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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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zu einem Kommissionsgeschäft erniedrigt, dem Handel der kleinen Kapitalisten
unendlich geschadet, die Kolonien übermäßig angestrengt und ihre materielle
und geistige Entwicklung zurückgehalten und hauptsächlich die Noth der unteren
und mittleren Stände verschuldet hat, mehr freilich durch das zu lange Zeit
Fortsetzen als anfängliche Wirken desselben, -- das bedarf einer eignen Aus¬
einandersetzung, und wir erwähnen es nur, um bei der Betrachtung der
Schicksale der Heringsfischerei nicht stets wieder daran erinnern zu müssen, daß
sie auf das engste mit der allgemeinen Handelspolitik König Wilhelm I. zu¬
sammenhingen.

Zweitens war er ein großer Freund von Reglements und mechanischer
Ordnung, wie das überhaupt der ganzen Nation eigen ist und deshalb freute
er sich stets über die Aussicht, bogenlange, die kleinsten Specialitäten vor¬
sehende Verordnungen und Gesetze erlassen zu können. Weil er nun -alle
Handelsmonopole für einen so großen nationalen Gewinn hielt, Monopole
aber vor allen Dingen eine sich stets gleichbleibende Güte der Waare erfordern,
so mußte seine Vorliebe für Reglements ihn zu den kleinlichsten, meistens
höchstens schädlichen Bestimmungen über die Erhaltung "des uralten Ruhmes
dieser holländischen Waare", wie es gewöhnlich zur Einleitung der Handels¬
und Jndustrieverordnungen heißt, verleiten.

Sehen wir nun und zwar nach den Geständnissen eines niederländischen
Fachmanns, welche Folge dieses Eingreifen von obenher auf die holländische
Heringsfischerei gehabt hat!

Das betreffende, noch jetzt, soviel uns bekannt, ungeändert bestehende
Gesetz von 1818 hat den doppelten Zweck, den des Handhabens des alten
Ruhmes deS holländischen Herings und den zur Beförderung der Heringszucht.
Hinsichtlich des letztern argumentire das Gesetz ebenso, wie hinsichtlich der
Jagd und der Fischerei in den Binnengewässern, ohne zu bedenken, daß die
Ausübung dieser reglementirt werden kann, die der Heringsfischerei aber nicht, weil
die See eine res nullius ist, der Hering sich fortwährend in ihrem unerme߬
lichen Raume bewegt, und anderen Nationen also die Befolgung der Regle¬
ments über die Heringszucht, mochten sie auch an und für sich noch so vor¬
trefflich sein, nicht aufgezwungen werden konnte. Was half nun das Verbot
des Fangens des Härings vor einer bestimmten Zeit, zu der er freilich, erst
ausgewachsen war, wenn andere Nationen sich mit weniger entwickeltem Fische
begnügten? Was helfen die Vorschriften über die Größe der Maschen in
den Heringsnetzen, um den jungen Fisch nicht auszurotten, wenn die Belgier
groß und klein wegfischen? Gewiß wurden viele dieser und. ähnlicher Be¬
stimmungen nicht blos vielleicht nicht einmal zur Beförderung der Heringszucht
gegeben, sondern hatten zum Hintergrunde die Handhabung des "alten Ruhmes
des holländischen Herings; dennoch aber muß dem Gesetzgeber der Gedanke


zu einem Kommissionsgeschäft erniedrigt, dem Handel der kleinen Kapitalisten
unendlich geschadet, die Kolonien übermäßig angestrengt und ihre materielle
und geistige Entwicklung zurückgehalten und hauptsächlich die Noth der unteren
und mittleren Stände verschuldet hat, mehr freilich durch das zu lange Zeit
Fortsetzen als anfängliche Wirken desselben, — das bedarf einer eignen Aus¬
einandersetzung, und wir erwähnen es nur, um bei der Betrachtung der
Schicksale der Heringsfischerei nicht stets wieder daran erinnern zu müssen, daß
sie auf das engste mit der allgemeinen Handelspolitik König Wilhelm I. zu¬
sammenhingen.

Zweitens war er ein großer Freund von Reglements und mechanischer
Ordnung, wie das überhaupt der ganzen Nation eigen ist und deshalb freute
er sich stets über die Aussicht, bogenlange, die kleinsten Specialitäten vor¬
sehende Verordnungen und Gesetze erlassen zu können. Weil er nun -alle
Handelsmonopole für einen so großen nationalen Gewinn hielt, Monopole
aber vor allen Dingen eine sich stets gleichbleibende Güte der Waare erfordern,
so mußte seine Vorliebe für Reglements ihn zu den kleinlichsten, meistens
höchstens schädlichen Bestimmungen über die Erhaltung „des uralten Ruhmes
dieser holländischen Waare", wie es gewöhnlich zur Einleitung der Handels¬
und Jndustrieverordnungen heißt, verleiten.

Sehen wir nun und zwar nach den Geständnissen eines niederländischen
Fachmanns, welche Folge dieses Eingreifen von obenher auf die holländische
Heringsfischerei gehabt hat!

Das betreffende, noch jetzt, soviel uns bekannt, ungeändert bestehende
Gesetz von 1818 hat den doppelten Zweck, den des Handhabens des alten
Ruhmes deS holländischen Herings und den zur Beförderung der Heringszucht.
Hinsichtlich des letztern argumentire das Gesetz ebenso, wie hinsichtlich der
Jagd und der Fischerei in den Binnengewässern, ohne zu bedenken, daß die
Ausübung dieser reglementirt werden kann, die der Heringsfischerei aber nicht, weil
die See eine res nullius ist, der Hering sich fortwährend in ihrem unerme߬
lichen Raume bewegt, und anderen Nationen also die Befolgung der Regle¬
ments über die Heringszucht, mochten sie auch an und für sich noch so vor¬
trefflich sein, nicht aufgezwungen werden konnte. Was half nun das Verbot
des Fangens des Härings vor einer bestimmten Zeit, zu der er freilich, erst
ausgewachsen war, wenn andere Nationen sich mit weniger entwickeltem Fische
begnügten? Was helfen die Vorschriften über die Größe der Maschen in
den Heringsnetzen, um den jungen Fisch nicht auszurotten, wenn die Belgier
groß und klein wegfischen? Gewiß wurden viele dieser und. ähnlicher Be¬
stimmungen nicht blos vielleicht nicht einmal zur Beförderung der Heringszucht
gegeben, sondern hatten zum Hintergrunde die Handhabung des „alten Ruhmes
des holländischen Herings; dennoch aber muß dem Gesetzgeber der Gedanke


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[0383] zu einem Kommissionsgeschäft erniedrigt, dem Handel der kleinen Kapitalisten unendlich geschadet, die Kolonien übermäßig angestrengt und ihre materielle und geistige Entwicklung zurückgehalten und hauptsächlich die Noth der unteren und mittleren Stände verschuldet hat, mehr freilich durch das zu lange Zeit Fortsetzen als anfängliche Wirken desselben, — das bedarf einer eignen Aus¬ einandersetzung, und wir erwähnen es nur, um bei der Betrachtung der Schicksale der Heringsfischerei nicht stets wieder daran erinnern zu müssen, daß sie auf das engste mit der allgemeinen Handelspolitik König Wilhelm I. zu¬ sammenhingen. Zweitens war er ein großer Freund von Reglements und mechanischer Ordnung, wie das überhaupt der ganzen Nation eigen ist und deshalb freute er sich stets über die Aussicht, bogenlange, die kleinsten Specialitäten vor¬ sehende Verordnungen und Gesetze erlassen zu können. Weil er nun -alle Handelsmonopole für einen so großen nationalen Gewinn hielt, Monopole aber vor allen Dingen eine sich stets gleichbleibende Güte der Waare erfordern, so mußte seine Vorliebe für Reglements ihn zu den kleinlichsten, meistens höchstens schädlichen Bestimmungen über die Erhaltung „des uralten Ruhmes dieser holländischen Waare", wie es gewöhnlich zur Einleitung der Handels¬ und Jndustrieverordnungen heißt, verleiten. Sehen wir nun und zwar nach den Geständnissen eines niederländischen Fachmanns, welche Folge dieses Eingreifen von obenher auf die holländische Heringsfischerei gehabt hat! Das betreffende, noch jetzt, soviel uns bekannt, ungeändert bestehende Gesetz von 1818 hat den doppelten Zweck, den des Handhabens des alten Ruhmes deS holländischen Herings und den zur Beförderung der Heringszucht. Hinsichtlich des letztern argumentire das Gesetz ebenso, wie hinsichtlich der Jagd und der Fischerei in den Binnengewässern, ohne zu bedenken, daß die Ausübung dieser reglementirt werden kann, die der Heringsfischerei aber nicht, weil die See eine res nullius ist, der Hering sich fortwährend in ihrem unerme߬ lichen Raume bewegt, und anderen Nationen also die Befolgung der Regle¬ ments über die Heringszucht, mochten sie auch an und für sich noch so vor¬ trefflich sein, nicht aufgezwungen werden konnte. Was half nun das Verbot des Fangens des Härings vor einer bestimmten Zeit, zu der er freilich, erst ausgewachsen war, wenn andere Nationen sich mit weniger entwickeltem Fische begnügten? Was helfen die Vorschriften über die Größe der Maschen in den Heringsnetzen, um den jungen Fisch nicht auszurotten, wenn die Belgier groß und klein wegfischen? Gewiß wurden viele dieser und. ähnlicher Be¬ stimmungen nicht blos vielleicht nicht einmal zur Beförderung der Heringszucht gegeben, sondern hatten zum Hintergrunde die Handhabung des „alten Ruhmes des holländischen Herings; dennoch aber muß dem Gesetzgeber der Gedanke

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/383>, abgerufen am 27.05.2024.