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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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Silber- oder Goldwährung?

Die Frage, ob Deutschland bei der Silberwährung bleiben oder zur Gold¬
währung übergehn solle, ist in letzter Zeit lebhaft erörtert; den Anlaß dazu bot
einmal die wiener Münzconferenz, sodann aber besonders der enge Zusammen,
sang der Valutenfrage mit der Geldkrists. Für die Einführung der Gold¬
währung in Deutschland hat sich besonders Herr Dr. A. Soetbeer in Hamburg
ausgesprochen, er hat in der "Gegenwart" Heft 1i4 und 143 eine Ab¬
handlung veröffentlicht unter dem Titel "Das Gold, eine geschichtliche und
volkswirthschaftliche Skizze" mit dem Motto "Nach Golde drängt, an Golde
hängt doch alles". Das Motto ist gelinde gesagt wunderlich und verfehlt,
der Sinn, in dem der Dichter Gretchen diese Worte sagen läßt, ist über¬
haupt keine Empfehlung der Edelmetalle, und noch weniger hat Goethe daran
gedacht, dadurch dem Golde etwa den Vorzug vor dem Silber zu geben. Die
Abhandlung selbst enthält viel schätzbares Material, ist aber durchweg parteiisch
geschrieben, der Verfasser stellt gleich anfangs den Satz auf, Gold eigne sich
besser als Silber dazu, die Münzeinheit und das allgemeine Werthmaß ab¬
zugeben, und nach dieser Milio pi-meiM formt er die Thatsachen der Geschichte.
Man wird die Abhandlung mit Interesse und Nutzen lesen, aber meist andere
Ergebnisse, als der Verfasser, daraus ziehen. Die theoretische Ergänzung zu
dieser historischen Erörterung hat Herr Soetbeer gegeben in der "Denkschrift,
betreffend die Einführung der Goldwährung in Deutschland mit besonderer
Rücksicht auf die Hamburger Bankvalute, ausgearbeitet im Auftrage der Com¬
merzdeputation in Hamburg, October 1836". Diese Schrift spricht sich ent¬
schieden für den Uebergang zur Goldwährung aus; bedingt pflichtet ihr ein
Gutachten der Handelskammer von Frankfurt bei, welche die Annahme der
Goldwährung neben der Silberwährung empfiehlt. Dagegen haben sich andre
gewichtige Stimmen erhoben, vor allem die deutsche Münzconferenz, welche
sich für die Beibehaltung der Silberwährung entschieden, sodann die viel¬
besprochene Schrift, welche einem Mitgliede des Hamburger Senats zugeschrieben
wird: "Zur Banksrage" in ihrem Anhange "zur Goldfrage", ferner mehre
treffliche Artikel des bremer Handelsblattes und der kölnischen Zeitung. Wir
wollen versuchen, das weitschichtige Material zu sichten und zu einer ruhigen
Prüfung der in Frage stehenden Punkte beizutragen.


Grenzboten, I. 18ö7. 1
Silber- oder Goldwährung?

Die Frage, ob Deutschland bei der Silberwährung bleiben oder zur Gold¬
währung übergehn solle, ist in letzter Zeit lebhaft erörtert; den Anlaß dazu bot
einmal die wiener Münzconferenz, sodann aber besonders der enge Zusammen,
sang der Valutenfrage mit der Geldkrists. Für die Einführung der Gold¬
währung in Deutschland hat sich besonders Herr Dr. A. Soetbeer in Hamburg
ausgesprochen, er hat in der „Gegenwart" Heft 1i4 und 143 eine Ab¬
handlung veröffentlicht unter dem Titel „Das Gold, eine geschichtliche und
volkswirthschaftliche Skizze" mit dem Motto „Nach Golde drängt, an Golde
hängt doch alles". Das Motto ist gelinde gesagt wunderlich und verfehlt,
der Sinn, in dem der Dichter Gretchen diese Worte sagen läßt, ist über¬
haupt keine Empfehlung der Edelmetalle, und noch weniger hat Goethe daran
gedacht, dadurch dem Golde etwa den Vorzug vor dem Silber zu geben. Die
Abhandlung selbst enthält viel schätzbares Material, ist aber durchweg parteiisch
geschrieben, der Verfasser stellt gleich anfangs den Satz auf, Gold eigne sich
besser als Silber dazu, die Münzeinheit und das allgemeine Werthmaß ab¬
zugeben, und nach dieser Milio pi-meiM formt er die Thatsachen der Geschichte.
Man wird die Abhandlung mit Interesse und Nutzen lesen, aber meist andere
Ergebnisse, als der Verfasser, daraus ziehen. Die theoretische Ergänzung zu
dieser historischen Erörterung hat Herr Soetbeer gegeben in der „Denkschrift,
betreffend die Einführung der Goldwährung in Deutschland mit besonderer
Rücksicht auf die Hamburger Bankvalute, ausgearbeitet im Auftrage der Com¬
merzdeputation in Hamburg, October 1836". Diese Schrift spricht sich ent¬
schieden für den Uebergang zur Goldwährung aus; bedingt pflichtet ihr ein
Gutachten der Handelskammer von Frankfurt bei, welche die Annahme der
Goldwährung neben der Silberwährung empfiehlt. Dagegen haben sich andre
gewichtige Stimmen erhoben, vor allem die deutsche Münzconferenz, welche
sich für die Beibehaltung der Silberwährung entschieden, sodann die viel¬
besprochene Schrift, welche einem Mitgliede des Hamburger Senats zugeschrieben
wird: „Zur Banksrage" in ihrem Anhange „zur Goldfrage", ferner mehre
treffliche Artikel des bremer Handelsblattes und der kölnischen Zeitung. Wir
wollen versuchen, das weitschichtige Material zu sichten und zu einer ruhigen
Prüfung der in Frage stehenden Punkte beizutragen.


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[0009] Silber- oder Goldwährung? Die Frage, ob Deutschland bei der Silberwährung bleiben oder zur Gold¬ währung übergehn solle, ist in letzter Zeit lebhaft erörtert; den Anlaß dazu bot einmal die wiener Münzconferenz, sodann aber besonders der enge Zusammen, sang der Valutenfrage mit der Geldkrists. Für die Einführung der Gold¬ währung in Deutschland hat sich besonders Herr Dr. A. Soetbeer in Hamburg ausgesprochen, er hat in der „Gegenwart" Heft 1i4 und 143 eine Ab¬ handlung veröffentlicht unter dem Titel „Das Gold, eine geschichtliche und volkswirthschaftliche Skizze" mit dem Motto „Nach Golde drängt, an Golde hängt doch alles". Das Motto ist gelinde gesagt wunderlich und verfehlt, der Sinn, in dem der Dichter Gretchen diese Worte sagen läßt, ist über¬ haupt keine Empfehlung der Edelmetalle, und noch weniger hat Goethe daran gedacht, dadurch dem Golde etwa den Vorzug vor dem Silber zu geben. Die Abhandlung selbst enthält viel schätzbares Material, ist aber durchweg parteiisch geschrieben, der Verfasser stellt gleich anfangs den Satz auf, Gold eigne sich besser als Silber dazu, die Münzeinheit und das allgemeine Werthmaß ab¬ zugeben, und nach dieser Milio pi-meiM formt er die Thatsachen der Geschichte. Man wird die Abhandlung mit Interesse und Nutzen lesen, aber meist andere Ergebnisse, als der Verfasser, daraus ziehen. Die theoretische Ergänzung zu dieser historischen Erörterung hat Herr Soetbeer gegeben in der „Denkschrift, betreffend die Einführung der Goldwährung in Deutschland mit besonderer Rücksicht auf die Hamburger Bankvalute, ausgearbeitet im Auftrage der Com¬ merzdeputation in Hamburg, October 1836". Diese Schrift spricht sich ent¬ schieden für den Uebergang zur Goldwährung aus; bedingt pflichtet ihr ein Gutachten der Handelskammer von Frankfurt bei, welche die Annahme der Goldwährung neben der Silberwährung empfiehlt. Dagegen haben sich andre gewichtige Stimmen erhoben, vor allem die deutsche Münzconferenz, welche sich für die Beibehaltung der Silberwährung entschieden, sodann die viel¬ besprochene Schrift, welche einem Mitgliede des Hamburger Senats zugeschrieben wird: „Zur Banksrage" in ihrem Anhange „zur Goldfrage", ferner mehre treffliche Artikel des bremer Handelsblattes und der kölnischen Zeitung. Wir wollen versuchen, das weitschichtige Material zu sichten und zu einer ruhigen Prüfung der in Frage stehenden Punkte beizutragen. Grenzboten, I. 18ö7. 1

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/9>, abgerufen am 27.04.2024.