Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

wünschten doch, daß er auf die Form mehr Mühe verwandt hätte. Eine zweck¬
mäßige Anordnung der staatsrechtlichen Literatur konnte nur in der Weise er¬
folgen, daß der ganze Stoff in die Hauptperioden zerlegt und für fete Periode
die einzelnen Abtheilungen getrennt.wurden. Eine ausführliche Jnhaltscmzeige
und ein Register, welches wir ohnehin jetzt schmerzlich vermissen, hätte dann zu
Orientirung das Uebrige gethan.

Wenn sich diese Uebelstände bei dem allgemeinen Theil des Buchs sehr
fühlbar machen, so ist das bei den eigentlichen Mo nographien, die daraus folgen,
bei weitem weniger der Fall. Diese Monographien enthalten das Slaatsrech-
der Eidgenossenschaft, der vereinigten Staaten von Nordamerika, Großbritanniens
und des deutschen Bundes. Namentlich die letzteren sind mit einer Ausführlich¬
keit und Gründlichkeit behandelt, die nichts zu wünschen übrig läßt, wobei der
Verfasser zugleich die historischen Schriften berücksichtigt, die sich, wenn auch
nur indirect, an die staatsrechtlichen Fragen anlehnen, Den Schluß bildet die
Charakteristik zwölf deutscher Staatsgelehrten: der beiden Moser, Pütter,
Schlözer, Mariens, Klüber, Gentz, Zachariä, Haller, Rotteck, Jarcke und
Eichhorn, in denen sich nicht blos das gesunde Urtheil, sondern auch das erste
Erforderniß einer treffenden Charakteristik, der scharfe Blick für das Wesentliche
geltend macht. Und somit begrüßen wir denn das Buch als eine Bereicherung
der Literatur, sowol in Bezug auf die Kenntniß, als auf die Verbreitung rich¬
tiger Urtheile und Gesinnungen mit Freuden und beschränken die Ausstellungen,
die wir machen mußten, durch die Betrachtung, daß der Verfasser selbst sich über
die formale UnVollkommenheit seines Werks nicht getäuscht hat. -- In dasselbe
Gebiet der Literatur reiht sich ein andres verdienstliches Werk, welches wir
hier gleichfalls hinzufügen, da wir ihm nur eine flüchtige Besprechung widmen
können:


Mensch, Volksleben und Staat. Im natürlichen Zusammenhange. Vom
Präsidenten' Leopold von Morgenstern. 2 Bde. Leipzig, B. Tauch-
nitz. --

Der Zweck des Verfassers ist nicht eine Darstellung der bestehenden Ver¬
hältnisse,, sondern eine Auseinandersetzung dessen, was für die Entwicklung
des vernünftigen Staatslebens wünschenswert!) und nothwendig ist. Allein es
ist nicht im Stil eines Idealisten geschrieben, der seine Wünsche und Hoff¬
nungen über die Wirklichkeit hinwegsetzt, sondern in der ruhigen Weise eines
bewährten Staatsmannes, der in die Wirklichkeit zu sehr eingelebt ist, um ihr
"ndre Forderungen entgegenzubringen, als die sich unmittelbar aus ihr ergeben.
geht von der Individualität des Menschen aus, leitet aus derselben seine
Stellung zur Familie, zur Gemeinde, zur Gesellschaft überhaupt her, entwickelt
dann daraus den Begriff des Staats (das organische Wesen im Volk, dessen


Grenzboten. II. 28

wünschten doch, daß er auf die Form mehr Mühe verwandt hätte. Eine zweck¬
mäßige Anordnung der staatsrechtlichen Literatur konnte nur in der Weise er¬
folgen, daß der ganze Stoff in die Hauptperioden zerlegt und für fete Periode
die einzelnen Abtheilungen getrennt.wurden. Eine ausführliche Jnhaltscmzeige
und ein Register, welches wir ohnehin jetzt schmerzlich vermissen, hätte dann zu
Orientirung das Uebrige gethan.

Wenn sich diese Uebelstände bei dem allgemeinen Theil des Buchs sehr
fühlbar machen, so ist das bei den eigentlichen Mo nographien, die daraus folgen,
bei weitem weniger der Fall. Diese Monographien enthalten das Slaatsrech-
der Eidgenossenschaft, der vereinigten Staaten von Nordamerika, Großbritanniens
und des deutschen Bundes. Namentlich die letzteren sind mit einer Ausführlich¬
keit und Gründlichkeit behandelt, die nichts zu wünschen übrig läßt, wobei der
Verfasser zugleich die historischen Schriften berücksichtigt, die sich, wenn auch
nur indirect, an die staatsrechtlichen Fragen anlehnen, Den Schluß bildet die
Charakteristik zwölf deutscher Staatsgelehrten: der beiden Moser, Pütter,
Schlözer, Mariens, Klüber, Gentz, Zachariä, Haller, Rotteck, Jarcke und
Eichhorn, in denen sich nicht blos das gesunde Urtheil, sondern auch das erste
Erforderniß einer treffenden Charakteristik, der scharfe Blick für das Wesentliche
geltend macht. Und somit begrüßen wir denn das Buch als eine Bereicherung
der Literatur, sowol in Bezug auf die Kenntniß, als auf die Verbreitung rich¬
tiger Urtheile und Gesinnungen mit Freuden und beschränken die Ausstellungen,
die wir machen mußten, durch die Betrachtung, daß der Verfasser selbst sich über
die formale UnVollkommenheit seines Werks nicht getäuscht hat. — In dasselbe
Gebiet der Literatur reiht sich ein andres verdienstliches Werk, welches wir
hier gleichfalls hinzufügen, da wir ihm nur eine flüchtige Besprechung widmen
können:


Mensch, Volksleben und Staat. Im natürlichen Zusammenhange. Vom
Präsidenten' Leopold von Morgenstern. 2 Bde. Leipzig, B. Tauch-
nitz. —

Der Zweck des Verfassers ist nicht eine Darstellung der bestehenden Ver¬
hältnisse,, sondern eine Auseinandersetzung dessen, was für die Entwicklung
des vernünftigen Staatslebens wünschenswert!) und nothwendig ist. Allein es
ist nicht im Stil eines Idealisten geschrieben, der seine Wünsche und Hoff¬
nungen über die Wirklichkeit hinwegsetzt, sondern in der ruhigen Weise eines
bewährten Staatsmannes, der in die Wirklichkeit zu sehr eingelebt ist, um ihr
"ndre Forderungen entgegenzubringen, als die sich unmittelbar aus ihr ergeben.
geht von der Individualität des Menschen aus, leitet aus derselben seine
Stellung zur Familie, zur Gemeinde, zur Gesellschaft überhaupt her, entwickelt
dann daraus den Begriff des Staats (das organische Wesen im Volk, dessen


Grenzboten. II. 28
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0225" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101752"/>
            <p xml:id="ID_557" prev="#ID_556"> wünschten doch, daß er auf die Form mehr Mühe verwandt hätte. Eine zweck¬<lb/>
mäßige Anordnung der staatsrechtlichen Literatur konnte nur in der Weise er¬<lb/>
folgen, daß der ganze Stoff in die Hauptperioden zerlegt und für fete Periode<lb/>
die einzelnen Abtheilungen getrennt.wurden. Eine ausführliche Jnhaltscmzeige<lb/>
und ein Register, welches wir ohnehin jetzt schmerzlich vermissen, hätte dann zu<lb/>
Orientirung das Uebrige gethan.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_558"> Wenn sich diese Uebelstände bei dem allgemeinen Theil des Buchs sehr<lb/>
fühlbar machen, so ist das bei den eigentlichen Mo nographien, die daraus folgen,<lb/>
bei weitem weniger der Fall. Diese Monographien enthalten das Slaatsrech-<lb/>
der Eidgenossenschaft, der vereinigten Staaten von Nordamerika, Großbritanniens<lb/>
und des deutschen Bundes. Namentlich die letzteren sind mit einer Ausführlich¬<lb/>
keit und Gründlichkeit behandelt, die nichts zu wünschen übrig läßt, wobei der<lb/>
Verfasser zugleich die historischen Schriften berücksichtigt, die sich, wenn auch<lb/>
nur indirect, an die staatsrechtlichen Fragen anlehnen, Den Schluß bildet die<lb/>
Charakteristik zwölf deutscher Staatsgelehrten: der beiden Moser, Pütter,<lb/>
Schlözer, Mariens, Klüber, Gentz, Zachariä, Haller, Rotteck, Jarcke und<lb/>
Eichhorn, in denen sich nicht blos das gesunde Urtheil, sondern auch das erste<lb/>
Erforderniß einer treffenden Charakteristik, der scharfe Blick für das Wesentliche<lb/>
geltend macht. Und somit begrüßen wir denn das Buch als eine Bereicherung<lb/>
der Literatur, sowol in Bezug auf die Kenntniß, als auf die Verbreitung rich¬<lb/>
tiger Urtheile und Gesinnungen mit Freuden und beschränken die Ausstellungen,<lb/>
die wir machen mußten, durch die Betrachtung, daß der Verfasser selbst sich über<lb/>
die formale UnVollkommenheit seines Werks nicht getäuscht hat. &#x2014; In dasselbe<lb/>
Gebiet der Literatur reiht sich ein andres verdienstliches Werk, welches wir<lb/>
hier gleichfalls hinzufügen, da wir ihm nur eine flüchtige Besprechung widmen<lb/>
können:</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Mensch, Volksleben und Staat. Im natürlichen Zusammenhange. Vom<lb/>
Präsidenten' Leopold von Morgenstern. 2 Bde. Leipzig, B. Tauch-<lb/>
nitz. &#x2014;</head><lb/>
            <p xml:id="ID_559" next="#ID_560"> Der Zweck des Verfassers ist nicht eine Darstellung der bestehenden Ver¬<lb/>
hältnisse,, sondern eine Auseinandersetzung dessen, was für die Entwicklung<lb/>
des vernünftigen Staatslebens wünschenswert!) und nothwendig ist. Allein es<lb/>
ist nicht im Stil eines Idealisten geschrieben, der seine Wünsche und Hoff¬<lb/>
nungen über die Wirklichkeit hinwegsetzt, sondern in der ruhigen Weise eines<lb/>
bewährten Staatsmannes, der in die Wirklichkeit zu sehr eingelebt ist, um ihr<lb/>
"ndre Forderungen entgegenzubringen, als die sich unmittelbar aus ihr ergeben.<lb/>
geht von der Individualität des Menschen aus, leitet aus derselben seine<lb/>
Stellung zur Familie, zur Gemeinde, zur Gesellschaft überhaupt her, entwickelt<lb/>
dann daraus den Begriff des Staats (das organische Wesen im Volk, dessen</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. II. 28</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0225] wünschten doch, daß er auf die Form mehr Mühe verwandt hätte. Eine zweck¬ mäßige Anordnung der staatsrechtlichen Literatur konnte nur in der Weise er¬ folgen, daß der ganze Stoff in die Hauptperioden zerlegt und für fete Periode die einzelnen Abtheilungen getrennt.wurden. Eine ausführliche Jnhaltscmzeige und ein Register, welches wir ohnehin jetzt schmerzlich vermissen, hätte dann zu Orientirung das Uebrige gethan. Wenn sich diese Uebelstände bei dem allgemeinen Theil des Buchs sehr fühlbar machen, so ist das bei den eigentlichen Mo nographien, die daraus folgen, bei weitem weniger der Fall. Diese Monographien enthalten das Slaatsrech- der Eidgenossenschaft, der vereinigten Staaten von Nordamerika, Großbritanniens und des deutschen Bundes. Namentlich die letzteren sind mit einer Ausführlich¬ keit und Gründlichkeit behandelt, die nichts zu wünschen übrig läßt, wobei der Verfasser zugleich die historischen Schriften berücksichtigt, die sich, wenn auch nur indirect, an die staatsrechtlichen Fragen anlehnen, Den Schluß bildet die Charakteristik zwölf deutscher Staatsgelehrten: der beiden Moser, Pütter, Schlözer, Mariens, Klüber, Gentz, Zachariä, Haller, Rotteck, Jarcke und Eichhorn, in denen sich nicht blos das gesunde Urtheil, sondern auch das erste Erforderniß einer treffenden Charakteristik, der scharfe Blick für das Wesentliche geltend macht. Und somit begrüßen wir denn das Buch als eine Bereicherung der Literatur, sowol in Bezug auf die Kenntniß, als auf die Verbreitung rich¬ tiger Urtheile und Gesinnungen mit Freuden und beschränken die Ausstellungen, die wir machen mußten, durch die Betrachtung, daß der Verfasser selbst sich über die formale UnVollkommenheit seines Werks nicht getäuscht hat. — In dasselbe Gebiet der Literatur reiht sich ein andres verdienstliches Werk, welches wir hier gleichfalls hinzufügen, da wir ihm nur eine flüchtige Besprechung widmen können: Mensch, Volksleben und Staat. Im natürlichen Zusammenhange. Vom Präsidenten' Leopold von Morgenstern. 2 Bde. Leipzig, B. Tauch- nitz. — Der Zweck des Verfassers ist nicht eine Darstellung der bestehenden Ver¬ hältnisse,, sondern eine Auseinandersetzung dessen, was für die Entwicklung des vernünftigen Staatslebens wünschenswert!) und nothwendig ist. Allein es ist nicht im Stil eines Idealisten geschrieben, der seine Wünsche und Hoff¬ nungen über die Wirklichkeit hinwegsetzt, sondern in der ruhigen Weise eines bewährten Staatsmannes, der in die Wirklichkeit zu sehr eingelebt ist, um ihr "ndre Forderungen entgegenzubringen, als die sich unmittelbar aus ihr ergeben. geht von der Individualität des Menschen aus, leitet aus derselben seine Stellung zur Familie, zur Gemeinde, zur Gesellschaft überhaupt her, entwickelt dann daraus den Begriff des Staats (das organische Wesen im Volk, dessen Grenzboten. II. 28

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/225
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/225>, abgerufen am 03.05.2024.