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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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Polen als seine Hauptaufgabe übernehmen würde, haben die neuesten aus
Paris hier eingegangenen Nachrichten, die den Entschluß des Kaisers Napo¬
leon III. mittheilen, eine Armee von 200,000 Mann Franzosen in Bulgarien
zusammenzuziehen, einige Aussichten erweckt. Ich enthalte mich einer Er¬
örterung der auf dem südrussischen Kriegstheater zu gewärtigenden Operationen
aber um so eher, als ich dieselben mehre Male in meinen an Ihre geschätzten
Blätter gerichteten Briefen zum Gegenstand der Besprechung gemacht habe.




Korrespondenzen.
Aus Konstantinopel.

-- Ich habe Ihnen drei Punkte namhaft
zu machen, um welche sich hier augenblicklich die Gespräche drehen: die Ankunft des
Kaisers Napoleon III., der man nach wie vor mit Bestimmtheit und zwar zur
zweiten Hälfte des Mai entgegensieht, -- die Ausstellung einer enormen französischen
Armee im Belaufe von beinahe 200,000 Mann zwischen der Donau und dem
Balkan, also in Bulgarien und die Bedrohung Eupatorias durch einen erneuerten
russischen Angriff. Ueber letzteres Ereigniß weiß man hier bestimmt nur soviel, daß
Omer Pascha am 22., nachdem seine Truppen den ganzen Tag über in der Um¬
gegend von Balaklava mauövrirt hatte", eine Depesche erhielt, nach deren Kennt-
nißnahme er sich für die sofortige Einschiffung seiner zwei Divisionen entschied und
dieselbe noch in der darauf folgenden Nacht bewirken ließ. Man führt an, daß die
gesammten osmanischen Truppen, welche bei Balaklava standen, am 23. Morgens
auf fünf, großen Dampfsrcgattcn nach Eupatoria abgegangen seien. (Diese An¬
gabe scheint mir falsch, indem fünf Fahrzeuge nicht zwei Divisionen aufnehmen
können.)

In Hinsicht auf die Concentrirung der besagten 200,000 Mann Franzosen in
der europäischen Türkei bemerkt das Journal de Konstantinople, daß man in Varna
Ordre erhalten habe, sich aus die Verpflegung von 23,000 Stück Cavalcrie- und
Artillcriepferden einzurichten. Man weiß nicht, ob die hier bei Maslack sich sam¬
melnde Armee eiuen integrirenden Theil jenes großen Heeres ausmachen, oder ob
sie eine gesonderte Bestimmung erhalten wird.

Was man hier von sonstigen Kriegsvorbereitungen wahrnimmt, deutet darauf
hin, daß man fortwährend mit der Organisation der ArmeetraiuS beschäftigt ist.
Lauge Züge von Packpferden bewegen sich täglich durch die Straßen und wie es
scheint wird nur ein Theil derselben für die Krim eingeschifft, während ein andrer
Theil auf dem Landwege nach Bulgarien zieht.

Die Witterung war in den letzten Tagen anhaltend rauh lind stürmisch. Heute
endlich ist das Wetter umgeschlagen und wir haben bei wolkenfreiem Himmel einen
kleinen Vorgeschmack der kommenden Sommerwärme erhalten. Noch ist der Boden
tief hin aufgeweicht, aber zwei Tage siud hier hinreichend, um alles abtrocknen zu
lassen und sogar die kleinen Bäche versiegen zu machen, die eine Woche hindurch


Polen als seine Hauptaufgabe übernehmen würde, haben die neuesten aus
Paris hier eingegangenen Nachrichten, die den Entschluß des Kaisers Napo¬
leon III. mittheilen, eine Armee von 200,000 Mann Franzosen in Bulgarien
zusammenzuziehen, einige Aussichten erweckt. Ich enthalte mich einer Er¬
örterung der auf dem südrussischen Kriegstheater zu gewärtigenden Operationen
aber um so eher, als ich dieselben mehre Male in meinen an Ihre geschätzten
Blätter gerichteten Briefen zum Gegenstand der Besprechung gemacht habe.




Korrespondenzen.
Aus Konstantinopel.

— Ich habe Ihnen drei Punkte namhaft
zu machen, um welche sich hier augenblicklich die Gespräche drehen: die Ankunft des
Kaisers Napoleon III., der man nach wie vor mit Bestimmtheit und zwar zur
zweiten Hälfte des Mai entgegensieht, — die Ausstellung einer enormen französischen
Armee im Belaufe von beinahe 200,000 Mann zwischen der Donau und dem
Balkan, also in Bulgarien und die Bedrohung Eupatorias durch einen erneuerten
russischen Angriff. Ueber letzteres Ereigniß weiß man hier bestimmt nur soviel, daß
Omer Pascha am 22., nachdem seine Truppen den ganzen Tag über in der Um¬
gegend von Balaklava mauövrirt hatte», eine Depesche erhielt, nach deren Kennt-
nißnahme er sich für die sofortige Einschiffung seiner zwei Divisionen entschied und
dieselbe noch in der darauf folgenden Nacht bewirken ließ. Man führt an, daß die
gesammten osmanischen Truppen, welche bei Balaklava standen, am 23. Morgens
auf fünf, großen Dampfsrcgattcn nach Eupatoria abgegangen seien. (Diese An¬
gabe scheint mir falsch, indem fünf Fahrzeuge nicht zwei Divisionen aufnehmen
können.)

In Hinsicht auf die Concentrirung der besagten 200,000 Mann Franzosen in
der europäischen Türkei bemerkt das Journal de Konstantinople, daß man in Varna
Ordre erhalten habe, sich aus die Verpflegung von 23,000 Stück Cavalcrie- und
Artillcriepferden einzurichten. Man weiß nicht, ob die hier bei Maslack sich sam¬
melnde Armee eiuen integrirenden Theil jenes großen Heeres ausmachen, oder ob
sie eine gesonderte Bestimmung erhalten wird.

Was man hier von sonstigen Kriegsvorbereitungen wahrnimmt, deutet darauf
hin, daß man fortwährend mit der Organisation der ArmeetraiuS beschäftigt ist.
Lauge Züge von Packpferden bewegen sich täglich durch die Straßen und wie es
scheint wird nur ein Theil derselben für die Krim eingeschifft, während ein andrer
Theil auf dem Landwege nach Bulgarien zieht.

Die Witterung war in den letzten Tagen anhaltend rauh lind stürmisch. Heute
endlich ist das Wetter umgeschlagen und wir haben bei wolkenfreiem Himmel einen
kleinen Vorgeschmack der kommenden Sommerwärme erhalten. Noch ist der Boden
tief hin aufgeweicht, aber zwei Tage siud hier hinreichend, um alles abtrocknen zu
lassen und sogar die kleinen Bäche versiegen zu machen, die eine Woche hindurch


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[0320] Polen als seine Hauptaufgabe übernehmen würde, haben die neuesten aus Paris hier eingegangenen Nachrichten, die den Entschluß des Kaisers Napo¬ leon III. mittheilen, eine Armee von 200,000 Mann Franzosen in Bulgarien zusammenzuziehen, einige Aussichten erweckt. Ich enthalte mich einer Er¬ örterung der auf dem südrussischen Kriegstheater zu gewärtigenden Operationen aber um so eher, als ich dieselben mehre Male in meinen an Ihre geschätzten Blätter gerichteten Briefen zum Gegenstand der Besprechung gemacht habe. Korrespondenzen. Aus Konstantinopel. — Ich habe Ihnen drei Punkte namhaft zu machen, um welche sich hier augenblicklich die Gespräche drehen: die Ankunft des Kaisers Napoleon III., der man nach wie vor mit Bestimmtheit und zwar zur zweiten Hälfte des Mai entgegensieht, — die Ausstellung einer enormen französischen Armee im Belaufe von beinahe 200,000 Mann zwischen der Donau und dem Balkan, also in Bulgarien und die Bedrohung Eupatorias durch einen erneuerten russischen Angriff. Ueber letzteres Ereigniß weiß man hier bestimmt nur soviel, daß Omer Pascha am 22., nachdem seine Truppen den ganzen Tag über in der Um¬ gegend von Balaklava mauövrirt hatte», eine Depesche erhielt, nach deren Kennt- nißnahme er sich für die sofortige Einschiffung seiner zwei Divisionen entschied und dieselbe noch in der darauf folgenden Nacht bewirken ließ. Man führt an, daß die gesammten osmanischen Truppen, welche bei Balaklava standen, am 23. Morgens auf fünf, großen Dampfsrcgattcn nach Eupatoria abgegangen seien. (Diese An¬ gabe scheint mir falsch, indem fünf Fahrzeuge nicht zwei Divisionen aufnehmen können.) In Hinsicht auf die Concentrirung der besagten 200,000 Mann Franzosen in der europäischen Türkei bemerkt das Journal de Konstantinople, daß man in Varna Ordre erhalten habe, sich aus die Verpflegung von 23,000 Stück Cavalcrie- und Artillcriepferden einzurichten. Man weiß nicht, ob die hier bei Maslack sich sam¬ melnde Armee eiuen integrirenden Theil jenes großen Heeres ausmachen, oder ob sie eine gesonderte Bestimmung erhalten wird. Was man hier von sonstigen Kriegsvorbereitungen wahrnimmt, deutet darauf hin, daß man fortwährend mit der Organisation der ArmeetraiuS beschäftigt ist. Lauge Züge von Packpferden bewegen sich täglich durch die Straßen und wie es scheint wird nur ein Theil derselben für die Krim eingeschifft, während ein andrer Theil auf dem Landwege nach Bulgarien zieht. Die Witterung war in den letzten Tagen anhaltend rauh lind stürmisch. Heute endlich ist das Wetter umgeschlagen und wir haben bei wolkenfreiem Himmel einen kleinen Vorgeschmack der kommenden Sommerwärme erhalten. Noch ist der Boden tief hin aufgeweicht, aber zwei Tage siud hier hinreichend, um alles abtrocknen zu lassen und sogar die kleinen Bäche versiegen zu machen, die eine Woche hindurch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/320>, abgerufen am 05.05.2024.