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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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"Am 13. März 1809 begab sich der König von Haga nach Stockholm um
neun Uhr Morgens zum Ministerrathe und ward gefangen genommen. Diese
unglückliche Katastrophe findet sich in der Geschichte jener Zeit ausführlich
berichtet; ich weise darauf hin und kehre zu der unglücklichen Königin zurück.
Als diese Ihren Gemahl zu der gewöhnlichen Stunde Seiner Rückkehr ver¬
gebens erwartete, bemächtigte sich Ihrer eine namenlose Angst. Die War¬
nungen der alten Bäuerin und so viele bedenkliche Eindrücke und Vorfälle
aus der letzten Zeit traten Ihr vor die Seele, Sie ahnte ein großes Unglück
und sann auf Mittel nach Wahrheit, als Ihr ein Adjutant des Herzogs von
Südermanland gemeldet ward. Die Königin zweifelte nun nicht, daß Ihrem
Gemahl ein Unglück zugestoßen sei; Sie war eben von Ihren vier Kindern
umgeben, und den Kronprinzen an der Hand haltend, ließ Sie den Adjutanten
vor. Dieser war sichtlich verwirrt, stotterte mit Mühe den Zweck seiner Sen¬
dung, die Königin mit der am Morgen stattgefundenen Entthronung Ihres
Gemahls bekannt zu machen, und schloß mit der Nachricht, daß die Herzogin
von Südermanland am andern Tage der Königin ihren Besuch machen werde.
Die Königin hörte scheinbar ruhig den Unglücksboden an, erwiederte nicht ein
Wort auf den Zweck seiner Sendung, sondern erkundigte Sich mit Todesangst,
ob der König lebe? AIS der Adjutant dies bejahte, entließ sie ihn mit einer
stummen Bewegung Ihrer Hand und siel dann auf die Knie, Gott zu bitten,
Ihr Kraft und Ergebung in seinen Willen zu verleihen, dem König beizustehen
und größeres Unglück zu verhüten. Dann that Sie das Gelübde, den Fuß
nicht ins Freie zu setzen, als um Sich mit dem König zu vereinigen. Der
damals zehnjährige Kronprinz halte die Erzählung des Adjutanten mir in so weit
verstanden, als es sein zartes Aller zuließ. Die Königliche Mutter suchte Ihm
davon begreiflich zu machen, was Er fassen konnte. Er dagegen suchte Seine
Mutter zu trösten und war liebevoll um Sie beschäftigt. -- Die beiden ältesten
Prinzessinnen weinten, als Sie die Mutter weinen sahen, die jüngste Prinzeß
(Cäcilie), noch nicht zwei Jahre alt, saß auf dem Schoße'der unglücklichen
Mutter und streichelte in Ihrer Unschuld die von Thränen nassen Wangen.
Am Nachmittag deö andern Tages kam die Herzogin zum Besuch. Die beiden
Fürstinnen sielen laut schluchzend Sich einander in die Arme. Bekanntlich hatte
die Herzogin das Betragen Ihres Gemahls in jenen Tagen sehr mißbilligt.
Sie hatte für die Königin eine große Affection und versprach Höchstverselben,
"lies anzuwenden, um Ihren Gemahl zu Gunsten des Königs zu stimmen.
Zugleich bat Sie Ihre Königliche Nichte, den Besuch des Herzogs am andern
Tage zu empfangen, und fügte hinzu: "it'a^e/. pus peur co ,I>ne-; it ü<-siro
Vuus voirl" Worauf die Königin erwiederte: ,Me>t, jo puis t'in't diLN'in^x-
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Andern Tages traf der Herzog ein. -- Die Königin empfing Ihn in Ihrem


Grenzboten. l. t8ö7. 1t

„Am 13. März 1809 begab sich der König von Haga nach Stockholm um
neun Uhr Morgens zum Ministerrathe und ward gefangen genommen. Diese
unglückliche Katastrophe findet sich in der Geschichte jener Zeit ausführlich
berichtet; ich weise darauf hin und kehre zu der unglücklichen Königin zurück.
Als diese Ihren Gemahl zu der gewöhnlichen Stunde Seiner Rückkehr ver¬
gebens erwartete, bemächtigte sich Ihrer eine namenlose Angst. Die War¬
nungen der alten Bäuerin und so viele bedenkliche Eindrücke und Vorfälle
aus der letzten Zeit traten Ihr vor die Seele, Sie ahnte ein großes Unglück
und sann auf Mittel nach Wahrheit, als Ihr ein Adjutant des Herzogs von
Südermanland gemeldet ward. Die Königin zweifelte nun nicht, daß Ihrem
Gemahl ein Unglück zugestoßen sei; Sie war eben von Ihren vier Kindern
umgeben, und den Kronprinzen an der Hand haltend, ließ Sie den Adjutanten
vor. Dieser war sichtlich verwirrt, stotterte mit Mühe den Zweck seiner Sen¬
dung, die Königin mit der am Morgen stattgefundenen Entthronung Ihres
Gemahls bekannt zu machen, und schloß mit der Nachricht, daß die Herzogin
von Südermanland am andern Tage der Königin ihren Besuch machen werde.
Die Königin hörte scheinbar ruhig den Unglücksboden an, erwiederte nicht ein
Wort auf den Zweck seiner Sendung, sondern erkundigte Sich mit Todesangst,
ob der König lebe? AIS der Adjutant dies bejahte, entließ sie ihn mit einer
stummen Bewegung Ihrer Hand und siel dann auf die Knie, Gott zu bitten,
Ihr Kraft und Ergebung in seinen Willen zu verleihen, dem König beizustehen
und größeres Unglück zu verhüten. Dann that Sie das Gelübde, den Fuß
nicht ins Freie zu setzen, als um Sich mit dem König zu vereinigen. Der
damals zehnjährige Kronprinz halte die Erzählung des Adjutanten mir in so weit
verstanden, als es sein zartes Aller zuließ. Die Königliche Mutter suchte Ihm
davon begreiflich zu machen, was Er fassen konnte. Er dagegen suchte Seine
Mutter zu trösten und war liebevoll um Sie beschäftigt. — Die beiden ältesten
Prinzessinnen weinten, als Sie die Mutter weinen sahen, die jüngste Prinzeß
(Cäcilie), noch nicht zwei Jahre alt, saß auf dem Schoße'der unglücklichen
Mutter und streichelte in Ihrer Unschuld die von Thränen nassen Wangen.
Am Nachmittag deö andern Tages kam die Herzogin zum Besuch. Die beiden
Fürstinnen sielen laut schluchzend Sich einander in die Arme. Bekanntlich hatte
die Herzogin das Betragen Ihres Gemahls in jenen Tagen sehr mißbilligt.
Sie hatte für die Königin eine große Affection und versprach Höchstverselben,
«lies anzuwenden, um Ihren Gemahl zu Gunsten des Königs zu stimmen.
Zugleich bat Sie Ihre Königliche Nichte, den Besuch des Herzogs am andern
Tage zu empfangen, und fügte hinzu: „it'a^e/. pus peur co ,I>ne-; it ü<-siro
Vuus voirl" Worauf die Königin erwiederte: ,Me>t, jo puis t'in't diLN'in^x-
l>c>8er ü, 8<Z3 i'L^aräs, wa,is äoutv ins loUuc puissu su^i'vrtvr Jo8 nie-us I"
Andern Tages traf der Herzog ein. — Die Königin empfing Ihn in Ihrem


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[0113] „Am 13. März 1809 begab sich der König von Haga nach Stockholm um neun Uhr Morgens zum Ministerrathe und ward gefangen genommen. Diese unglückliche Katastrophe findet sich in der Geschichte jener Zeit ausführlich berichtet; ich weise darauf hin und kehre zu der unglücklichen Königin zurück. Als diese Ihren Gemahl zu der gewöhnlichen Stunde Seiner Rückkehr ver¬ gebens erwartete, bemächtigte sich Ihrer eine namenlose Angst. Die War¬ nungen der alten Bäuerin und so viele bedenkliche Eindrücke und Vorfälle aus der letzten Zeit traten Ihr vor die Seele, Sie ahnte ein großes Unglück und sann auf Mittel nach Wahrheit, als Ihr ein Adjutant des Herzogs von Südermanland gemeldet ward. Die Königin zweifelte nun nicht, daß Ihrem Gemahl ein Unglück zugestoßen sei; Sie war eben von Ihren vier Kindern umgeben, und den Kronprinzen an der Hand haltend, ließ Sie den Adjutanten vor. Dieser war sichtlich verwirrt, stotterte mit Mühe den Zweck seiner Sen¬ dung, die Königin mit der am Morgen stattgefundenen Entthronung Ihres Gemahls bekannt zu machen, und schloß mit der Nachricht, daß die Herzogin von Südermanland am andern Tage der Königin ihren Besuch machen werde. Die Königin hörte scheinbar ruhig den Unglücksboden an, erwiederte nicht ein Wort auf den Zweck seiner Sendung, sondern erkundigte Sich mit Todesangst, ob der König lebe? AIS der Adjutant dies bejahte, entließ sie ihn mit einer stummen Bewegung Ihrer Hand und siel dann auf die Knie, Gott zu bitten, Ihr Kraft und Ergebung in seinen Willen zu verleihen, dem König beizustehen und größeres Unglück zu verhüten. Dann that Sie das Gelübde, den Fuß nicht ins Freie zu setzen, als um Sich mit dem König zu vereinigen. Der damals zehnjährige Kronprinz halte die Erzählung des Adjutanten mir in so weit verstanden, als es sein zartes Aller zuließ. Die Königliche Mutter suchte Ihm davon begreiflich zu machen, was Er fassen konnte. Er dagegen suchte Seine Mutter zu trösten und war liebevoll um Sie beschäftigt. — Die beiden ältesten Prinzessinnen weinten, als Sie die Mutter weinen sahen, die jüngste Prinzeß (Cäcilie), noch nicht zwei Jahre alt, saß auf dem Schoße'der unglücklichen Mutter und streichelte in Ihrer Unschuld die von Thränen nassen Wangen. Am Nachmittag deö andern Tages kam die Herzogin zum Besuch. Die beiden Fürstinnen sielen laut schluchzend Sich einander in die Arme. Bekanntlich hatte die Herzogin das Betragen Ihres Gemahls in jenen Tagen sehr mißbilligt. Sie hatte für die Königin eine große Affection und versprach Höchstverselben, «lies anzuwenden, um Ihren Gemahl zu Gunsten des Königs zu stimmen. Zugleich bat Sie Ihre Königliche Nichte, den Besuch des Herzogs am andern Tage zu empfangen, und fügte hinzu: „it'a^e/. pus peur co ,I>ne-; it ü<-siro Vuus voirl" Worauf die Königin erwiederte: ,Me>t, jo puis t'in't diLN'in^x- l>c>8er ü, 8<Z3 i'L^aräs, wa,is äoutv ins loUuc puissu su^i'vrtvr Jo8 nie-us I" Andern Tages traf der Herzog ein. — Die Königin empfing Ihn in Ihrem Grenzboten. l. t8ö7. 1t

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/113>, abgerufen am 08.05.2024.