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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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Goethe als Thenterdirector.

Die tüchtige Biographie Goethes von dem Engländer Leo es, deren
deutsche Übersetzung von Freese in den nächsten Nummern dieses Blattes
nähere Besprechung finden wird, hat der Goethegemeinde in Deutschland wie¬
der fühlbar gemacht, daß einige Seiten dieses großen Menschenlebens ver¬
hältnißmäßig noch wenig gewürdigt werden. Und da uns Deutschen durch
einen Fremden das Verdienst genommen ist, die bereits vorhandene Fülle des
biographischen Materials übersichtlich, unbefangen und verständig zusammen¬
zufassen, so mögen wir wenigstens der Verpflichtung nachkommen, die noch
weniger bekannten Seiten von Goethes Wesen ans Licht zu stellen. Freilich
kann das in genügender Weise nur durch die Angehörigen des Dichters ge¬
schehen, welche im Besitz seiner Tagebücher und eines ganzen Archivs von
Briefen und Aufzeichnungen desselben sind; und nächst ihnen nur durch solche,
welche über die Erinnerungen, Traditionen und handschriftlichen Quellen des
weimarischen Kreises zu verfügen vermögen. Sehr wünschenswert!) aber ist,
daß bald etwas Größeres im großen Sinne'unternommen werde, denn immer
mehr verklingen die Erinnerungen, die letzten Zeugen aus der großen Zeit
Weimars scheiden von uns und noch immer wird durch übergroßes Zartgefühl
in den einzelnen Familien werthvolle Korrespondenz aus jener Zeit vernichtet.
Die drei Richtungen aber, in welchen die literarischen Verehrer Goethes sich
letzt noch das größte Verdienst erwerben können, diese lassen sich in folgenden
Aufgaben zusammenfassen: 1) Schilderung Karl Augusts und des weimarischen
Hofes vorzüglich in der lustigen Zeit vor der ersten italienischen Reise; 2) Dar¬
stellung von Goethes praktischer Thätigkeit als Mitglied der weimarischen Ne¬
gierung; 3) eine zusammenhängende Erzählung der Thätigkeit Goethes am
Theater von Weimar. Während für den ersten der angegebenen Stoffe von
maßgebender Stelle Protection und huldvolle Förderung zu hoffen ist, hat dem
Vernehmen nach die Geschichte des weimarischen Theaters in Weimar selbst
den fleißigsten Sammler gesunden, und es ist nur zu wünschen, daß dies Un¬
ternehmen auch für den Buchhandel gedeihen möge. Die Materialien dagegen,
nach denen Goethe als Staatsbeamter geschildert werden könnte, liegen, so viel
wir wissen, noch zum großen Theil unbenutzt in den Ministerialacten versteckt.


Gvcuz^'te", I. >>8ü7. 16
Goethe als Thenterdirector.

Die tüchtige Biographie Goethes von dem Engländer Leo es, deren
deutsche Übersetzung von Freese in den nächsten Nummern dieses Blattes
nähere Besprechung finden wird, hat der Goethegemeinde in Deutschland wie¬
der fühlbar gemacht, daß einige Seiten dieses großen Menschenlebens ver¬
hältnißmäßig noch wenig gewürdigt werden. Und da uns Deutschen durch
einen Fremden das Verdienst genommen ist, die bereits vorhandene Fülle des
biographischen Materials übersichtlich, unbefangen und verständig zusammen¬
zufassen, so mögen wir wenigstens der Verpflichtung nachkommen, die noch
weniger bekannten Seiten von Goethes Wesen ans Licht zu stellen. Freilich
kann das in genügender Weise nur durch die Angehörigen des Dichters ge¬
schehen, welche im Besitz seiner Tagebücher und eines ganzen Archivs von
Briefen und Aufzeichnungen desselben sind; und nächst ihnen nur durch solche,
welche über die Erinnerungen, Traditionen und handschriftlichen Quellen des
weimarischen Kreises zu verfügen vermögen. Sehr wünschenswert!) aber ist,
daß bald etwas Größeres im großen Sinne'unternommen werde, denn immer
mehr verklingen die Erinnerungen, die letzten Zeugen aus der großen Zeit
Weimars scheiden von uns und noch immer wird durch übergroßes Zartgefühl
in den einzelnen Familien werthvolle Korrespondenz aus jener Zeit vernichtet.
Die drei Richtungen aber, in welchen die literarischen Verehrer Goethes sich
letzt noch das größte Verdienst erwerben können, diese lassen sich in folgenden
Aufgaben zusammenfassen: 1) Schilderung Karl Augusts und des weimarischen
Hofes vorzüglich in der lustigen Zeit vor der ersten italienischen Reise; 2) Dar¬
stellung von Goethes praktischer Thätigkeit als Mitglied der weimarischen Ne¬
gierung; 3) eine zusammenhängende Erzählung der Thätigkeit Goethes am
Theater von Weimar. Während für den ersten der angegebenen Stoffe von
maßgebender Stelle Protection und huldvolle Förderung zu hoffen ist, hat dem
Vernehmen nach die Geschichte des weimarischen Theaters in Weimar selbst
den fleißigsten Sammler gesunden, und es ist nur zu wünschen, daß dies Un¬
ternehmen auch für den Buchhandel gedeihen möge. Die Materialien dagegen,
nach denen Goethe als Staatsbeamter geschildert werden könnte, liegen, so viel
wir wissen, noch zum großen Theil unbenutzt in den Ministerialacten versteckt.


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[0129] Goethe als Thenterdirector. Die tüchtige Biographie Goethes von dem Engländer Leo es, deren deutsche Übersetzung von Freese in den nächsten Nummern dieses Blattes nähere Besprechung finden wird, hat der Goethegemeinde in Deutschland wie¬ der fühlbar gemacht, daß einige Seiten dieses großen Menschenlebens ver¬ hältnißmäßig noch wenig gewürdigt werden. Und da uns Deutschen durch einen Fremden das Verdienst genommen ist, die bereits vorhandene Fülle des biographischen Materials übersichtlich, unbefangen und verständig zusammen¬ zufassen, so mögen wir wenigstens der Verpflichtung nachkommen, die noch weniger bekannten Seiten von Goethes Wesen ans Licht zu stellen. Freilich kann das in genügender Weise nur durch die Angehörigen des Dichters ge¬ schehen, welche im Besitz seiner Tagebücher und eines ganzen Archivs von Briefen und Aufzeichnungen desselben sind; und nächst ihnen nur durch solche, welche über die Erinnerungen, Traditionen und handschriftlichen Quellen des weimarischen Kreises zu verfügen vermögen. Sehr wünschenswert!) aber ist, daß bald etwas Größeres im großen Sinne'unternommen werde, denn immer mehr verklingen die Erinnerungen, die letzten Zeugen aus der großen Zeit Weimars scheiden von uns und noch immer wird durch übergroßes Zartgefühl in den einzelnen Familien werthvolle Korrespondenz aus jener Zeit vernichtet. Die drei Richtungen aber, in welchen die literarischen Verehrer Goethes sich letzt noch das größte Verdienst erwerben können, diese lassen sich in folgenden Aufgaben zusammenfassen: 1) Schilderung Karl Augusts und des weimarischen Hofes vorzüglich in der lustigen Zeit vor der ersten italienischen Reise; 2) Dar¬ stellung von Goethes praktischer Thätigkeit als Mitglied der weimarischen Ne¬ gierung; 3) eine zusammenhängende Erzählung der Thätigkeit Goethes am Theater von Weimar. Während für den ersten der angegebenen Stoffe von maßgebender Stelle Protection und huldvolle Förderung zu hoffen ist, hat dem Vernehmen nach die Geschichte des weimarischen Theaters in Weimar selbst den fleißigsten Sammler gesunden, und es ist nur zu wünschen, daß dies Un¬ ternehmen auch für den Buchhandel gedeihen möge. Die Materialien dagegen, nach denen Goethe als Staatsbeamter geschildert werden könnte, liegen, so viel wir wissen, noch zum großen Theil unbenutzt in den Ministerialacten versteckt. Gvcuz^'te», I. >>8ü7. 16

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/129>, abgerufen am 27.04.2024.