Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Ein Actenstitck zur Crklmnng der pmchischm Politik.

Die officielle Leipziger Zeitung vom 17. März enthält ein Schriftstück,
welches in der gegenwärtigen Krisis nicht verfehlen kann, die allgemeine Auf¬
merksamkeit zu erregen und die Unruhe über die Politik des preußischen Cabinets
zu verdoppeln. Es trägt zwar keinen ausgesprochenen amtlichen Charakter,
aber sowol der Ton, in dem es sich über die Politik des Ministeriums Man-
teuffel ausläßt, als namentlich die zur Schau getragene Authenticität seiner
Mittheilungen über die Unterhandlungen des Herrn von Wedell mit Herrn
Drouin de Lhuys, bei denen sogar die üblichen Redensarten: wie wir hören,
nach sicherm Vernehmen :c. ausgelassen sind, läßt über seinen Ursprung keinen
Zweifel aufkommen und wenn man damit die neusten Anträge Preußens am
Bundestage in Verbindung bringt, so kann man sich der ernsthaftesten Be¬
fürchtung nicht erwehren, daß für Deutschland eine verhängnißvolle Kata¬
strophe bevorsteht.

Zunächst muß der Ton dieses Schriftstücks allgemeines Befremden erregen.
Wenn sich das Uebelwollen gegen Großbritannien und Oestreich noch in den üblichen
Schranken hält, so wird gegen das französische Cabinet eine Sprache geführt,
wie man sie sonst nur unmittelbar vor dem Ausbruch eines Krieges gewohnt
ist. Nicht damit zufrieden, die Politik des französischen Cabinets mit den
härtesten Ausdrücken zu bezeichnen, mischt das Schriftstück auch die Person des
französischen Kaisers in diese Auseinandersetzung, in einer Weise, die gewiß
bei einem gewöhnlichen Zeitungsblatt die Besorgniß der Confiscation erregt
hal'en würde. Die Spannung zwischen Frankreich und Preußen scheint also
so groß zu sein, daß wir von dieser Seite das Aergste zu befürchten haben.

Nun läßt sich nicht leugnen, daß die preußische Negierung vollen Grund
hat, aufgebracht zu sein. Die beiden Anforderungen, welche nach dieser Mit¬
theilung Frankreich an Preußen gestellt hat, erstens, ohne Genehmigung des
deutschen Bundes Truppen durch Deutschland, respective durch Preußen nach
dem Königreich Polen senden zu dürfen, zweitens, von Preußen die Garantie


Grenzboten. I. -I8nu, Ki
Ein Actenstitck zur Crklmnng der pmchischm Politik.

Die officielle Leipziger Zeitung vom 17. März enthält ein Schriftstück,
welches in der gegenwärtigen Krisis nicht verfehlen kann, die allgemeine Auf¬
merksamkeit zu erregen und die Unruhe über die Politik des preußischen Cabinets
zu verdoppeln. Es trägt zwar keinen ausgesprochenen amtlichen Charakter,
aber sowol der Ton, in dem es sich über die Politik des Ministeriums Man-
teuffel ausläßt, als namentlich die zur Schau getragene Authenticität seiner
Mittheilungen über die Unterhandlungen des Herrn von Wedell mit Herrn
Drouin de Lhuys, bei denen sogar die üblichen Redensarten: wie wir hören,
nach sicherm Vernehmen :c. ausgelassen sind, läßt über seinen Ursprung keinen
Zweifel aufkommen und wenn man damit die neusten Anträge Preußens am
Bundestage in Verbindung bringt, so kann man sich der ernsthaftesten Be¬
fürchtung nicht erwehren, daß für Deutschland eine verhängnißvolle Kata¬
strophe bevorsteht.

Zunächst muß der Ton dieses Schriftstücks allgemeines Befremden erregen.
Wenn sich das Uebelwollen gegen Großbritannien und Oestreich noch in den üblichen
Schranken hält, so wird gegen das französische Cabinet eine Sprache geführt,
wie man sie sonst nur unmittelbar vor dem Ausbruch eines Krieges gewohnt
ist. Nicht damit zufrieden, die Politik des französischen Cabinets mit den
härtesten Ausdrücken zu bezeichnen, mischt das Schriftstück auch die Person des
französischen Kaisers in diese Auseinandersetzung, in einer Weise, die gewiß
bei einem gewöhnlichen Zeitungsblatt die Besorgniß der Confiscation erregt
hal'en würde. Die Spannung zwischen Frankreich und Preußen scheint also
so groß zu sein, daß wir von dieser Seite das Aergste zu befürchten haben.

Nun läßt sich nicht leugnen, daß die preußische Negierung vollen Grund
hat, aufgebracht zu sein. Die beiden Anforderungen, welche nach dieser Mit¬
theilung Frankreich an Preußen gestellt hat, erstens, ohne Genehmigung des
deutschen Bundes Truppen durch Deutschland, respective durch Preußen nach
dem Königreich Polen senden zu dürfen, zweitens, von Preußen die Garantie


Grenzboten. I. -I8nu, Ki
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0489" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/99341"/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Ein Actenstitck zur Crklmnng der pmchischm Politik.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1688"> Die officielle Leipziger Zeitung vom 17. März enthält ein Schriftstück,<lb/>
welches in der gegenwärtigen Krisis nicht verfehlen kann, die allgemeine Auf¬<lb/>
merksamkeit zu erregen und die Unruhe über die Politik des preußischen Cabinets<lb/>
zu verdoppeln. Es trägt zwar keinen ausgesprochenen amtlichen Charakter,<lb/>
aber sowol der Ton, in dem es sich über die Politik des Ministeriums Man-<lb/>
teuffel ausläßt, als namentlich die zur Schau getragene Authenticität seiner<lb/>
Mittheilungen über die Unterhandlungen des Herrn von Wedell mit Herrn<lb/>
Drouin de Lhuys, bei denen sogar die üblichen Redensarten: wie wir hören,<lb/>
nach sicherm Vernehmen :c. ausgelassen sind, läßt über seinen Ursprung keinen<lb/>
Zweifel aufkommen und wenn man damit die neusten Anträge Preußens am<lb/>
Bundestage in Verbindung bringt, so kann man sich der ernsthaftesten Be¬<lb/>
fürchtung nicht erwehren, daß für Deutschland eine verhängnißvolle Kata¬<lb/>
strophe bevorsteht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1689"> Zunächst muß der Ton dieses Schriftstücks allgemeines Befremden erregen.<lb/>
Wenn sich das Uebelwollen gegen Großbritannien und Oestreich noch in den üblichen<lb/>
Schranken hält, so wird gegen das französische Cabinet eine Sprache geführt,<lb/>
wie man sie sonst nur unmittelbar vor dem Ausbruch eines Krieges gewohnt<lb/>
ist. Nicht damit zufrieden, die Politik des französischen Cabinets mit den<lb/>
härtesten Ausdrücken zu bezeichnen, mischt das Schriftstück auch die Person des<lb/>
französischen Kaisers in diese Auseinandersetzung, in einer Weise, die gewiß<lb/>
bei einem gewöhnlichen Zeitungsblatt die Besorgniß der Confiscation erregt<lb/>
hal'en würde. Die Spannung zwischen Frankreich und Preußen scheint also<lb/>
so groß zu sein, daß wir von dieser Seite das Aergste zu befürchten haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1690" next="#ID_1691"> Nun läßt sich nicht leugnen, daß die preußische Negierung vollen Grund<lb/>
hat, aufgebracht zu sein. Die beiden Anforderungen, welche nach dieser Mit¬<lb/>
theilung Frankreich an Preußen gestellt hat, erstens, ohne Genehmigung des<lb/>
deutschen Bundes Truppen durch Deutschland, respective durch Preußen nach<lb/>
dem Königreich Polen senden zu dürfen, zweitens, von Preußen die Garantie</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. I. -I8nu, Ki</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0489] Ein Actenstitck zur Crklmnng der pmchischm Politik. Die officielle Leipziger Zeitung vom 17. März enthält ein Schriftstück, welches in der gegenwärtigen Krisis nicht verfehlen kann, die allgemeine Auf¬ merksamkeit zu erregen und die Unruhe über die Politik des preußischen Cabinets zu verdoppeln. Es trägt zwar keinen ausgesprochenen amtlichen Charakter, aber sowol der Ton, in dem es sich über die Politik des Ministeriums Man- teuffel ausläßt, als namentlich die zur Schau getragene Authenticität seiner Mittheilungen über die Unterhandlungen des Herrn von Wedell mit Herrn Drouin de Lhuys, bei denen sogar die üblichen Redensarten: wie wir hören, nach sicherm Vernehmen :c. ausgelassen sind, läßt über seinen Ursprung keinen Zweifel aufkommen und wenn man damit die neusten Anträge Preußens am Bundestage in Verbindung bringt, so kann man sich der ernsthaftesten Be¬ fürchtung nicht erwehren, daß für Deutschland eine verhängnißvolle Kata¬ strophe bevorsteht. Zunächst muß der Ton dieses Schriftstücks allgemeines Befremden erregen. Wenn sich das Uebelwollen gegen Großbritannien und Oestreich noch in den üblichen Schranken hält, so wird gegen das französische Cabinet eine Sprache geführt, wie man sie sonst nur unmittelbar vor dem Ausbruch eines Krieges gewohnt ist. Nicht damit zufrieden, die Politik des französischen Cabinets mit den härtesten Ausdrücken zu bezeichnen, mischt das Schriftstück auch die Person des französischen Kaisers in diese Auseinandersetzung, in einer Weise, die gewiß bei einem gewöhnlichen Zeitungsblatt die Besorgniß der Confiscation erregt hal'en würde. Die Spannung zwischen Frankreich und Preußen scheint also so groß zu sein, daß wir von dieser Seite das Aergste zu befürchten haben. Nun läßt sich nicht leugnen, daß die preußische Negierung vollen Grund hat, aufgebracht zu sein. Die beiden Anforderungen, welche nach dieser Mit¬ theilung Frankreich an Preußen gestellt hat, erstens, ohne Genehmigung des deutschen Bundes Truppen durch Deutschland, respective durch Preußen nach dem Königreich Polen senden zu dürfen, zweitens, von Preußen die Garantie Grenzboten. I. -I8nu, Ki

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/489
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/489>, abgerufen am 06.05.2024.