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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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mit fortreißt und seine Wirkung nicht leicht verfehlt, was dann auch aufs
Orchester zurückwirkt, so daß sie so gern gespielt als gehört wird. Die frische
und hübsche Ouvertüre vvnGade "Im Hochland" wurde in ihrer Wirkung
etwas beeinträchtigt durch den Regen, der auch schon den Tag vorher sich
während der Perl gemeldet hatte. Obgleich er nicht stark war, so machte er
doch auf dem beiliegenden Dach ein solches Geräusch, daß man nicht ungestört
hörte, umsoweniger als man fürchten mußte, daß, wenn er stärker würde,
eine völlige Unterbrechung eintreten müßte. Die dritte im Bunde war die
große Leonorenouverture: es war fast zu viel'nach allem, was man schon
gehört hatte; aber die Kraft und Tiefe dieses großartigen Seelengemäldes
ergreift so mächtig, daß sie jede Anwandlung von Schwäche überwindet. Wenn
man berichten kann, daß die gefährliche Stelle zum Eingang des Presto sicher
und tadellos gelang, so ist daS kein geringes Lob für das Orchester, das mit
dieser letzten Leistung, wahrlich keiner leichten, einen würdigen Schluß machte.

Es wäre Schade gewesen, wenn der Chor, den man bei einem solchen
Fest wol auch mit unter die Künstler rechnen darf, von diesem Concert sich
zurückgezogen hätte. Die allgemeine Freude, welche die Schöpfung erregt halte,
ward die Veranlassung, daß man den Schlußchor des ersten Theils am Ende
der ersten Abtheilung noch einmal sang; den Schluß des Concerts aber machte
das Halleluja aus dem Messias. DaS war denn eine Gelegenheit sür
den Chor, seine ganze Macht und Herrlichkeit zu entfalten; bei der gewaltigen
Steigerung, "Herr der Herrn" war eS, als wollten die immer mächtiger an¬
schwellenden Tonmassen das Dach abheben, um himmelan zu steigen. -- Der
Schluß mit diesen Riesenwerken, der Beethovenschen Ouvertüre und dem Halleluja
gab auch diesem Concert eine ernste hohe Weihe und ließ den Zuhörern einen
Eindruck von Größe und Erhabenheit zurück, wie es eines Musikfestes würdig
war, daß man ans vollem Herzen sagen mochte: Ende gut, Alles gut!

Nach vollbrachter Arbeit vereinigte zur Feier des Gelingens ein fröhliches
Mahl eine große Anzahl der Mitwirkenden und Zuhörer, die bis spät in die
Nacht oder bis zum frühen Morgen in heiterem Gespräch beisammen blieben
und sich das Wort gaben: Aus Wiedersehen beim nächsten rheinischen Musikfest!




Pariser Brief.
Die pariser Theater.

Der Neiz, welchen Paris dem Einheimischen gewährt, ist für den Freu^
den in der Regel verloren und dieser ist darauf angewiesen, diese Stadt zu
genießen, wie jede andere. Er läuft sich vom frugen Morgen an die Beine


mit fortreißt und seine Wirkung nicht leicht verfehlt, was dann auch aufs
Orchester zurückwirkt, so daß sie so gern gespielt als gehört wird. Die frische
und hübsche Ouvertüre vvnGade „Im Hochland" wurde in ihrer Wirkung
etwas beeinträchtigt durch den Regen, der auch schon den Tag vorher sich
während der Perl gemeldet hatte. Obgleich er nicht stark war, so machte er
doch auf dem beiliegenden Dach ein solches Geräusch, daß man nicht ungestört
hörte, umsoweniger als man fürchten mußte, daß, wenn er stärker würde,
eine völlige Unterbrechung eintreten müßte. Die dritte im Bunde war die
große Leonorenouverture: es war fast zu viel'nach allem, was man schon
gehört hatte; aber die Kraft und Tiefe dieses großartigen Seelengemäldes
ergreift so mächtig, daß sie jede Anwandlung von Schwäche überwindet. Wenn
man berichten kann, daß die gefährliche Stelle zum Eingang des Presto sicher
und tadellos gelang, so ist daS kein geringes Lob für das Orchester, das mit
dieser letzten Leistung, wahrlich keiner leichten, einen würdigen Schluß machte.

Es wäre Schade gewesen, wenn der Chor, den man bei einem solchen
Fest wol auch mit unter die Künstler rechnen darf, von diesem Concert sich
zurückgezogen hätte. Die allgemeine Freude, welche die Schöpfung erregt halte,
ward die Veranlassung, daß man den Schlußchor des ersten Theils am Ende
der ersten Abtheilung noch einmal sang; den Schluß des Concerts aber machte
das Halleluja aus dem Messias. DaS war denn eine Gelegenheit sür
den Chor, seine ganze Macht und Herrlichkeit zu entfalten; bei der gewaltigen
Steigerung, „Herr der Herrn" war eS, als wollten die immer mächtiger an¬
schwellenden Tonmassen das Dach abheben, um himmelan zu steigen. — Der
Schluß mit diesen Riesenwerken, der Beethovenschen Ouvertüre und dem Halleluja
gab auch diesem Concert eine ernste hohe Weihe und ließ den Zuhörern einen
Eindruck von Größe und Erhabenheit zurück, wie es eines Musikfestes würdig
war, daß man ans vollem Herzen sagen mochte: Ende gut, Alles gut!

Nach vollbrachter Arbeit vereinigte zur Feier des Gelingens ein fröhliches
Mahl eine große Anzahl der Mitwirkenden und Zuhörer, die bis spät in die
Nacht oder bis zum frühen Morgen in heiterem Gespräch beisammen blieben
und sich das Wort gaben: Aus Wiedersehen beim nächsten rheinischen Musikfest!




Pariser Brief.
Die pariser Theater.

Der Neiz, welchen Paris dem Einheimischen gewährt, ist für den Freu^
den in der Regel verloren und dieser ist darauf angewiesen, diese Stadt zu
genießen, wie jede andere. Er läuft sich vom frugen Morgen an die Beine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/32>, abgerufen am 01.05.2024.