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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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Gefängnißwärter, der die Roland befreien wollte, wird von seinem aus Deutsch¬
land kommenden Bruder Armin/ohne dessen Willen, verrathen -- Thorn, der
jetzt Conventsmitglied ist, läßt Reus abfassen.

Die Freiwilligen sind heimgekehrt und haben für Frankreich die Welt er¬
obert und für sich ein paar Stiefel -- und einen Kaiser. --

Dieser vertheilt die Adler an seine Legionen -- ein Tableau, das statt
Bonaparte als General aus Aegypten heimkehrend unter Mitarbeiterschaft der
Polizei eingeschaltet wurde.




Korrespondenzen.
Aus Konstantinopel,

Wir haben aus der Krim keine Nachrichten von
irgendeiner Bedeutung. Mehr und mehr wird es zur Gewißheit, daß General Pelissier
die Ankunft der ihm in Aussicht gestellten bedeutenden Verstärkungen abwarten
will, bevor er zu einem neuen großartigen Sturmangriff sich entscheidet. Von den
Sappen- respective Minenarbeiten gegen den Malakowthnrm weiß man soviel wie
nichts; überhaupt wird neuerdings in Hinsicht auf alle Operationen und die darauf
bezugnehmenden Vorkehrungen ein Stillschweigen beobachtet, wie man es vordem
nicht gekannt. Von Paris aus sollen in dieser Hinsicht die allerstrengsten Anwei¬
sungen ergangen sein; auch ist General Pclcssier nicht der Mann, welcher seinen
Untergebenen die Mittheilung seiner Anordnungen an Unberufene nachsehen
würde. -- Man will hier wissen, daß die Stimmung im französischen und engli¬
schen Lager eine etwas gedrückte sei, was nach den Vorgängen während des letzt¬
verflossenen Monats nicht in Erstaunen setzen kann. Wie es um das Vertrauen
des gemeinen Mannes zum General Pelissier steht, weiß ich nicht; nur will mir
scheinen, daß derselbe durch das, was er seither ausgeführt oder besser zu sagen
vergeblich zu erreichen versucht hat, an den alten fehlerhaften Operativnsplan zu
fest gebunden ist, um sähig zu sein, eine freie Entschließung zu treffen, d. h. die
Armee aus den einzigen Punkt hinzuführen, wo sie mit Erfolg wirken könnte:
nach Eupatoria!

Hier in Stambul beschäftigt sich das Publicum augenblicklich mit nichts so
lebhast, wie mit der Anwesenheit Omer Paschas, welcher das Hauptinteresse in
Anspruch nimmt. Niemand, welcher weiß, mit welcher Auszeichnung der Serdar
Ekräm vom Padischah empfangen worden, wird glauben, daß er aus dem Wege
sei, seinen Posten eines Oberfeldherrn zu verlieren; aber möglicherweise dürste die
Krim nicht länger mehr das Feld seiner Thätigkeit bleiben. Wenn nicht alles
täuscht, ist Omer Paschas neuer Bestimmungsort Erzerum, wohin er sich über Trape-
zunt begeben würde, um die Reservearmee zu organisiren, auf deren schneller
Ausstellung die Rettung der ostwärtigen asiatischen Provinzen zu beruhen scheint.
Einigermaßen befremdlich ist es, daß man durchaus nichts Näheres über das Ge¬
schick von Kars in Erfahrung zu bringen vermag. Der Umstand, daß die Regie-


Gefängnißwärter, der die Roland befreien wollte, wird von seinem aus Deutsch¬
land kommenden Bruder Armin/ohne dessen Willen, verrathen — Thorn, der
jetzt Conventsmitglied ist, läßt Reus abfassen.

Die Freiwilligen sind heimgekehrt und haben für Frankreich die Welt er¬
obert und für sich ein paar Stiefel — und einen Kaiser. —

Dieser vertheilt die Adler an seine Legionen — ein Tableau, das statt
Bonaparte als General aus Aegypten heimkehrend unter Mitarbeiterschaft der
Polizei eingeschaltet wurde.




Korrespondenzen.
Aus Konstantinopel,

Wir haben aus der Krim keine Nachrichten von
irgendeiner Bedeutung. Mehr und mehr wird es zur Gewißheit, daß General Pelissier
die Ankunft der ihm in Aussicht gestellten bedeutenden Verstärkungen abwarten
will, bevor er zu einem neuen großartigen Sturmangriff sich entscheidet. Von den
Sappen- respective Minenarbeiten gegen den Malakowthnrm weiß man soviel wie
nichts; überhaupt wird neuerdings in Hinsicht auf alle Operationen und die darauf
bezugnehmenden Vorkehrungen ein Stillschweigen beobachtet, wie man es vordem
nicht gekannt. Von Paris aus sollen in dieser Hinsicht die allerstrengsten Anwei¬
sungen ergangen sein; auch ist General Pclcssier nicht der Mann, welcher seinen
Untergebenen die Mittheilung seiner Anordnungen an Unberufene nachsehen
würde. — Man will hier wissen, daß die Stimmung im französischen und engli¬
schen Lager eine etwas gedrückte sei, was nach den Vorgängen während des letzt¬
verflossenen Monats nicht in Erstaunen setzen kann. Wie es um das Vertrauen
des gemeinen Mannes zum General Pelissier steht, weiß ich nicht; nur will mir
scheinen, daß derselbe durch das, was er seither ausgeführt oder besser zu sagen
vergeblich zu erreichen versucht hat, an den alten fehlerhaften Operativnsplan zu
fest gebunden ist, um sähig zu sein, eine freie Entschließung zu treffen, d. h. die
Armee aus den einzigen Punkt hinzuführen, wo sie mit Erfolg wirken könnte:
nach Eupatoria!

Hier in Stambul beschäftigt sich das Publicum augenblicklich mit nichts so
lebhast, wie mit der Anwesenheit Omer Paschas, welcher das Hauptinteresse in
Anspruch nimmt. Niemand, welcher weiß, mit welcher Auszeichnung der Serdar
Ekräm vom Padischah empfangen worden, wird glauben, daß er aus dem Wege
sei, seinen Posten eines Oberfeldherrn zu verlieren; aber möglicherweise dürste die
Krim nicht länger mehr das Feld seiner Thätigkeit bleiben. Wenn nicht alles
täuscht, ist Omer Paschas neuer Bestimmungsort Erzerum, wohin er sich über Trape-
zunt begeben würde, um die Reservearmee zu organisiren, auf deren schneller
Ausstellung die Rettung der ostwärtigen asiatischen Provinzen zu beruhen scheint.
Einigermaßen befremdlich ist es, daß man durchaus nichts Näheres über das Ge¬
schick von Kars in Erfahrung zu bringen vermag. Der Umstand, daß die Regie-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/320>, abgerufen am 01.05.2024.