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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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Hier und in den nächsten Heften sollen anspruchslos einige kleine Milchn-
lungen über Goethes Administration des Theaters folgen, Auszüge aus den
Theateracten von Weimar, welche die Herausgeber der Güte eines literarischen
Freundes verdanken.

Zunächst werden einige Briefe Goethes an dramatische Dichter, welche
ihm Stücke gesandt hatten, nicht ohne Interesse sein.

Professor Rambach schreibt aus Berlin, 30. September 97.

Eine hochlöbliche Direction ersuche ich mir über das Schicksal des Schauspiels
"der Emigrant", welches ich vor mehren Monaten derselben unter Adresse des
Herrn Geh. R. von Goethe überschickt habe, einige Auskunft zu geben und,
im Fall kein Gebrauch davon gemacht werden kann, mir zurückzusenden.

Darauf schreibt Kirms:

Der Herr Geh. N. von Goethe, an den ich geschrieben, antwortet mir auf
Ihre Anfrage von Zürich unterm 25. October folgender Gestalt: "Bei dem Herrn
Prof. Rambach entschuldigen Sie mich. Wenn er das Stück gleich wieder ver¬
langt, so liegt eS bei Herrn Hofrath Schiller. Es hat sehr viel Gutes
und hat uns helpe sehr interesstrt; es würde auch, wenn es auf das Theater
gebracht würde, wahrscheinlich Effect thun, doch könnte es ohne Veränderungen
nicht aufgeführt werden. Nur haben wir nicht uns selbst getraut sie zu machen,
und es ist auch schwer und weitläufig dem Autor das, was wir desideriren, recht
klar vorzulegen, so daß über dieser Ungewißheit das Ganze hangen geblieben
ist." Wollen Sie nun, daß ich das Stück remittire, so soll eS auf eingegangene
Nachricht sogleich geschehen.

"Allerdings," antwortet Rambach, "wäre mir erwünscht gewesen, das
was ich jetzt erfahre, früher gewußt zu haben, aber noch wünschenswerther
muß eS mir sein, die Bemerkungen eines Goethe und Schiller über das Stück
kennen zu lernen, um bei einem bevorstehenden Drucke davon Gebrauch machen
zu können. Ich sehe ein, daß ich mir zu sehr schmeicheln würde, wenn ich sie
jetzt noch hoffte. Das Stück ist beiden Herrn aus dem Auge und Gedächtniß
gekommen; eine nochmalige Lecture desselben wäre zu viel verlangt, besonders
da Herr von Goethe in der Schweiz und Herr Schiller auf so mancherlei
Art beschäftigt ist. Ich ersuche Sie daher, das Stück von Herrn Hofrath
Schiller zurückzufordern, wenn er nicht etwa von einzelnen Theilen desselben
Gebrauch für sein Journal die Hören machen zu können glaubt. Sind Sie
bei dieser Gelegenheit im Stande dahin zu wirken, baß ich selbst etwas von
jenen Bemerkungen und Desideraten, welche beide Herrn an das Stück machen,
erfahre, so werden Sie mich zu lebhaftem Dank verpflichten. Ich stehe mit
Herrn Schiller in keiner Verbindung, mag ihm nicht durch einen Brief be¬
schwerlich fallen und bin überzeugt, daß Ihr Wort mehr wirken wird als
das meine."


Hier und in den nächsten Heften sollen anspruchslos einige kleine Milchn-
lungen über Goethes Administration des Theaters folgen, Auszüge aus den
Theateracten von Weimar, welche die Herausgeber der Güte eines literarischen
Freundes verdanken.

Zunächst werden einige Briefe Goethes an dramatische Dichter, welche
ihm Stücke gesandt hatten, nicht ohne Interesse sein.

Professor Rambach schreibt aus Berlin, 30. September 97.

Eine hochlöbliche Direction ersuche ich mir über das Schicksal des Schauspiels
„der Emigrant", welches ich vor mehren Monaten derselben unter Adresse des
Herrn Geh. R. von Goethe überschickt habe, einige Auskunft zu geben und,
im Fall kein Gebrauch davon gemacht werden kann, mir zurückzusenden.

Darauf schreibt Kirms:

Der Herr Geh. N. von Goethe, an den ich geschrieben, antwortet mir auf
Ihre Anfrage von Zürich unterm 25. October folgender Gestalt: „Bei dem Herrn
Prof. Rambach entschuldigen Sie mich. Wenn er das Stück gleich wieder ver¬
langt, so liegt eS bei Herrn Hofrath Schiller. Es hat sehr viel Gutes
und hat uns helpe sehr interesstrt; es würde auch, wenn es auf das Theater
gebracht würde, wahrscheinlich Effect thun, doch könnte es ohne Veränderungen
nicht aufgeführt werden. Nur haben wir nicht uns selbst getraut sie zu machen,
und es ist auch schwer und weitläufig dem Autor das, was wir desideriren, recht
klar vorzulegen, so daß über dieser Ungewißheit das Ganze hangen geblieben
ist." Wollen Sie nun, daß ich das Stück remittire, so soll eS auf eingegangene
Nachricht sogleich geschehen.

„Allerdings," antwortet Rambach, „wäre mir erwünscht gewesen, das
was ich jetzt erfahre, früher gewußt zu haben, aber noch wünschenswerther
muß eS mir sein, die Bemerkungen eines Goethe und Schiller über das Stück
kennen zu lernen, um bei einem bevorstehenden Drucke davon Gebrauch machen
zu können. Ich sehe ein, daß ich mir zu sehr schmeicheln würde, wenn ich sie
jetzt noch hoffte. Das Stück ist beiden Herrn aus dem Auge und Gedächtniß
gekommen; eine nochmalige Lecture desselben wäre zu viel verlangt, besonders
da Herr von Goethe in der Schweiz und Herr Schiller auf so mancherlei
Art beschäftigt ist. Ich ersuche Sie daher, das Stück von Herrn Hofrath
Schiller zurückzufordern, wenn er nicht etwa von einzelnen Theilen desselben
Gebrauch für sein Journal die Hören machen zu können glaubt. Sind Sie
bei dieser Gelegenheit im Stande dahin zu wirken, baß ich selbst etwas von
jenen Bemerkungen und Desideraten, welche beide Herrn an das Stück machen,
erfahre, so werden Sie mich zu lebhaftem Dank verpflichten. Ich stehe mit
Herrn Schiller in keiner Verbindung, mag ihm nicht durch einen Brief be¬
schwerlich fallen und bin überzeugt, daß Ihr Wort mehr wirken wird als
das meine."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/130>, abgerufen am 09.05.2024.