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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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umgehen und nach Sebastopol werfen, konnte man ihn bis Perekop oder ins
Meer drängen, so kam zuverlässig alles anders.

In den letzten Tagen würde man im Stande gewesen sein, eine, wenn
auch nur demonstrative Unternehmung über Batna oder Trapezunt zur
Ausführung zu bringen und wenn auch nicht Kars, so mindestens doch Erzerum
Luft zu verschaffen, wenn man Transportflotte und Trains in der eben gefor¬
derten Form besäße. Je fester ich überzeugt bin, daß die jetzigen Mißgeschicke,
oder besser zu sagen Mißerfolge, nur eine Konsequenz des gerügten Mangels
sind, umsomehr erwarte ich von dem nächsten Jahre, falls man dem letztern
abhilft.




Korrespondenzen.
Aus Konstantittvpel.

-- Der Bairamszug des Sultans.
In der fränkischen Bevölkerung dieser großen Metropole überwiegt in diesem Augen¬
blick das Interesse an den großen Vorgängen in der Krim dermaßen jedes andere,
daß daneben kaum hiesige Ereignisse Berücksichtigung finden würden. Anders unter
den Türken, die seit gestern Abend durch ihr Kurven-Bairamfest durchaus in Anspruch
genommen worden sind. In diesen Festtagen, die vor vierundzwanzig Stunden
.begonnen und bis Sonnabend währen werden, soll jeder Muselmann, der die
Kosten dazu erschwingen kann, einen Hammel schlachten, daher die tausende von
wohlgemästeten Schafen, die man während der letzten Woche auf allen Haupt¬
straßen Konstantinopels einherziehen sah. Am ersten Vairamtage hält der Sultan
einen feierlichen Aufzug vom alten Serail zur Moschee, über den heutigen At-Mei-
dan oder Pferdemarkt hinweg, den einzigen großen Platz Stambuls und denselben,
welchen man ehedem, unter den Konstantinen, den Hippodrom nannte. Dieser
Galaritt fand heute in der frühesten Morgenstunde zwischen fünf und sechs Uhr
statt. Ihr Berichterstatter war schon um vier Uhr von seiner Wohnung aufge¬
brochen, um das Schauspiel mit anzusehen. Während in Deutschland um diese
Stunde die Dämmerung bereits zu leuchten beginnt, lagen hier die Straßen noch
fenster da und boten bei dem Mangel einer jeden Beleuchtung eine ziemlich schwie¬
rige Passage. Als ich deu Eingang des Thores von Galata erreicht hatte, machte
sich der Menschenstrom schon bemerkbar, welcher sich dem eigentlichen Stambul aus
Anlaß der zu erwartenden Schaustellung heute so früh schon zuwälzte. An der
neuen Brücke endlich, die zunächst seewärts über den Hasen läuft, wurde der Himmel
lichter, und drüben in den Straßen der Dreiccksstadt ließen sich schon die näheren
und ferneren Gegenstände unterscheiden. Das Mcnschengetümmel um mich her
wuchs. Endlich hatte ich den Serail, öder vielmehr seine alte von Epheu um¬
rankte Mauer und endlich den At-Meidan erreicht. Ihre Leser kennen muthmaßlich
den Platz bereits aus irgend einer Beschreibung. Er bildet ein längliches Viereck
Und dehnt sich in der Verlängerung der Linie vom Serail zur Sophienmoschee aus,


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umgehen und nach Sebastopol werfen, konnte man ihn bis Perekop oder ins
Meer drängen, so kam zuverlässig alles anders.

In den letzten Tagen würde man im Stande gewesen sein, eine, wenn
auch nur demonstrative Unternehmung über Batna oder Trapezunt zur
Ausführung zu bringen und wenn auch nicht Kars, so mindestens doch Erzerum
Luft zu verschaffen, wenn man Transportflotte und Trains in der eben gefor¬
derten Form besäße. Je fester ich überzeugt bin, daß die jetzigen Mißgeschicke,
oder besser zu sagen Mißerfolge, nur eine Konsequenz des gerügten Mangels
sind, umsomehr erwarte ich von dem nächsten Jahre, falls man dem letztern
abhilft.




Korrespondenzen.
Aus Konstantittvpel.

— Der Bairamszug des Sultans.
In der fränkischen Bevölkerung dieser großen Metropole überwiegt in diesem Augen¬
blick das Interesse an den großen Vorgängen in der Krim dermaßen jedes andere,
daß daneben kaum hiesige Ereignisse Berücksichtigung finden würden. Anders unter
den Türken, die seit gestern Abend durch ihr Kurven-Bairamfest durchaus in Anspruch
genommen worden sind. In diesen Festtagen, die vor vierundzwanzig Stunden
.begonnen und bis Sonnabend währen werden, soll jeder Muselmann, der die
Kosten dazu erschwingen kann, einen Hammel schlachten, daher die tausende von
wohlgemästeten Schafen, die man während der letzten Woche auf allen Haupt¬
straßen Konstantinopels einherziehen sah. Am ersten Vairamtage hält der Sultan
einen feierlichen Aufzug vom alten Serail zur Moschee, über den heutigen At-Mei-
dan oder Pferdemarkt hinweg, den einzigen großen Platz Stambuls und denselben,
welchen man ehedem, unter den Konstantinen, den Hippodrom nannte. Dieser
Galaritt fand heute in der frühesten Morgenstunde zwischen fünf und sechs Uhr
statt. Ihr Berichterstatter war schon um vier Uhr von seiner Wohnung aufge¬
brochen, um das Schauspiel mit anzusehen. Während in Deutschland um diese
Stunde die Dämmerung bereits zu leuchten beginnt, lagen hier die Straßen noch
fenster da und boten bei dem Mangel einer jeden Beleuchtung eine ziemlich schwie¬
rige Passage. Als ich deu Eingang des Thores von Galata erreicht hatte, machte
sich der Menschenstrom schon bemerkbar, welcher sich dem eigentlichen Stambul aus
Anlaß der zu erwartenden Schaustellung heute so früh schon zuwälzte. An der
neuen Brücke endlich, die zunächst seewärts über den Hasen läuft, wurde der Himmel
lichter, und drüben in den Straßen der Dreiccksstadt ließen sich schon die näheren
und ferneren Gegenstände unterscheiden. Das Mcnschengetümmel um mich her
wuchs. Endlich hatte ich den Serail, öder vielmehr seine alte von Epheu um¬
rankte Mauer und endlich den At-Meidan erreicht. Ihre Leser kennen muthmaßlich
den Platz bereits aus irgend einer Beschreibung. Er bildet ein längliches Viereck
Und dehnt sich in der Verlängerung der Linie vom Serail zur Sophienmoschee aus,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/481>, abgerufen am 01.05.2024.