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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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zum Transportdienst gemiethet, mußten in Gemeinschaft mit den zu demselben
Zweck bestimmten Staatssteamern in zwei große Hauptmassen eingetheilt wer¬
den, von denen der einen die Unterstützung der Operationen im Pontus selbst,
der andern der Truppentransport zwischen Frankreich und England beschieden
gewesen sein würde. Wenn man aus die geringfügigen Resultate schaut, welche
die Blockade an der Ostsee zuwege gebracht hat, so kann man auch keinen
Zweifel mehr darüber hegen, daß es angemessener gewesen sein dürfte, minde¬
stens einen Theil jener "hundert Wimpel" zum Transportdienst im Orient zu
verwenden, anstatt im baltischen Meere.

Ich zweifle nicht, daß es bei einiger Energie möglich gewesen sein würde,
hundert Dampfer im schwarzen Meer zu einer großen Transportflotte für die
operirende Armee zu vereinigen, daß man, anstatt mit gegen zwanzig armirten
Linienschiffen vor Sebastopol Wacht zu halten, in dessen Hafen nur vier Zwei¬
decker liegen, besser gethan haben würde, fünfzehn davon den <zu linke aus"
gerüsteten zuzutheilen, um so aus britischen und französischen Zwei- und Drei-
deckern eine große Flotte für die Nachschübe formiren zu können, welche, fünf
bis sechs Divisionen von je sechs Schiffen stark, im Stande gewesen sein würde,
ebensoviele Armeedivisionen auf den Kriegsschauplatz zu führen. Die für die
großen Operationen bestimmte Tranöportflotte würde es möglich gemacht haben,
eine große Armee je nach Belieben nach den Donaumündungen, nach Batna,
nach der Krim oder nach Trapezunt zu werfen. Keine Conception des Feindes
wäre möglich gewesen, ohne auf diese Weise durchkreuzt zu werden. Man
würde stets da aus ihn gefallen sein, wo er momentan sich schwach erwiesen
und in diese Kategorie würden alle Punkte hineingehört haben von Batna bis
Ismail, denn man ist nirgends stark, wenn man mehre hundert Meilen See¬
grenze zugleich zu vertheidigen hat.

Diese Kriegführung, welche eine tüchtige Organisation der für die Opera¬
tionen bestimmten Transportflotte als Erstes forderte, hätte einen organisirten
Munitivns-, Lazarett)-, Verpflegungs- und Bagagetrain als Zweites verlangt.
Zu "dem Ende bedürfte es kaum eines weiteren als 20--25,000 Stück Pack¬
pferde. Wenn man erwägt, daß von einzelnen der größten Steamer und
Klipper bis zu tausend Stück Pferde an Bord genommen worden sind, wird
man nicht eben den Einwand erheben, ein solcher Transport liege außerhalb
der Grenzen des Möglichen. Mit Hilfe dieser Trains war man dann beweg¬
lich und man konnte, unabhängig von der Küste, die Entscheidung mehre
Märsche weit im Innern suchen, wenn die strategischen Verhältnisse es er¬
heischten. Daß man dies in den Septembertagen des vergangenen Jahres i"
der Krim nicht vermochte, ist entscheidend für die dortige Unternehmung gewor¬
den. Sie war eine auf die Ueberraschung angelegte und bedürfte als solche
mehr als alles andere einer schnellen Durchführung. Könnte man Menschikoff


zum Transportdienst gemiethet, mußten in Gemeinschaft mit den zu demselben
Zweck bestimmten Staatssteamern in zwei große Hauptmassen eingetheilt wer¬
den, von denen der einen die Unterstützung der Operationen im Pontus selbst,
der andern der Truppentransport zwischen Frankreich und England beschieden
gewesen sein würde. Wenn man aus die geringfügigen Resultate schaut, welche
die Blockade an der Ostsee zuwege gebracht hat, so kann man auch keinen
Zweifel mehr darüber hegen, daß es angemessener gewesen sein dürfte, minde¬
stens einen Theil jener „hundert Wimpel" zum Transportdienst im Orient zu
verwenden, anstatt im baltischen Meere.

Ich zweifle nicht, daß es bei einiger Energie möglich gewesen sein würde,
hundert Dampfer im schwarzen Meer zu einer großen Transportflotte für die
operirende Armee zu vereinigen, daß man, anstatt mit gegen zwanzig armirten
Linienschiffen vor Sebastopol Wacht zu halten, in dessen Hafen nur vier Zwei¬
decker liegen, besser gethan haben würde, fünfzehn davon den <zu linke aus«
gerüsteten zuzutheilen, um so aus britischen und französischen Zwei- und Drei-
deckern eine große Flotte für die Nachschübe formiren zu können, welche, fünf
bis sechs Divisionen von je sechs Schiffen stark, im Stande gewesen sein würde,
ebensoviele Armeedivisionen auf den Kriegsschauplatz zu führen. Die für die
großen Operationen bestimmte Tranöportflotte würde es möglich gemacht haben,
eine große Armee je nach Belieben nach den Donaumündungen, nach Batna,
nach der Krim oder nach Trapezunt zu werfen. Keine Conception des Feindes
wäre möglich gewesen, ohne auf diese Weise durchkreuzt zu werden. Man
würde stets da aus ihn gefallen sein, wo er momentan sich schwach erwiesen
und in diese Kategorie würden alle Punkte hineingehört haben von Batna bis
Ismail, denn man ist nirgends stark, wenn man mehre hundert Meilen See¬
grenze zugleich zu vertheidigen hat.

Diese Kriegführung, welche eine tüchtige Organisation der für die Opera¬
tionen bestimmten Transportflotte als Erstes forderte, hätte einen organisirten
Munitivns-, Lazarett)-, Verpflegungs- und Bagagetrain als Zweites verlangt.
Zu "dem Ende bedürfte es kaum eines weiteren als 20—25,000 Stück Pack¬
pferde. Wenn man erwägt, daß von einzelnen der größten Steamer und
Klipper bis zu tausend Stück Pferde an Bord genommen worden sind, wird
man nicht eben den Einwand erheben, ein solcher Transport liege außerhalb
der Grenzen des Möglichen. Mit Hilfe dieser Trains war man dann beweg¬
lich und man konnte, unabhängig von der Küste, die Entscheidung mehre
Märsche weit im Innern suchen, wenn die strategischen Verhältnisse es er¬
heischten. Daß man dies in den Septembertagen des vergangenen Jahres i«
der Krim nicht vermochte, ist entscheidend für die dortige Unternehmung gewor¬
den. Sie war eine auf die Ueberraschung angelegte und bedürfte als solche
mehr als alles andere einer schnellen Durchführung. Könnte man Menschikoff


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[0480] zum Transportdienst gemiethet, mußten in Gemeinschaft mit den zu demselben Zweck bestimmten Staatssteamern in zwei große Hauptmassen eingetheilt wer¬ den, von denen der einen die Unterstützung der Operationen im Pontus selbst, der andern der Truppentransport zwischen Frankreich und England beschieden gewesen sein würde. Wenn man aus die geringfügigen Resultate schaut, welche die Blockade an der Ostsee zuwege gebracht hat, so kann man auch keinen Zweifel mehr darüber hegen, daß es angemessener gewesen sein dürfte, minde¬ stens einen Theil jener „hundert Wimpel" zum Transportdienst im Orient zu verwenden, anstatt im baltischen Meere. Ich zweifle nicht, daß es bei einiger Energie möglich gewesen sein würde, hundert Dampfer im schwarzen Meer zu einer großen Transportflotte für die operirende Armee zu vereinigen, daß man, anstatt mit gegen zwanzig armirten Linienschiffen vor Sebastopol Wacht zu halten, in dessen Hafen nur vier Zwei¬ decker liegen, besser gethan haben würde, fünfzehn davon den <zu linke aus« gerüsteten zuzutheilen, um so aus britischen und französischen Zwei- und Drei- deckern eine große Flotte für die Nachschübe formiren zu können, welche, fünf bis sechs Divisionen von je sechs Schiffen stark, im Stande gewesen sein würde, ebensoviele Armeedivisionen auf den Kriegsschauplatz zu führen. Die für die großen Operationen bestimmte Tranöportflotte würde es möglich gemacht haben, eine große Armee je nach Belieben nach den Donaumündungen, nach Batna, nach der Krim oder nach Trapezunt zu werfen. Keine Conception des Feindes wäre möglich gewesen, ohne auf diese Weise durchkreuzt zu werden. Man würde stets da aus ihn gefallen sein, wo er momentan sich schwach erwiesen und in diese Kategorie würden alle Punkte hineingehört haben von Batna bis Ismail, denn man ist nirgends stark, wenn man mehre hundert Meilen See¬ grenze zugleich zu vertheidigen hat. Diese Kriegführung, welche eine tüchtige Organisation der für die Opera¬ tionen bestimmten Transportflotte als Erstes forderte, hätte einen organisirten Munitivns-, Lazarett)-, Verpflegungs- und Bagagetrain als Zweites verlangt. Zu "dem Ende bedürfte es kaum eines weiteren als 20—25,000 Stück Pack¬ pferde. Wenn man erwägt, daß von einzelnen der größten Steamer und Klipper bis zu tausend Stück Pferde an Bord genommen worden sind, wird man nicht eben den Einwand erheben, ein solcher Transport liege außerhalb der Grenzen des Möglichen. Mit Hilfe dieser Trains war man dann beweg¬ lich und man konnte, unabhängig von der Küste, die Entscheidung mehre Märsche weit im Innern suchen, wenn die strategischen Verhältnisse es er¬ heischten. Daß man dies in den Septembertagen des vergangenen Jahres i« der Krim nicht vermochte, ist entscheidend für die dortige Unternehmung gewor¬ den. Sie war eine auf die Ueberraschung angelegte und bedürfte als solche mehr als alles andere einer schnellen Durchführung. Könnte man Menschikoff

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/480>, abgerufen am 15.05.2024.