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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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Die preußischen Correspondenzblätter geben dem Moniteur in der officiell-
sten Form ein Dementi; die preußische Regierung habe nicht nöthig gehabt,
ihren Gesandten zu desavouiren, weil dieser nichts der Art gesagt habe.

Die officielle Wiener Zeitung theilt zwei Noten der östreichischen Regie¬
rung mit, in denen direct erklärt wird, Herr von Bismark-Schönhausen habe
jenes allerdings gesagt, zwar nicht in einer Sitzung des Bundestags, aber
in einer geschäftlichen und amtlichen Verhandlung mit dem Bundespräsidial-
gesandten.

Nun denke man- sich in die Lage eines französischen und englischen Staats¬
mannes! Wie wird er sich wol über diese Symptome deutscher Politik aus¬
sprechen?




Oestreich und Preußen.

Preußen als Großmacht und die IVu"<I"in >",!>'i it i n" Politik beleuchtet
von Franz Schuselka. -- Anhang: Der Tod des Kaisers Nikolaus.
Leipzig, C. Geibel. --

Die Broschüren zur Vertheidigung der preußischen Politik mit dem ange¬
gebenen Motto sind leider bekannt genug. In dem Kampf gegen die Sophis¬
men derselben ist Herr Schuselka überall siegreich. Wir wollen indeß auf diese
Seite des Gegenstandes nicht eingehe", da wir unsrerseits schon mehrfach ver¬
sucht haben, dieser llcineluin msricllos Politik ihr Recht widerfahren zu lassen
und uns deshalb auf unsre frühern Hefte beziehen können. Die Zahl der
wirklichen Anhänger dieser Politik ist überhaupt nicht groß. Auch die russen¬
freundliche Partei in Preußen schließt sich ihr nur insofern an, als sie wohl
weiß, daß die weiteren nothwendigen Konsequenzen derselben zu ganz andern
Resultaten fuhren müssen, als ihre Vertreter ahnen. Indem sie absolute Neu¬
tralität predigen, wissen sie wohl, daß damit nur der erste Schritt zu einem
Bündniß mit Rußland geschieht, und daß sie sich in dieser Hoffnung nicht täu¬
schen, deutet unter andern eine preußische Correspondenz in einer der letzten
Nummern des Dresdner Journals an. Es wird hier zum ersten Mal von
officiöser Seite den Westmächten angedeutet, daß ein weiteres Drängen Preußen,
leicht in die russische Allianz treiben könne, die an und sür sich gar nicht in
den Absichten des preußischen Cabinets liege.

Wir wollen die Frage heute von einem allgemeinern Standpunkt auffassen.
Es ist in lebhaft bewegten Zeiten natürlich, daß man in der Politik nur die
augenblickliche Situation ins Auge faßt und seine Maßregeln durch die Um¬
stände des Tages bestimmen läßt; nur ist es zweckmäßig, daß man von Zeit


Die preußischen Correspondenzblätter geben dem Moniteur in der officiell-
sten Form ein Dementi; die preußische Regierung habe nicht nöthig gehabt,
ihren Gesandten zu desavouiren, weil dieser nichts der Art gesagt habe.

Die officielle Wiener Zeitung theilt zwei Noten der östreichischen Regie¬
rung mit, in denen direct erklärt wird, Herr von Bismark-Schönhausen habe
jenes allerdings gesagt, zwar nicht in einer Sitzung des Bundestags, aber
in einer geschäftlichen und amtlichen Verhandlung mit dem Bundespräsidial-
gesandten.

Nun denke man- sich in die Lage eines französischen und englischen Staats¬
mannes! Wie wird er sich wol über diese Symptome deutscher Politik aus¬
sprechen?




Oestreich und Preußen.

Preußen als Großmacht und die IVu»<I»in >»,!>'i it i n» Politik beleuchtet
von Franz Schuselka. — Anhang: Der Tod des Kaisers Nikolaus.
Leipzig, C. Geibel. —

Die Broschüren zur Vertheidigung der preußischen Politik mit dem ange¬
gebenen Motto sind leider bekannt genug. In dem Kampf gegen die Sophis¬
men derselben ist Herr Schuselka überall siegreich. Wir wollen indeß auf diese
Seite des Gegenstandes nicht eingehe», da wir unsrerseits schon mehrfach ver¬
sucht haben, dieser llcineluin msricllos Politik ihr Recht widerfahren zu lassen
und uns deshalb auf unsre frühern Hefte beziehen können. Die Zahl der
wirklichen Anhänger dieser Politik ist überhaupt nicht groß. Auch die russen¬
freundliche Partei in Preußen schließt sich ihr nur insofern an, als sie wohl
weiß, daß die weiteren nothwendigen Konsequenzen derselben zu ganz andern
Resultaten fuhren müssen, als ihre Vertreter ahnen. Indem sie absolute Neu¬
tralität predigen, wissen sie wohl, daß damit nur der erste Schritt zu einem
Bündniß mit Rußland geschieht, und daß sie sich in dieser Hoffnung nicht täu¬
schen, deutet unter andern eine preußische Correspondenz in einer der letzten
Nummern des Dresdner Journals an. Es wird hier zum ersten Mal von
officiöser Seite den Westmächten angedeutet, daß ein weiteres Drängen Preußen,
leicht in die russische Allianz treiben könne, die an und sür sich gar nicht in
den Absichten des preußischen Cabinets liege.

Wir wollen die Frage heute von einem allgemeinern Standpunkt auffassen.
Es ist in lebhaft bewegten Zeiten natürlich, daß man in der Politik nur die
augenblickliche Situation ins Auge faßt und seine Maßregeln durch die Um¬
stände des Tages bestimmen läßt; nur ist es zweckmäßig, daß man von Zeit


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[0042] Die preußischen Correspondenzblätter geben dem Moniteur in der officiell- sten Form ein Dementi; die preußische Regierung habe nicht nöthig gehabt, ihren Gesandten zu desavouiren, weil dieser nichts der Art gesagt habe. Die officielle Wiener Zeitung theilt zwei Noten der östreichischen Regie¬ rung mit, in denen direct erklärt wird, Herr von Bismark-Schönhausen habe jenes allerdings gesagt, zwar nicht in einer Sitzung des Bundestags, aber in einer geschäftlichen und amtlichen Verhandlung mit dem Bundespräsidial- gesandten. Nun denke man- sich in die Lage eines französischen und englischen Staats¬ mannes! Wie wird er sich wol über diese Symptome deutscher Politik aus¬ sprechen? Oestreich und Preußen. Preußen als Großmacht und die IVu»<I»in >»,!>'i it i n» Politik beleuchtet von Franz Schuselka. — Anhang: Der Tod des Kaisers Nikolaus. Leipzig, C. Geibel. — Die Broschüren zur Vertheidigung der preußischen Politik mit dem ange¬ gebenen Motto sind leider bekannt genug. In dem Kampf gegen die Sophis¬ men derselben ist Herr Schuselka überall siegreich. Wir wollen indeß auf diese Seite des Gegenstandes nicht eingehe», da wir unsrerseits schon mehrfach ver¬ sucht haben, dieser llcineluin msricllos Politik ihr Recht widerfahren zu lassen und uns deshalb auf unsre frühern Hefte beziehen können. Die Zahl der wirklichen Anhänger dieser Politik ist überhaupt nicht groß. Auch die russen¬ freundliche Partei in Preußen schließt sich ihr nur insofern an, als sie wohl weiß, daß die weiteren nothwendigen Konsequenzen derselben zu ganz andern Resultaten fuhren müssen, als ihre Vertreter ahnen. Indem sie absolute Neu¬ tralität predigen, wissen sie wohl, daß damit nur der erste Schritt zu einem Bündniß mit Rußland geschieht, und daß sie sich in dieser Hoffnung nicht täu¬ schen, deutet unter andern eine preußische Correspondenz in einer der letzten Nummern des Dresdner Journals an. Es wird hier zum ersten Mal von officiöser Seite den Westmächten angedeutet, daß ein weiteres Drängen Preußen, leicht in die russische Allianz treiben könne, die an und sür sich gar nicht in den Absichten des preußischen Cabinets liege. Wir wollen die Frage heute von einem allgemeinern Standpunkt auffassen. Es ist in lebhaft bewegten Zeiten natürlich, daß man in der Politik nur die augenblickliche Situation ins Auge faßt und seine Maßregeln durch die Um¬ stände des Tages bestimmen läßt; nur ist es zweckmäßig, daß man von Zeit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/42>, abgerufen am 06.05.2024.