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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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heilung, mit lvenigen für dieses Blatt nöthigen Auslassungen und Uebertragungen
nicht geläufiger Wörter, sonst durchaus wortgetreu mitgetheilt:


Das Treiben der fahre nden L ente am Ende des 16. Jahrhunderts.

">Die wandernden Komödianten^ sind in ihren Geberden unhöfliche Esel und
Ruffianer, die sich bedünken lassen, sie haben es gar wohl ausgerichtet, wenn sie
den gemeinen Haufen durch ihre groben Zoten zum Lachen bewegen. Ihre inven-
liones sind so, daß man wol die Kröten damit vergeben möchte, und reimt sich
alles aufeinander, wie eine Faust auf ein Auge; sie fragen nichts darnach, wenn
sie nur pas Geld haben mögen, dazu sie dann genugsam geschliffen und abge¬
richtet sind. Und wenn sie schon bisweilen etwas Grobes beschneiden oder
bemänteln könnten, so lassen sie sich bedünken, sie thäten ihren Sachen kein
Genüge, wenn sie eS nicht auf das allergröbste herausstießen: derohalben die
Comödia und die ganze Ars comica in äußerste Verachtung bei ehrlichen Leuten
gerathen ist, und werden die Herren Komödianten aus etlichen Orten verwiesen,
durch öffentliche Gesetze und Statuten verachtet und von ganzen Gemeinen
verhöhnt und verspottet. Wenn die guten Herren in eine Stadt kommen,
dürfen sie nicht wohl beieinander bleiben, sondern müssen sich in unterschiedliche
Wirthshäuser austheilen, die Frau kommt von Rom, der MagnificuS*) von
Venedig, die Russiana von Padua, der Zani von Bergamo, der Gratianus
von Bologna, und man muß etliche Tage lang umherlaufen, bis man die
Erlaubniß heraus erbettelt, sollen sie anders sich mit solcher ihrer Handthierung
herausbringen und ernähren; da sie doch bei denen, die sie kennen, schwerlich
ankommen können, sintemal jedermann der Unfläther überdrüssig ist, und wo
sie einmal hinkommen, da stinkt es noch eine geraume Zeit nach dem Unflath,
den sie hinter sich lassen.

Wenn sie aber in eine Stadt kommen und ihre Falzen zu halten ist
zugelassen worden, alsdann lassen sie sich mit Trommelschläger und anderm
Feldgeschrei hören, mit Anschlagung, daß diese oder jene Herren Komödianten
.sind angekommen, dann geht die Frau in Mannskleivern der Trommel nach, mit
angegürtetem Degen, und wird daS Volk an allen Orten geladen: "wer eine
schöne Comödiam will sehen, der komme an diesen oder jenen Ort." Dahin dann
das vorwitzige Volk gelaufen kommt, wird um drei oder vier Kreuzer in einen
Hof gelassen, da findet es ein ausgeschlagen Gerüst und ordentliche Seerah;
und da gehet eine herrliche Musica vorher, als wenn ein Haufen Esel zu¬
sammen schrien; da kommt hernach ein Prologus wie ein Storger aufgezogen;
darnach kommen die schönen und übel wohl gezierten Personen, die machen
ein Gekäken daher, baß jedermann schon anfängt die Zeit lang zu werden,
und wenn vielleicht einer lacht, so geschieht solches vielmehr über die Einfalt der



Hier und weiter unter die stehenden Charaktere der alten italienischen Komödie.
Grenzboten. I. 18k>7.

heilung, mit lvenigen für dieses Blatt nöthigen Auslassungen und Uebertragungen
nicht geläufiger Wörter, sonst durchaus wortgetreu mitgetheilt:


Das Treiben der fahre nden L ente am Ende des 16. Jahrhunderts.

„>Die wandernden Komödianten^ sind in ihren Geberden unhöfliche Esel und
Ruffianer, die sich bedünken lassen, sie haben es gar wohl ausgerichtet, wenn sie
den gemeinen Haufen durch ihre groben Zoten zum Lachen bewegen. Ihre inven-
liones sind so, daß man wol die Kröten damit vergeben möchte, und reimt sich
alles aufeinander, wie eine Faust auf ein Auge; sie fragen nichts darnach, wenn
sie nur pas Geld haben mögen, dazu sie dann genugsam geschliffen und abge¬
richtet sind. Und wenn sie schon bisweilen etwas Grobes beschneiden oder
bemänteln könnten, so lassen sie sich bedünken, sie thäten ihren Sachen kein
Genüge, wenn sie eS nicht auf das allergröbste herausstießen: derohalben die
Comödia und die ganze Ars comica in äußerste Verachtung bei ehrlichen Leuten
gerathen ist, und werden die Herren Komödianten aus etlichen Orten verwiesen,
durch öffentliche Gesetze und Statuten verachtet und von ganzen Gemeinen
verhöhnt und verspottet. Wenn die guten Herren in eine Stadt kommen,
dürfen sie nicht wohl beieinander bleiben, sondern müssen sich in unterschiedliche
Wirthshäuser austheilen, die Frau kommt von Rom, der MagnificuS*) von
Venedig, die Russiana von Padua, der Zani von Bergamo, der Gratianus
von Bologna, und man muß etliche Tage lang umherlaufen, bis man die
Erlaubniß heraus erbettelt, sollen sie anders sich mit solcher ihrer Handthierung
herausbringen und ernähren; da sie doch bei denen, die sie kennen, schwerlich
ankommen können, sintemal jedermann der Unfläther überdrüssig ist, und wo
sie einmal hinkommen, da stinkt es noch eine geraume Zeit nach dem Unflath,
den sie hinter sich lassen.

Wenn sie aber in eine Stadt kommen und ihre Falzen zu halten ist
zugelassen worden, alsdann lassen sie sich mit Trommelschläger und anderm
Feldgeschrei hören, mit Anschlagung, daß diese oder jene Herren Komödianten
.sind angekommen, dann geht die Frau in Mannskleivern der Trommel nach, mit
angegürtetem Degen, und wird daS Volk an allen Orten geladen: „wer eine
schöne Comödiam will sehen, der komme an diesen oder jenen Ort." Dahin dann
das vorwitzige Volk gelaufen kommt, wird um drei oder vier Kreuzer in einen
Hof gelassen, da findet es ein ausgeschlagen Gerüst und ordentliche Seerah;
und da gehet eine herrliche Musica vorher, als wenn ein Haufen Esel zu¬
sammen schrien; da kommt hernach ein Prologus wie ein Storger aufgezogen;
darnach kommen die schönen und übel wohl gezierten Personen, die machen
ein Gekäken daher, baß jedermann schon anfängt die Zeit lang zu werden,
und wenn vielleicht einer lacht, so geschieht solches vielmehr über die Einfalt der



Hier und weiter unter die stehenden Charaktere der alten italienischen Komödie.
Grenzboten. I. 18k>7.
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[0521] heilung, mit lvenigen für dieses Blatt nöthigen Auslassungen und Uebertragungen nicht geläufiger Wörter, sonst durchaus wortgetreu mitgetheilt: Das Treiben der fahre nden L ente am Ende des 16. Jahrhunderts. „>Die wandernden Komödianten^ sind in ihren Geberden unhöfliche Esel und Ruffianer, die sich bedünken lassen, sie haben es gar wohl ausgerichtet, wenn sie den gemeinen Haufen durch ihre groben Zoten zum Lachen bewegen. Ihre inven- liones sind so, daß man wol die Kröten damit vergeben möchte, und reimt sich alles aufeinander, wie eine Faust auf ein Auge; sie fragen nichts darnach, wenn sie nur pas Geld haben mögen, dazu sie dann genugsam geschliffen und abge¬ richtet sind. Und wenn sie schon bisweilen etwas Grobes beschneiden oder bemänteln könnten, so lassen sie sich bedünken, sie thäten ihren Sachen kein Genüge, wenn sie eS nicht auf das allergröbste herausstießen: derohalben die Comödia und die ganze Ars comica in äußerste Verachtung bei ehrlichen Leuten gerathen ist, und werden die Herren Komödianten aus etlichen Orten verwiesen, durch öffentliche Gesetze und Statuten verachtet und von ganzen Gemeinen verhöhnt und verspottet. Wenn die guten Herren in eine Stadt kommen, dürfen sie nicht wohl beieinander bleiben, sondern müssen sich in unterschiedliche Wirthshäuser austheilen, die Frau kommt von Rom, der MagnificuS*) von Venedig, die Russiana von Padua, der Zani von Bergamo, der Gratianus von Bologna, und man muß etliche Tage lang umherlaufen, bis man die Erlaubniß heraus erbettelt, sollen sie anders sich mit solcher ihrer Handthierung herausbringen und ernähren; da sie doch bei denen, die sie kennen, schwerlich ankommen können, sintemal jedermann der Unfläther überdrüssig ist, und wo sie einmal hinkommen, da stinkt es noch eine geraume Zeit nach dem Unflath, den sie hinter sich lassen. Wenn sie aber in eine Stadt kommen und ihre Falzen zu halten ist zugelassen worden, alsdann lassen sie sich mit Trommelschläger und anderm Feldgeschrei hören, mit Anschlagung, daß diese oder jene Herren Komödianten .sind angekommen, dann geht die Frau in Mannskleivern der Trommel nach, mit angegürtetem Degen, und wird daS Volk an allen Orten geladen: „wer eine schöne Comödiam will sehen, der komme an diesen oder jenen Ort." Dahin dann das vorwitzige Volk gelaufen kommt, wird um drei oder vier Kreuzer in einen Hof gelassen, da findet es ein ausgeschlagen Gerüst und ordentliche Seerah; und da gehet eine herrliche Musica vorher, als wenn ein Haufen Esel zu¬ sammen schrien; da kommt hernach ein Prologus wie ein Storger aufgezogen; darnach kommen die schönen und übel wohl gezierten Personen, die machen ein Gekäken daher, baß jedermann schon anfängt die Zeit lang zu werden, und wenn vielleicht einer lacht, so geschieht solches vielmehr über die Einfalt der Hier und weiter unter die stehenden Charaktere der alten italienischen Komödie. Grenzboten. I. 18k>7.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/521>, abgerufen am 27.04.2024.