischerei gebracht, dennoch aber bestand
die Heringsflotte 1794 noch aus 1ö0 Büisen, von da an bis 181S gab es
keine Heringsfischerei von irgendwelcher Bedeutung, da sie nur im Frieden
ausgeübt werden kann und so fand König Wilhelm I. auch diesen Erwerbs¬
zweig, wie Schiffahrt und Handel im allgemeinen, völlig zugrundegerichtet,
und der freilich in den nationalökonomischen Irrthümern seinerzeit völlig be¬
fangene, aber doch für die Hebung der Volkswohlfahrt sehr rührige König
griff hauptsächlich zu zwei Mitteln, um seinen Zweck zu erreichen.

Erstlich suchte er für alle Handels- und Industriezweige die großen Capitalien
zu einer Gesammtmacht zu vereinigen, dieselben mit allen Staatsmitteln zu unter¬
stützen und so allmälig, gestützt durch eine monopolistische und streng protcctionistische
Eolonialhandelspolitik gegenüber dem Auslande, den niederländischen Handel
wiederzubeleben und die Concurrenz anderer Nationen zu besiegen. Wie dieses
System, oberflächlich betrachtet, den besten Erfolg gehabt zu haben scheint, in
der That aber die niederländische Rhederei verwöhnt und von andern Routen
abgelenkt, den niederländischen Handel, selbst der größeren Häuser, fast nur


Die väterliche Bevormundung des holländischen Herings.

Möge erlaubt sein, an einem auffallenden Beispiel zu zejgen, wie schädlich
Einmischung der Negierung auf Handel und Industrie eines Landes wirken
kann. Die Leser der Grenzboten werden nicht zürnen, wenn der Beweis davon
an einen kleinen silberfarbigem Fisch geknüpft wird, welcher den Vorzug hat,
;u den bekanntesten Geschöpfen dieser Welt zu gehören. Es ist bekannt, wie¬
viel der niederländische Wohlstand der Heringsfischerei zu danken gehabt hat
Im -16. und 17. Jahrhundert besaßen die Niederländer 700 Heringsbüisen,
ja fast das Monopol im Fange und Handel mit Heringen.

Gegenwärtig beträgt die Zahl der niederländischen Heringsbüisen nur
noch circa 100 und alljährlich überflügelt England die Niederlande in diesem
Handelsartikel in erstaunlichen Progressionen.

Die eine Ursache des Verfalls der niederländischen Heringsfischerei ist die¬
selbe, wie für die Abnahme der ganzen commerciellen Bedeutung der Nieder¬
lande, nämlich der nationalökonomische Aufschwung anderer Nationen, und infolge
dessen Aufhören des niederländischen Monopols. Es kommt aber noch eine
zweite Ursache hinzu und diese ist handelspolitisch höchst belehrend, da sie in schon
sovielen Ländern ehemals blühende Erwerbszweige zerstört hat; wir meinen
die bevormundende Fürsorge der Regierungen, eine Affenliebe, welche auch
jetzt noch soviele starke Kinder deS volkswirthschaftlichen Lebens nicht aus
ihren Armen lassen will.

Schon die letzten i0 Jahre der alten Republik hatten eine Menge von
hindernden Reglements über die Heringsfischerei gebracht, dennoch aber bestand
die Heringsflotte 1794 noch aus 1ö0 Büisen, von da an bis 181S gab es
keine Heringsfischerei von irgendwelcher Bedeutung, da sie nur im Frieden
ausgeübt werden kann und so fand König Wilhelm I. auch diesen Erwerbs¬
zweig, wie Schiffahrt und Handel im allgemeinen, völlig zugrundegerichtet,
und der freilich in den nationalökonomischen Irrthümern seinerzeit völlig be¬
fangene, aber doch für die Hebung der Volkswohlfahrt sehr rührige König
griff hauptsächlich zu zwei Mitteln, um seinen Zweck zu erreichen.

Erstlich suchte er für alle Handels- und Industriezweige die großen Capitalien
zu einer Gesammtmacht zu vereinigen, dieselben mit allen Staatsmitteln zu unter¬
stützen und so allmälig, gestützt durch eine monopolistische und streng protcctionistische
Eolonialhandelspolitik gegenüber dem Auslande, den niederländischen Handel
wiederzubeleben und die Concurrenz anderer Nationen zu besiegen. Wie dieses
System, oberflächlich betrachtet, den besten Erfolg gehabt zu haben scheint, in
der That aber die niederländische Rhederei verwöhnt und von andern Routen
abgelenkt, den niederländischen Handel, selbst der größeren Häuser, fast nur


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[0382] Die väterliche Bevormundung des holländischen Herings. Möge erlaubt sein, an einem auffallenden Beispiel zu zejgen, wie schädlich Einmischung der Negierung auf Handel und Industrie eines Landes wirken kann. Die Leser der Grenzboten werden nicht zürnen, wenn der Beweis davon an einen kleinen silberfarbigem Fisch geknüpft wird, welcher den Vorzug hat, ;u den bekanntesten Geschöpfen dieser Welt zu gehören. Es ist bekannt, wie¬ viel der niederländische Wohlstand der Heringsfischerei zu danken gehabt hat Im -16. und 17. Jahrhundert besaßen die Niederländer 700 Heringsbüisen, ja fast das Monopol im Fange und Handel mit Heringen. Gegenwärtig beträgt die Zahl der niederländischen Heringsbüisen nur noch circa 100 und alljährlich überflügelt England die Niederlande in diesem Handelsartikel in erstaunlichen Progressionen. Die eine Ursache des Verfalls der niederländischen Heringsfischerei ist die¬ selbe, wie für die Abnahme der ganzen commerciellen Bedeutung der Nieder¬ lande, nämlich der nationalökonomische Aufschwung anderer Nationen, und infolge dessen Aufhören des niederländischen Monopols. Es kommt aber noch eine zweite Ursache hinzu und diese ist handelspolitisch höchst belehrend, da sie in schon sovielen Ländern ehemals blühende Erwerbszweige zerstört hat; wir meinen die bevormundende Fürsorge der Regierungen, eine Affenliebe, welche auch jetzt noch soviele starke Kinder deS volkswirthschaftlichen Lebens nicht aus ihren Armen lassen will. Schon die letzten i0 Jahre der alten Republik hatten eine Menge von hindernden Reglements über die Heringsfischerei gebracht, dennoch aber bestand die Heringsflotte 1794 noch aus 1ö0 Büisen, von da an bis 181S gab es keine Heringsfischerei von irgendwelcher Bedeutung, da sie nur im Frieden ausgeübt werden kann und so fand König Wilhelm I. auch diesen Erwerbs¬ zweig, wie Schiffahrt und Handel im allgemeinen, völlig zugrundegerichtet, und der freilich in den nationalökonomischen Irrthümern seinerzeit völlig be¬ fangene, aber doch für die Hebung der Volkswohlfahrt sehr rührige König griff hauptsächlich zu zwei Mitteln, um seinen Zweck zu erreichen. Erstlich suchte er für alle Handels- und Industriezweige die großen Capitalien zu einer Gesammtmacht zu vereinigen, dieselben mit allen Staatsmitteln zu unter¬ stützen und so allmälig, gestützt durch eine monopolistische und streng protcctionistische Eolonialhandelspolitik gegenüber dem Auslande, den niederländischen Handel wiederzubeleben und die Concurrenz anderer Nationen zu besiegen. Wie dieses System, oberflächlich betrachtet, den besten Erfolg gehabt zu haben scheint, in der That aber die niederländische Rhederei verwöhnt und von andern Routen abgelenkt, den niederländischen Handel, selbst der größeren Häuser, fast nur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/382>, abgerufen am 06.05.2024.