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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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Coiifercnzen nicht werde eingeladen werden, dürfte es den Zutritt in einer
andern Eigenschaft nicht einmal wünschen. Es blieb ihm-nichts übrig, als
gegen die Ausstreichung des preußischen Namens aus der Liste der Gro߬
mächte zu protestiren und demgemäß eine Stellung einzunehmen, welche Europa
die Ueberzeugung gab, daß ohne Preußens Theilnahme keine dauernde Erle¬
digung der orientalischen Frage zu Stande kommen werde.

Wer den Gang der preußischen Politik seit dem Frühjahr 18ni aufmerk¬
sam verfolgt hat, kann sich nicht wundern, daß jetzt das Resultat hervortritt,
daß man Preußen nicht mehr den vier europäischen Großmächten, sondern den
vier deutschen königlichen Mittelstaaten zuzählt, aber jeder, welcher Preußens
Bedeutung für Deutschland zu würdigen weiß, wird es beklagen, daß mit
Preußen jetzt Deutschland einer gänzlichen Einflußloslgkeit entgegengeht.




Korrespondenzen.
Alls Frankfurt,

In dem neuesten (dem siebenten) Hest des
,,Archivs für Frankfurts Geschichte und Kunst" erzählt der berühmte und um seine
Vaterstadt sehr> verdiente Reisende Ur. Ed. Rüppel! in einem Aufsatz: "Schau¬
münzen zum Angedenken von Bewohnern Frankfurts oder in dieser Stadt gebor-
nen Personen" u. a.: "Merkwürdigerweise sei ans keiner einzigen der acht zur
Erinnerung an Goethe, diesen berühmtesten aller Frankfurter, in Frankfurt ge¬
prägten Schaumünzen angegeben, daß Frankfurt das Recht habe, als Goethes
Geburtsort genannt zu w/rden. Als Goethe im Jahre aus sehr triftigen
Beweggründen den ihm durch die Geburt gehörenden Platz im frankfurter Bürger-
vcrband ausgegeben, was bei sehr vielen Bewohnern der Stadt böses Blut gegen
ihn erregt habe, so sei dies während einer Reihe von Jahren eine Hauptveran-
lassung gewesen, daß mancher seiner ehemaligen Mitbürger ihn sehr einseitig beur¬
theilt, und es habe einer ziemlich langen Zeit bedurft, bis eine monumentale Hul¬
digung , welche herkömmlicherweise die Geburtsstadt großer Männer diesen nach
ihrem Ableben widme, verwirklicht worden." Rüppell erzählt dann, ans welchen "sehr,
triftigen materiellen Rücksichten" Goethe aus den 'Rath seines Vetters, des verstor¬
benen Rathes Johann Friedrich Schlosser aus 'dem frankfurter Bürgerbandc aus¬
getreten und daß dies "keineswegs aus Verachtung gegen die Stadt seiner Geburt"
geschehen sei. "Ein tief wurzelndes Gefühl von Mißliebigkeit gegen den die Ehre,
frankfurter Bürger zu sein, angeblich so geringschätzenden Dichter sei seitdem bei
einer großen Zahl seiner Landsleute zurückgeblieben, welchen der wahre Sachverhalt
unbekannt geblieben. Als daher einige Jahre später mehre Frankfurter sich zu einem
Comite vereinigt, um durch ein zu errichtendes öffentliches Denkmal kund zu thun,
die Vaterstadt rechne es sich zur Ehre, daß innerhalb ihrer Mauern der größte
lebende Schriftsteller das Licht der Welt erblickt habe, seien die dafür unterzeich¬
neten Beiträge äußerst kärglich ausgefallen, so daß man beschlossen, einen Ausruf
zu Geldspenden nicht allein an alle Deutsche, sondern a" das ganze gebildete Europa
zu erlassen. Massenweise seien Subscriptionslisten ausgetheilt, die man sogar in Wein-


Coiifercnzen nicht werde eingeladen werden, dürfte es den Zutritt in einer
andern Eigenschaft nicht einmal wünschen. Es blieb ihm-nichts übrig, als
gegen die Ausstreichung des preußischen Namens aus der Liste der Gro߬
mächte zu protestiren und demgemäß eine Stellung einzunehmen, welche Europa
die Ueberzeugung gab, daß ohne Preußens Theilnahme keine dauernde Erle¬
digung der orientalischen Frage zu Stande kommen werde.

Wer den Gang der preußischen Politik seit dem Frühjahr 18ni aufmerk¬
sam verfolgt hat, kann sich nicht wundern, daß jetzt das Resultat hervortritt,
daß man Preußen nicht mehr den vier europäischen Großmächten, sondern den
vier deutschen königlichen Mittelstaaten zuzählt, aber jeder, welcher Preußens
Bedeutung für Deutschland zu würdigen weiß, wird es beklagen, daß mit
Preußen jetzt Deutschland einer gänzlichen Einflußloslgkeit entgegengeht.




Korrespondenzen.
Alls Frankfurt,

In dem neuesten (dem siebenten) Hest des
,,Archivs für Frankfurts Geschichte und Kunst" erzählt der berühmte und um seine
Vaterstadt sehr> verdiente Reisende Ur. Ed. Rüppel! in einem Aufsatz: „Schau¬
münzen zum Angedenken von Bewohnern Frankfurts oder in dieser Stadt gebor-
nen Personen" u. a.: „Merkwürdigerweise sei ans keiner einzigen der acht zur
Erinnerung an Goethe, diesen berühmtesten aller Frankfurter, in Frankfurt ge¬
prägten Schaumünzen angegeben, daß Frankfurt das Recht habe, als Goethes
Geburtsort genannt zu w/rden. Als Goethe im Jahre aus sehr triftigen
Beweggründen den ihm durch die Geburt gehörenden Platz im frankfurter Bürger-
vcrband ausgegeben, was bei sehr vielen Bewohnern der Stadt böses Blut gegen
ihn erregt habe, so sei dies während einer Reihe von Jahren eine Hauptveran-
lassung gewesen, daß mancher seiner ehemaligen Mitbürger ihn sehr einseitig beur¬
theilt, und es habe einer ziemlich langen Zeit bedurft, bis eine monumentale Hul¬
digung , welche herkömmlicherweise die Geburtsstadt großer Männer diesen nach
ihrem Ableben widme, verwirklicht worden." Rüppell erzählt dann, ans welchen „sehr,
triftigen materiellen Rücksichten" Goethe aus den 'Rath seines Vetters, des verstor¬
benen Rathes Johann Friedrich Schlosser aus 'dem frankfurter Bürgerbandc aus¬
getreten und daß dies «keineswegs aus Verachtung gegen die Stadt seiner Geburt"
geschehen sei. „Ein tief wurzelndes Gefühl von Mißliebigkeit gegen den die Ehre,
frankfurter Bürger zu sein, angeblich so geringschätzenden Dichter sei seitdem bei
einer großen Zahl seiner Landsleute zurückgeblieben, welchen der wahre Sachverhalt
unbekannt geblieben. Als daher einige Jahre später mehre Frankfurter sich zu einem
Comite vereinigt, um durch ein zu errichtendes öffentliches Denkmal kund zu thun,
die Vaterstadt rechne es sich zur Ehre, daß innerhalb ihrer Mauern der größte
lebende Schriftsteller das Licht der Welt erblickt habe, seien die dafür unterzeich¬
neten Beiträge äußerst kärglich ausgefallen, so daß man beschlossen, einen Ausruf
zu Geldspenden nicht allein an alle Deutsche, sondern a» das ganze gebildete Europa
zu erlassen. Massenweise seien Subscriptionslisten ausgetheilt, die man sogar in Wein-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/327>, abgerufen am 06.05.2024.