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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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Mit dem Anfange des neuen Jahres beginnen die Grenzboten
den ^1H'. Jahrgang. Die unterzeichnete Verlagshandlung erlaubt
sich zur Pränumeration aus dieselben einzuladen, und bemerkt, daß alle
Buchhandlungen und Postämter Bestellungen annehmen.
Leipzig, im December ' Fr. Ludw. .Herbig.

Max Waldau.

Rahab. Ein Frauenbild aus der Bibel. Dichtung von Max Waldau.
Hamburg, Hoffmann u. Campe, 1833. --

Indem uns das neueste Werk des Dichters, Rahab, überschickt wurde,
machte man uns zugleich darauf aufmerksam, daß wir bisher den Fehler be¬
gangen hätten, von einem so vielbesprochenen Schriftsteller keine Notiz zu
nehmen. Wir wollen diesen Fehler so schnell als möglich gut machen.

Zunächst verweisen wir den Leser, der sich über sein Leben unterrichten
will, auf das Conversationslericon. Er findet darin vollständige Auskunft
selbst über die jugendlichen Schularbeiten. Der Dichter, der mit seinem wirk¬
lichen Namen bekanntlich Richard v. Hau ersah lib heißt, ist 182A in Breslau
geboren und lebt seit 18i8 auf einem Familiengute in Oberschlesten. Er hat
außer seinen Hauptwerken, auf die wir hier näher eingehen, noch verschiedene
lyrische Gedichte geschrieben, ein Elfenmärchen, Blätter im Winde, Canzonen:c.,
über die wir nichts sagen können, weil sie uns nicht zugänglich waren. Aus
seinen größern Schriften haben wir das Resultat gezogen, daß er sowol Bildung
als Talent in nicht gewöhnlichem Grade besitzt, daß aber beides eine falsche
Richtung genommen hat, die theils den Einflüssen der Zeit, theils seinereignen
Individualität angehört. In seiner Bildung ist er unfertig geblieben, weil es
ihm mehr auf Masse der Gedanken und Beobachtungen, als auf Klarheit und
Ordnung derselben angekommen ist, und sein Talent wird dadurch verkümmert,
daß er alle Kunstform verschmäht, daß er bei seinen Gestalten auf excentrische
Erscheinungen ausgeht, bevor er sich die normalen Verhältnisse des menschlichen
Lebens klar gemacht, und daß er dieselben ganz im Sinn der romantischen
Schule durch Analyse zersetzt, bevor er sie wirklich ins Leben gerufen. Einen
Fortschritt zum Bessern vermögen wir in der Reihe seiner Werke nicht zu er¬
kennen; doch zeichnet sich das neueste Gedicht durch Stetigkeit und künst¬
lerische Abrundung bei weitem aus, und so scheint es, daß es für seine Fort¬
bildung zweckmäßig wäre, wenn er sich zunächst mit denjenigen Gattungen der
Poesie beschäftigte, die durch ihre Natur eine strengere Concentration erheischen.
Wenn er sich daran gewöhnt haben wird, die kritischen und literarhistorischen


Grenzboten. I. 18LS. 11

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Indem uns das neueste Werk des Dichters, Rahab, überschickt wurde,
machte man uns zugleich darauf aufmerksam, daß wir bisher den Fehler be¬
gangen hätten, von einem so vielbesprochenen Schriftsteller keine Notiz zu
nehmen. Wir wollen diesen Fehler so schnell als möglich gut machen.

Zunächst verweisen wir den Leser, der sich über sein Leben unterrichten
will, auf das Conversationslericon. Er findet darin vollständige Auskunft
selbst über die jugendlichen Schularbeiten. Der Dichter, der mit seinem wirk¬
lichen Namen bekanntlich Richard v. Hau ersah lib heißt, ist 182A in Breslau
geboren und lebt seit 18i8 auf einem Familiengute in Oberschlesten. Er hat
außer seinen Hauptwerken, auf die wir hier näher eingehen, noch verschiedene
lyrische Gedichte geschrieben, ein Elfenmärchen, Blätter im Winde, Canzonen:c.,
über die wir nichts sagen können, weil sie uns nicht zugänglich waren. Aus
seinen größern Schriften haben wir das Resultat gezogen, daß er sowol Bildung
als Talent in nicht gewöhnlichem Grade besitzt, daß aber beides eine falsche
Richtung genommen hat, die theils den Einflüssen der Zeit, theils seinereignen
Individualität angehört. In seiner Bildung ist er unfertig geblieben, weil es
ihm mehr auf Masse der Gedanken und Beobachtungen, als auf Klarheit und
Ordnung derselben angekommen ist, und sein Talent wird dadurch verkümmert,
daß er alle Kunstform verschmäht, daß er bei seinen Gestalten auf excentrische
Erscheinungen ausgeht, bevor er sich die normalen Verhältnisse des menschlichen
Lebens klar gemacht, und daß er dieselben ganz im Sinn der romantischen
Schule durch Analyse zersetzt, bevor er sie wirklich ins Leben gerufen. Einen
Fortschritt zum Bessern vermögen wir in der Reihe seiner Werke nicht zu er¬
kennen; doch zeichnet sich das neueste Gedicht durch Stetigkeit und künst¬
lerische Abrundung bei weitem aus, und so scheint es, daß es für seine Fort¬
bildung zweckmäßig wäre, wenn er sich zunächst mit denjenigen Gattungen der
Poesie beschäftigte, die durch ihre Natur eine strengere Concentration erheischen.
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Grenzboten. I. 18LS. 11
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/89>, abgerufen am 06.05.2024.