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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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Stender Pnschn.

Diejenigen Ihrer Leser, welche den jüngsten Thaten des kühnen türkischen
Reiterchefs Stender- (richtiger Jskender-) Beg einige Aufmerksamkeit schenkten,
werden kaum ein geringeres Vergnügen als ich empfunden haben , als sie die
Nachricht von seiner, längst auf hundert Gefechtsfeldern verdienten Ernennung
zum Pascha lasen. Omer Pascha, dessen große Verdienste nicht in Abrede
gestellt werden können, hat die Schwäche, fremdes Verdienst nur ungern an¬
erkannt zu sehen, zumal wenn ein Mann auf dasselbe Ansprüche erhebt, in
welchem ihm ein Nebenbuhler erwachsen könnte. Rücksichtlich Stender Begs
fürchtete er von jeher, daß derselbe bei eintretenden größeren Kriegssituationen
sein immenses Talent als Organisator und Fechtmeister der leichten Reiterei
in weiterem Umfange zur Geltung bringen und sich damit eine Stufe des An¬
sehens und Einflusses erobern möchte, von der aus er ihm gefährlich werden
könne. Daher die absichtliche Verzögerung im Avancement des Mannes, von
dem behauptet werden kann, daß die türkische Cavalerie ihm nicht weniger als
alles verdankt. Nachdem er der Türkei schon vielfache Dienste geleistet, sehen
wir ihn im böhmischen Kriege gleichfalls noch immer als Oberstlieutenant fun-
giren; erst im Feldzuge gegen Montenegro erwirbt er sich den Rang eines
Obersten und in dieser Charge verbleibt er, bis endlich seine letzten Helden¬
thaten vor Eupatoria die allgemeine Aufmerksamkeit zu sichtlich auf ihn hin¬
gelenkt haben, als daß der Serdar Ekrem es für rathsam erachtete, ihm die
verdiente Beförderung zum Pascha, wozu die Trophäen von Statira ihm nicht
verholfen, noch länger vorzuenthalten.

Wer Stender Pascha ist -- Renegat oder geborner Muselmann? -- und
ob der Name Gras Jelinski ein angenommener oder sein Stammname ist,
darüber Auskunft zu geben, bin ich nicht im Stande. Denken Sie sich einen
Mann von nicht ganz mittlerer Größe, der ziemlich untersetzt, aber dennoch
fein gebaut ist, von einnehmenden, wiewol durch Strapazen und Anstrengungen
schon lief gefurchten Zügen; sein Profil ist edel und wird durch lebhafte Augen
und eine gebogene Nase charakterisiert; ursprünglich war sein Haar schwarz;
aber neuerdings mischen sich graue Schattirungen hinein. Was man einen
guten Reiter der Bahn nennt, ist Stender Pascha nicht, aber er ist ein ge¬
borener Führer. Er liebt den türkischen Sattel und die langgeschnallten Bügel.
Beim letzten, berühmt gewordenen Gefecht vom 3. März vor Eupatoria wurde
er, seiner eignen Aussage nach, nur durch den Kampfesmuth und das Geschick
seines ausgezeichneten arabischen Hengstes gerettet. Es war eins seiner beiden
Lieblingspserde, der Jskender (das andre heißt Chapkin, im Türkischen soviel
wie Schelm), welches er ritt. Von allen Seiten her eng vom Feinde umringt,


Grenzboten. II. -I8so. Ü9
Stender Pnschn.

Diejenigen Ihrer Leser, welche den jüngsten Thaten des kühnen türkischen
Reiterchefs Stender- (richtiger Jskender-) Beg einige Aufmerksamkeit schenkten,
werden kaum ein geringeres Vergnügen als ich empfunden haben , als sie die
Nachricht von seiner, längst auf hundert Gefechtsfeldern verdienten Ernennung
zum Pascha lasen. Omer Pascha, dessen große Verdienste nicht in Abrede
gestellt werden können, hat die Schwäche, fremdes Verdienst nur ungern an¬
erkannt zu sehen, zumal wenn ein Mann auf dasselbe Ansprüche erhebt, in
welchem ihm ein Nebenbuhler erwachsen könnte. Rücksichtlich Stender Begs
fürchtete er von jeher, daß derselbe bei eintretenden größeren Kriegssituationen
sein immenses Talent als Organisator und Fechtmeister der leichten Reiterei
in weiterem Umfange zur Geltung bringen und sich damit eine Stufe des An¬
sehens und Einflusses erobern möchte, von der aus er ihm gefährlich werden
könne. Daher die absichtliche Verzögerung im Avancement des Mannes, von
dem behauptet werden kann, daß die türkische Cavalerie ihm nicht weniger als
alles verdankt. Nachdem er der Türkei schon vielfache Dienste geleistet, sehen
wir ihn im böhmischen Kriege gleichfalls noch immer als Oberstlieutenant fun-
giren; erst im Feldzuge gegen Montenegro erwirbt er sich den Rang eines
Obersten und in dieser Charge verbleibt er, bis endlich seine letzten Helden¬
thaten vor Eupatoria die allgemeine Aufmerksamkeit zu sichtlich auf ihn hin¬
gelenkt haben, als daß der Serdar Ekrem es für rathsam erachtete, ihm die
verdiente Beförderung zum Pascha, wozu die Trophäen von Statira ihm nicht
verholfen, noch länger vorzuenthalten.

Wer Stender Pascha ist — Renegat oder geborner Muselmann? — und
ob der Name Gras Jelinski ein angenommener oder sein Stammname ist,
darüber Auskunft zu geben, bin ich nicht im Stande. Denken Sie sich einen
Mann von nicht ganz mittlerer Größe, der ziemlich untersetzt, aber dennoch
fein gebaut ist, von einnehmenden, wiewol durch Strapazen und Anstrengungen
schon lief gefurchten Zügen; sein Profil ist edel und wird durch lebhafte Augen
und eine gebogene Nase charakterisiert; ursprünglich war sein Haar schwarz;
aber neuerdings mischen sich graue Schattirungen hinein. Was man einen
guten Reiter der Bahn nennt, ist Stender Pascha nicht, aber er ist ein ge¬
borener Führer. Er liebt den türkischen Sattel und die langgeschnallten Bügel.
Beim letzten, berühmt gewordenen Gefecht vom 3. März vor Eupatoria wurde
er, seiner eignen Aussage nach, nur durch den Kampfesmuth und das Geschick
seines ausgezeichneten arabischen Hengstes gerettet. Es war eins seiner beiden
Lieblingspserde, der Jskender (das andre heißt Chapkin, im Türkischen soviel
wie Schelm), welches er ritt. Von allen Seiten her eng vom Feinde umringt,


Grenzboten. II. -I8so. Ü9
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[0473] Stender Pnschn. Diejenigen Ihrer Leser, welche den jüngsten Thaten des kühnen türkischen Reiterchefs Stender- (richtiger Jskender-) Beg einige Aufmerksamkeit schenkten, werden kaum ein geringeres Vergnügen als ich empfunden haben , als sie die Nachricht von seiner, längst auf hundert Gefechtsfeldern verdienten Ernennung zum Pascha lasen. Omer Pascha, dessen große Verdienste nicht in Abrede gestellt werden können, hat die Schwäche, fremdes Verdienst nur ungern an¬ erkannt zu sehen, zumal wenn ein Mann auf dasselbe Ansprüche erhebt, in welchem ihm ein Nebenbuhler erwachsen könnte. Rücksichtlich Stender Begs fürchtete er von jeher, daß derselbe bei eintretenden größeren Kriegssituationen sein immenses Talent als Organisator und Fechtmeister der leichten Reiterei in weiterem Umfange zur Geltung bringen und sich damit eine Stufe des An¬ sehens und Einflusses erobern möchte, von der aus er ihm gefährlich werden könne. Daher die absichtliche Verzögerung im Avancement des Mannes, von dem behauptet werden kann, daß die türkische Cavalerie ihm nicht weniger als alles verdankt. Nachdem er der Türkei schon vielfache Dienste geleistet, sehen wir ihn im böhmischen Kriege gleichfalls noch immer als Oberstlieutenant fun- giren; erst im Feldzuge gegen Montenegro erwirbt er sich den Rang eines Obersten und in dieser Charge verbleibt er, bis endlich seine letzten Helden¬ thaten vor Eupatoria die allgemeine Aufmerksamkeit zu sichtlich auf ihn hin¬ gelenkt haben, als daß der Serdar Ekrem es für rathsam erachtete, ihm die verdiente Beförderung zum Pascha, wozu die Trophäen von Statira ihm nicht verholfen, noch länger vorzuenthalten. Wer Stender Pascha ist — Renegat oder geborner Muselmann? — und ob der Name Gras Jelinski ein angenommener oder sein Stammname ist, darüber Auskunft zu geben, bin ich nicht im Stande. Denken Sie sich einen Mann von nicht ganz mittlerer Größe, der ziemlich untersetzt, aber dennoch fein gebaut ist, von einnehmenden, wiewol durch Strapazen und Anstrengungen schon lief gefurchten Zügen; sein Profil ist edel und wird durch lebhafte Augen und eine gebogene Nase charakterisiert; ursprünglich war sein Haar schwarz; aber neuerdings mischen sich graue Schattirungen hinein. Was man einen guten Reiter der Bahn nennt, ist Stender Pascha nicht, aber er ist ein ge¬ borener Führer. Er liebt den türkischen Sattel und die langgeschnallten Bügel. Beim letzten, berühmt gewordenen Gefecht vom 3. März vor Eupatoria wurde er, seiner eignen Aussage nach, nur durch den Kampfesmuth und das Geschick seines ausgezeichneten arabischen Hengstes gerettet. Es war eins seiner beiden Lieblingspserde, der Jskender (das andre heißt Chapkin, im Türkischen soviel wie Schelm), welches er ritt. Von allen Seiten her eng vom Feinde umringt, Grenzboten. II. -I8so. Ü9

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/473>, abgerufen am 06.05.2024.