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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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Die Verfassungsfrage im engern Sinn wird die Opposition freilich noch nicht
auseinandertreiben, da grade die ehemaligen Minister sich am nachdrücklichsten gegen
jede jetzt vorzunehmende Abänderung des Bestehenden im Sinne der gegenwärtigen Re¬
gierung ausgesprochen haben. Die Ordnung der königlichen Civilliste und des
ständischen Bewilligungsrechts auch schwerlich, es sei denn daß das Ministerium sich
zu weitgehenden Ablassungen von seinem eignen Entwurf bereit zeigte, um die
Gemäßigtsten an sich zu ziehen. Die peinliche Frage, ob der Stciatsgerichtshof und
die Beschränkung der schwurgerichtlichen Zuständigkeit bei verweigerter Genehmigung
einer einzigen Kammer rechtlich fortbestehen könne, wird voraussichtlich praktische
Bedeutung gewinnen, alsdann die zweite Kammer mit der ersten und mit der Ne¬
gierung entzweien, aber nicht die verschiedenen Parteien der Opposition. Diese
wird dagegen mindestens drei der Exminister von sich abfallen sehen, wenn der
Bericht des sogenannten Schulausschusscs zur Berathung kommt. Diesem Ausschuß
sind zwei Gesetzentwürfe der Negierung zugewiesen worden, von denen der eine
eine finanzielle Verbesserung der Volksschulstellen, der andre die Befreiung der Geist¬
lichen und Lehrer hinsichtlich der von ihnen blos benutzten Grundstücke ihrer Pfrün¬
den von allen öffentlichen Lasten und Diensten an der Stirne trägt, während ihre
gemeinschaftliche geheime Absicht die ist, den Lehrer immer abhängiger von seinem
geistlichen Obern, beide aber, die Geistlichen und die Lehrer, immer unabhängiger
von ihren Gemeinden zu machen. Wie es also mit diesen Vorlagen werden wird,
ist ungemein zweifelhaft. Die Verwirrung aber wird erst angehen, wenn das Bud¬
get mit seinen zahlreichen Anhängseln ans dem stillen Schoße des Finanzausschusses
hervor auf die Tagesordnung der öffentlichen Sitzungen gelangt. Dann werden
Lehzens Tod und Stüves Abwesenheit ihre empfindlichsten Wirkungen äußern, nicht
sowol der mangelnden Sachkenntniß wegen, als weil sie der Kammer keinen aner¬
kannten Führer in Finanzsachen hinterlassen haben, um den sich die rathlose Menge
derjenigen scharen könnte, denen vor eigner Erforschung des Finanzwesens graut.
Zufälligkeiten, und nicht eine feste von Grundsätzen geleitete Mehrheit, werden da¬
her leider wahrscheinlich über die inhaltsschweren Anträge zum Budget, in denen
die wahre Bedeutung der Session liegt, entscheiden.




Literatur.
Kunst. --

Handbuch der höhern 'Kunstindustrie. Für Gewerbtretbende und
Künstler, so wie für Lehranstalten. Umfaßt in Heften die Abbildungen der hervorragendsten
Werke dieses Kunstzweiges aus alter und neuer Zeit. Der Text enthält: die Erklärung
und Kritik der Werke und die daraus abgeleitete Theorie, nebst Anleitung zu eignem
Schaffen von I. H. Wolfs, Professor an der kurfürstl. Akademie der bildenden
Künste zu Cassel. Dritte Lieferung. Göttingen, G. H. Wigand. -- Die vor¬
liegende Lieferung ist die Krone der Leistungen, welche aus diesem ebenso glänzen¬
den als nützlichen Unternehmen hervorgegangen find. Die Auswahl der Gegen¬
stände ist von dem feinsten Geschmack eingegeben, die technische Ausführung meister-


30"°

Die Verfassungsfrage im engern Sinn wird die Opposition freilich noch nicht
auseinandertreiben, da grade die ehemaligen Minister sich am nachdrücklichsten gegen
jede jetzt vorzunehmende Abänderung des Bestehenden im Sinne der gegenwärtigen Re¬
gierung ausgesprochen haben. Die Ordnung der königlichen Civilliste und des
ständischen Bewilligungsrechts auch schwerlich, es sei denn daß das Ministerium sich
zu weitgehenden Ablassungen von seinem eignen Entwurf bereit zeigte, um die
Gemäßigtsten an sich zu ziehen. Die peinliche Frage, ob der Stciatsgerichtshof und
die Beschränkung der schwurgerichtlichen Zuständigkeit bei verweigerter Genehmigung
einer einzigen Kammer rechtlich fortbestehen könne, wird voraussichtlich praktische
Bedeutung gewinnen, alsdann die zweite Kammer mit der ersten und mit der Ne¬
gierung entzweien, aber nicht die verschiedenen Parteien der Opposition. Diese
wird dagegen mindestens drei der Exminister von sich abfallen sehen, wenn der
Bericht des sogenannten Schulausschusscs zur Berathung kommt. Diesem Ausschuß
sind zwei Gesetzentwürfe der Negierung zugewiesen worden, von denen der eine
eine finanzielle Verbesserung der Volksschulstellen, der andre die Befreiung der Geist¬
lichen und Lehrer hinsichtlich der von ihnen blos benutzten Grundstücke ihrer Pfrün¬
den von allen öffentlichen Lasten und Diensten an der Stirne trägt, während ihre
gemeinschaftliche geheime Absicht die ist, den Lehrer immer abhängiger von seinem
geistlichen Obern, beide aber, die Geistlichen und die Lehrer, immer unabhängiger
von ihren Gemeinden zu machen. Wie es also mit diesen Vorlagen werden wird,
ist ungemein zweifelhaft. Die Verwirrung aber wird erst angehen, wenn das Bud¬
get mit seinen zahlreichen Anhängseln ans dem stillen Schoße des Finanzausschusses
hervor auf die Tagesordnung der öffentlichen Sitzungen gelangt. Dann werden
Lehzens Tod und Stüves Abwesenheit ihre empfindlichsten Wirkungen äußern, nicht
sowol der mangelnden Sachkenntniß wegen, als weil sie der Kammer keinen aner¬
kannten Führer in Finanzsachen hinterlassen haben, um den sich die rathlose Menge
derjenigen scharen könnte, denen vor eigner Erforschung des Finanzwesens graut.
Zufälligkeiten, und nicht eine feste von Grundsätzen geleitete Mehrheit, werden da¬
her leider wahrscheinlich über die inhaltsschweren Anträge zum Budget, in denen
die wahre Bedeutung der Session liegt, entscheiden.




Literatur.
Kunst. —

Handbuch der höhern 'Kunstindustrie. Für Gewerbtretbende und
Künstler, so wie für Lehranstalten. Umfaßt in Heften die Abbildungen der hervorragendsten
Werke dieses Kunstzweiges aus alter und neuer Zeit. Der Text enthält: die Erklärung
und Kritik der Werke und die daraus abgeleitete Theorie, nebst Anleitung zu eignem
Schaffen von I. H. Wolfs, Professor an der kurfürstl. Akademie der bildenden
Künste zu Cassel. Dritte Lieferung. Göttingen, G. H. Wigand. — Die vor¬
liegende Lieferung ist die Krone der Leistungen, welche aus diesem ebenso glänzen¬
den als nützlichen Unternehmen hervorgegangen find. Die Auswahl der Gegen¬
stände ist von dem feinsten Geschmack eingegeben, die technische Ausführung meister-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/243>, abgerufen am 04.05.2024.