Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Ludwig Tieck.
Ludwig Tieck. Erinnerungen aus dem Leben des Dichters nach dessen mündlichen
und schriftlichen Mittheilungen von Rudolph Köpke. Zwei Bände. Leipzig,
F. A. Brockhaus.
Ludwig Tiecks nachgelassene Schriften. Auswahl und Nachlasse. Herausge¬
geben von Rudolf Köpke. Zwei Bände. Leipzig, F. A. Brockhaus.
Ludwig Tieck. Eine literarhistorische Skizze von I. L. Hoffmann, Studien-
lehrer in Nürnberg. Nürnberg, Bauer und Raspe.

Die Lebenserinnerungen sind ein nicht unwichtiger Beitrag zur Kenntniß
unserer Literaturgeschichte. Seit 1849 war Herr Köpke in fast täglichem Ver¬
kehr mit dem greisen Dichter, der ihm anfangs vieles Einzelne aus seinem
Leben mittheilte und dann daS Ganze im Zusammenhang noch einmal wieder¬
holte, durchaus absichtslos und unbefangen, wie der Verfasser bemerkt, ohne
auf eine etwaige Benutzung dieser Mittheilungen Rücksicht zu nehmen. Während
der letzten zwei Lebensjahre des Dichters hat sich Herr Köpke alle diese Unter¬
haltungen sorgfältig aufgeschrieben, und theilte ihm im April 1833 diesen Um¬
stand mit. Tieck drückte seine Zufriedenheit aus und antorisirte ihn förmlich,
durch seinen authentischen Bericht die vielen Lügen zu widerlegen, die über
ihn in Umlauf waren. Schon früher hatte Tieck die mündlichen Erzählungen
in anderer Weise ergänzt. Lange beschäftigte ihn der Gedanke,, eine Auswahl
des reichhaltigen Briefwechsels herauszugeben, indem er während eines langen
lirerarischen Lebens mit den verschiedensten Männern gestanden hatte. In chro¬
nologischer Reihenfolge theilt er seinem Vertrauten die einzelnen Bände zur
Durchsicht mit. An jeden wichtigen Brief knüpften sich Erläuterungen und
häufig neue Erzählungen. Herr Köpke war anfangs unschlüssig, in welcher
Form er diese Blattet'herausgeben sollte; er entschied sich endlich zur Biogra¬
phie. Indem wir die Zweckmäßigkeit dieser Wahl vollkommen anerkennen,
haben wir doch eine kleine Ausstellung zu machen. Es kam hier nicht darauf
an, eine künstlerische, gewissermaßen novellistische Abrundung zu erzielen, son¬
dern die Authenticität des Materials überall genügend festzustellen. Es wäre
daher zweckmäßig gewesen, wo er Excerpte aus den Briefen oder auch aus den
gedruckten Novellen gibt, dies zu sagen, nicht erst in den Anmerkungen, son¬
dern sofort im Text.

Am wichtigsten für die Kenntniß Tiecks ist der erste Band. Die Mitthei¬
lungen über daS Jugendleben sind sehr ausführlich und machen in Bezug auf
seine spätere dichterische Thätigkeit manches deutlich. Der Sohn deS Hand¬
werkers, der auf dem berliner Gymnasium durch seine persönliche Liebens¬
würdigkeit mit Kindern aus den höhern Ständen und durch deren Vermittlung


Ludwig Tieck.
Ludwig Tieck. Erinnerungen aus dem Leben des Dichters nach dessen mündlichen
und schriftlichen Mittheilungen von Rudolph Köpke. Zwei Bände. Leipzig,
F. A. Brockhaus.
Ludwig Tiecks nachgelassene Schriften. Auswahl und Nachlasse. Herausge¬
geben von Rudolf Köpke. Zwei Bände. Leipzig, F. A. Brockhaus.
Ludwig Tieck. Eine literarhistorische Skizze von I. L. Hoffmann, Studien-
lehrer in Nürnberg. Nürnberg, Bauer und Raspe.

Die Lebenserinnerungen sind ein nicht unwichtiger Beitrag zur Kenntniß
unserer Literaturgeschichte. Seit 1849 war Herr Köpke in fast täglichem Ver¬
kehr mit dem greisen Dichter, der ihm anfangs vieles Einzelne aus seinem
Leben mittheilte und dann daS Ganze im Zusammenhang noch einmal wieder¬
holte, durchaus absichtslos und unbefangen, wie der Verfasser bemerkt, ohne
auf eine etwaige Benutzung dieser Mittheilungen Rücksicht zu nehmen. Während
der letzten zwei Lebensjahre des Dichters hat sich Herr Köpke alle diese Unter¬
haltungen sorgfältig aufgeschrieben, und theilte ihm im April 1833 diesen Um¬
stand mit. Tieck drückte seine Zufriedenheit aus und antorisirte ihn förmlich,
durch seinen authentischen Bericht die vielen Lügen zu widerlegen, die über
ihn in Umlauf waren. Schon früher hatte Tieck die mündlichen Erzählungen
in anderer Weise ergänzt. Lange beschäftigte ihn der Gedanke,, eine Auswahl
des reichhaltigen Briefwechsels herauszugeben, indem er während eines langen
lirerarischen Lebens mit den verschiedensten Männern gestanden hatte. In chro¬
nologischer Reihenfolge theilt er seinem Vertrauten die einzelnen Bände zur
Durchsicht mit. An jeden wichtigen Brief knüpften sich Erläuterungen und
häufig neue Erzählungen. Herr Köpke war anfangs unschlüssig, in welcher
Form er diese Blattet'herausgeben sollte; er entschied sich endlich zur Biogra¬
phie. Indem wir die Zweckmäßigkeit dieser Wahl vollkommen anerkennen,
haben wir doch eine kleine Ausstellung zu machen. Es kam hier nicht darauf
an, eine künstlerische, gewissermaßen novellistische Abrundung zu erzielen, son¬
dern die Authenticität des Materials überall genügend festzustellen. Es wäre
daher zweckmäßig gewesen, wo er Excerpte aus den Briefen oder auch aus den
gedruckten Novellen gibt, dies zu sagen, nicht erst in den Anmerkungen, son¬
dern sofort im Text.

Am wichtigsten für die Kenntniß Tiecks ist der erste Band. Die Mitthei¬
lungen über daS Jugendleben sind sehr ausführlich und machen in Bezug auf
seine spätere dichterische Thätigkeit manches deutlich. Der Sohn deS Hand¬
werkers, der auf dem berliner Gymnasium durch seine persönliche Liebens¬
würdigkeit mit Kindern aus den höhern Ständen und durch deren Vermittlung


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0429" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101422"/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Ludwig Tieck.</head><lb/>
          <list>
            <item> Ludwig Tieck. Erinnerungen aus dem Leben des Dichters nach dessen mündlichen<lb/>
und schriftlichen Mittheilungen von Rudolph Köpke. Zwei Bände. Leipzig,<lb/>
F. A. Brockhaus.</item>
            <item> Ludwig Tiecks nachgelassene Schriften. Auswahl und Nachlasse. Herausge¬<lb/>
geben von Rudolf Köpke.  Zwei Bände.  Leipzig, F. A. Brockhaus.</item>
            <item> Ludwig Tieck. Eine literarhistorische Skizze von I. L. Hoffmann, Studien-<lb/>
lehrer in Nürnberg.  Nürnberg, Bauer und Raspe.</item>
          </list><lb/>
          <p xml:id="ID_1285"> Die Lebenserinnerungen sind ein nicht unwichtiger Beitrag zur Kenntniß<lb/>
unserer Literaturgeschichte. Seit 1849 war Herr Köpke in fast täglichem Ver¬<lb/>
kehr mit dem greisen Dichter, der ihm anfangs vieles Einzelne aus seinem<lb/>
Leben mittheilte und dann daS Ganze im Zusammenhang noch einmal wieder¬<lb/>
holte, durchaus absichtslos und unbefangen, wie der Verfasser bemerkt, ohne<lb/>
auf eine etwaige Benutzung dieser Mittheilungen Rücksicht zu nehmen. Während<lb/>
der letzten zwei Lebensjahre des Dichters hat sich Herr Köpke alle diese Unter¬<lb/>
haltungen sorgfältig aufgeschrieben, und theilte ihm im April 1833 diesen Um¬<lb/>
stand mit. Tieck drückte seine Zufriedenheit aus und antorisirte ihn förmlich,<lb/>
durch seinen authentischen Bericht die vielen Lügen zu widerlegen, die über<lb/>
ihn in Umlauf waren. Schon früher hatte Tieck die mündlichen Erzählungen<lb/>
in anderer Weise ergänzt. Lange beschäftigte ihn der Gedanke,, eine Auswahl<lb/>
des reichhaltigen Briefwechsels herauszugeben, indem er während eines langen<lb/>
lirerarischen Lebens mit den verschiedensten Männern gestanden hatte. In chro¬<lb/>
nologischer Reihenfolge theilt er seinem Vertrauten die einzelnen Bände zur<lb/>
Durchsicht mit. An jeden wichtigen Brief knüpften sich Erläuterungen und<lb/>
häufig neue Erzählungen. Herr Köpke war anfangs unschlüssig, in welcher<lb/>
Form er diese Blattet'herausgeben sollte; er entschied sich endlich zur Biogra¬<lb/>
phie. Indem wir die Zweckmäßigkeit dieser Wahl vollkommen anerkennen,<lb/>
haben wir doch eine kleine Ausstellung zu machen. Es kam hier nicht darauf<lb/>
an, eine künstlerische, gewissermaßen novellistische Abrundung zu erzielen, son¬<lb/>
dern die Authenticität des Materials überall genügend festzustellen. Es wäre<lb/>
daher zweckmäßig gewesen, wo er Excerpte aus den Briefen oder auch aus den<lb/>
gedruckten Novellen gibt, dies zu sagen, nicht erst in den Anmerkungen, son¬<lb/>
dern sofort im Text.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1286" next="#ID_1287"> Am wichtigsten für die Kenntniß Tiecks ist der erste Band. Die Mitthei¬<lb/>
lungen über daS Jugendleben sind sehr ausführlich und machen in Bezug auf<lb/>
seine spätere dichterische Thätigkeit manches deutlich. Der Sohn deS Hand¬<lb/>
werkers, der auf dem berliner Gymnasium durch seine persönliche Liebens¬<lb/>
würdigkeit mit Kindern aus den höhern Ständen und durch deren Vermittlung</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0429] Ludwig Tieck. Ludwig Tieck. Erinnerungen aus dem Leben des Dichters nach dessen mündlichen und schriftlichen Mittheilungen von Rudolph Köpke. Zwei Bände. Leipzig, F. A. Brockhaus. Ludwig Tiecks nachgelassene Schriften. Auswahl und Nachlasse. Herausge¬ geben von Rudolf Köpke. Zwei Bände. Leipzig, F. A. Brockhaus. Ludwig Tieck. Eine literarhistorische Skizze von I. L. Hoffmann, Studien- lehrer in Nürnberg. Nürnberg, Bauer und Raspe. Die Lebenserinnerungen sind ein nicht unwichtiger Beitrag zur Kenntniß unserer Literaturgeschichte. Seit 1849 war Herr Köpke in fast täglichem Ver¬ kehr mit dem greisen Dichter, der ihm anfangs vieles Einzelne aus seinem Leben mittheilte und dann daS Ganze im Zusammenhang noch einmal wieder¬ holte, durchaus absichtslos und unbefangen, wie der Verfasser bemerkt, ohne auf eine etwaige Benutzung dieser Mittheilungen Rücksicht zu nehmen. Während der letzten zwei Lebensjahre des Dichters hat sich Herr Köpke alle diese Unter¬ haltungen sorgfältig aufgeschrieben, und theilte ihm im April 1833 diesen Um¬ stand mit. Tieck drückte seine Zufriedenheit aus und antorisirte ihn förmlich, durch seinen authentischen Bericht die vielen Lügen zu widerlegen, die über ihn in Umlauf waren. Schon früher hatte Tieck die mündlichen Erzählungen in anderer Weise ergänzt. Lange beschäftigte ihn der Gedanke,, eine Auswahl des reichhaltigen Briefwechsels herauszugeben, indem er während eines langen lirerarischen Lebens mit den verschiedensten Männern gestanden hatte. In chro¬ nologischer Reihenfolge theilt er seinem Vertrauten die einzelnen Bände zur Durchsicht mit. An jeden wichtigen Brief knüpften sich Erläuterungen und häufig neue Erzählungen. Herr Köpke war anfangs unschlüssig, in welcher Form er diese Blattet'herausgeben sollte; er entschied sich endlich zur Biogra¬ phie. Indem wir die Zweckmäßigkeit dieser Wahl vollkommen anerkennen, haben wir doch eine kleine Ausstellung zu machen. Es kam hier nicht darauf an, eine künstlerische, gewissermaßen novellistische Abrundung zu erzielen, son¬ dern die Authenticität des Materials überall genügend festzustellen. Es wäre daher zweckmäßig gewesen, wo er Excerpte aus den Briefen oder auch aus den gedruckten Novellen gibt, dies zu sagen, nicht erst in den Anmerkungen, son¬ dern sofort im Text. Am wichtigsten für die Kenntniß Tiecks ist der erste Band. Die Mitthei¬ lungen über daS Jugendleben sind sehr ausführlich und machen in Bezug auf seine spätere dichterische Thätigkeit manches deutlich. Der Sohn deS Hand¬ werkers, der auf dem berliner Gymnasium durch seine persönliche Liebens¬ würdigkeit mit Kindern aus den höhern Ständen und durch deren Vermittlung

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/429
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/429>, abgerufen am 06.05.2024.