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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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sen und indisches Meer stellen sich von London aus etwa so: von London nach
Seleucia elf Tage, von dort nach Bassora zwei, von Bassora bis Bombay
sieben, im Ganzen mithin etwa zwanzig Tage.




Die Gefangenschaft einer Königin.

Königin Frtederike von Schweden, geb. Prinzessin von Baden, Memoiren
aus Ihrem Leben, von einer Hofdame. 1836. Frankfurt, Sauerländer. --

Es ist das Leben der Gemahlin deS unglücklichen Gustav Avolph IV.
von Schweden, welches hier anspruchslos und loyal von einer Dame erzählt
wird, welche längere Zeit in dem kleinen Hofstaat der Fürstin lebte und mit
wohlthuender Pietät ihre Herrin im Herzen trägt. Die Erzählerin erscheint,
abgesehen von kleinen adligen Velleitäten, als durchaus wahrhaft und zuver¬
lässig, und auch ihr Wesen, so weit dasselbe in dem Buche hervortritt, macht
einen wohlthuenden Eindruck. Die Fürstin aber, Großmutter der jetzt regie¬
renden Großherzoge von Baden und Oldenburg, ist eine von den klaren und
reinen Gestalten, denen Bewunderung und Mitgefühl Vieler folgen würde,
auch wenn ihre Wiege nicht unter einem Thronhimmel gestanden hätte. Denn
mit sanfter Würde und Ruhe hat sie ein schweres Schicksal getragen, und
was nicht weniger quälend war, als ein großes Leiden, sie hat auch zahllose
kleine Kränkungen und alle die bittern Gefühle überwinden müssen, welche einer
entthronten Königin noch über das Maß allgemeiner Leiden beschert sind. Als
Princeß von Baden in der ersten unschuldigen Jugend dem unbekannten Ge¬
mahl nach Schweden vermählt, sast noch Kind, als sie Mutter wurde, plötzlich
mit roher Hand vom Throne gerissen, eingekerkert und mit ihrem Gemahl aus
Schweden entfernt, hatte sie das Unglück, nach ber Rückkehr in ihr Vaterland
auch die Seele ihres Gemahls zu verlieren, dessen späteres Leben einem dunk¬
len Geschicke verfiel. Seitdem lebte sie pflichtgetreu in stiller Zurückgezogen¬
heit für ihre geliebten Kinder, als Mutter mit unendlicher Sorge an ihre
Zukunft, zumal an die ihres Sohnes denkend. Pflichtgetreu, freundlich und
liebevoll gegen die Menschen, welche in ihren Kreis traten, war sie vornehme
Dame zumeist darin, daß sie ihren Schmerz aller Welt zu verbergen wußte.
Nach ihrem Tode fand man ihr härenes Kopfkissen ganz von Thränen durch¬
drungen und, wie die Hofdame erzählt, bei der Section ihr Herz zusammen¬
gezogen zu der Kleinheit einer Nuß.

Die Biographie enthält manches Interessante und Charakterisirende für
fürstliche Persönlichkeiten und Höfe bis zum Jahr 1826, dem Todesjahr der
Königin. Hier sei die Zeit der Absetzung des Königs und der Gefangenschaft
des königlichen Paares, wie die Königin diese erzählt hat, nach dem Buche
mitgetheilt.--


sen und indisches Meer stellen sich von London aus etwa so: von London nach
Seleucia elf Tage, von dort nach Bassora zwei, von Bassora bis Bombay
sieben, im Ganzen mithin etwa zwanzig Tage.




Die Gefangenschaft einer Königin.

Königin Frtederike von Schweden, geb. Prinzessin von Baden, Memoiren
aus Ihrem Leben, von einer Hofdame. 1836. Frankfurt, Sauerländer. —

Es ist das Leben der Gemahlin deS unglücklichen Gustav Avolph IV.
von Schweden, welches hier anspruchslos und loyal von einer Dame erzählt
wird, welche längere Zeit in dem kleinen Hofstaat der Fürstin lebte und mit
wohlthuender Pietät ihre Herrin im Herzen trägt. Die Erzählerin erscheint,
abgesehen von kleinen adligen Velleitäten, als durchaus wahrhaft und zuver¬
lässig, und auch ihr Wesen, so weit dasselbe in dem Buche hervortritt, macht
einen wohlthuenden Eindruck. Die Fürstin aber, Großmutter der jetzt regie¬
renden Großherzoge von Baden und Oldenburg, ist eine von den klaren und
reinen Gestalten, denen Bewunderung und Mitgefühl Vieler folgen würde,
auch wenn ihre Wiege nicht unter einem Thronhimmel gestanden hätte. Denn
mit sanfter Würde und Ruhe hat sie ein schweres Schicksal getragen, und
was nicht weniger quälend war, als ein großes Leiden, sie hat auch zahllose
kleine Kränkungen und alle die bittern Gefühle überwinden müssen, welche einer
entthronten Königin noch über das Maß allgemeiner Leiden beschert sind. Als
Princeß von Baden in der ersten unschuldigen Jugend dem unbekannten Ge¬
mahl nach Schweden vermählt, sast noch Kind, als sie Mutter wurde, plötzlich
mit roher Hand vom Throne gerissen, eingekerkert und mit ihrem Gemahl aus
Schweden entfernt, hatte sie das Unglück, nach ber Rückkehr in ihr Vaterland
auch die Seele ihres Gemahls zu verlieren, dessen späteres Leben einem dunk¬
len Geschicke verfiel. Seitdem lebte sie pflichtgetreu in stiller Zurückgezogen¬
heit für ihre geliebten Kinder, als Mutter mit unendlicher Sorge an ihre
Zukunft, zumal an die ihres Sohnes denkend. Pflichtgetreu, freundlich und
liebevoll gegen die Menschen, welche in ihren Kreis traten, war sie vornehme
Dame zumeist darin, daß sie ihren Schmerz aller Welt zu verbergen wußte.
Nach ihrem Tode fand man ihr härenes Kopfkissen ganz von Thränen durch¬
drungen und, wie die Hofdame erzählt, bei der Section ihr Herz zusammen¬
gezogen zu der Kleinheit einer Nuß.

Die Biographie enthält manches Interessante und Charakterisirende für
fürstliche Persönlichkeiten und Höfe bis zum Jahr 1826, dem Todesjahr der
Königin. Hier sei die Zeit der Absetzung des Königs und der Gefangenschaft
des königlichen Paares, wie die Königin diese erzählt hat, nach dem Buche
mitgetheilt.—


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/112>, abgerufen am 27.04.2024.