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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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Es ist daher sehr thöricht, jede neue astronomische, physikalische oder geologische
Theorie immer wieder in die Schöpfungsgeschichte hineinpressen zu wollen und
dadurch die Religion von den Streitigkeiten auf dem Katheder abhängig zu
machen. Der religiösen Empfindung genügt die mosaische Schöpfungsgeschichte,
wie sie ist (nicht wie sie Wagner und Genossen machen wollen) vollkommen.
Sie ist kein kindisches Märchen, worüber man spotten könnte, sondern eine tiefe
und ergreifende religiöse Poesie, und sie besitzt dieselbe innere Wahrheit, wie
jede wahre Poesie.




Literatur.
Neue Reisclitemtur.

-- Aus Amerika. Erfahrungen. Reisen und Studien von
Julius Fröbel. Erster Band. Leipzig, I. I. Weber. -- Gute Bildung, achtungswerthe
Gesinnung, ein bisweilen recht glücklicher Humor, frische treue Farben zur Schilderung
von Dingen und Menschen und eine ziemlich scharfe Beobachtungsgabe wirken zusammen,
um diesem Buche einen hervorragenden Rang unter der neuesten Literatur über
Amerika zu sichern. Der Eintritt gebildeter Deutschen in das amerikanische Treiben
ist selten von guten Folgen für sie gewesen. Die einen wurden zu unbedingten
Verherrlichen, der "Musterrcpublik." Andere und zwar die meisten, fühlten sich so
abgestoßen, daß sie auch das Weiße für Schwarz ansahen, verzweifelten, klagten und
schimpften. Viele gingen im Parteiwesen, einige anch in dem Schmuz des gemeinen
Egoismus unter. Wenige behielten einen klaren Blick, ein unparteiisches Urtheil,
sehr wenige heitere Laune. Fröbel ist durch seine gute Natur und seine Bildung
vor solchen Verlusten bewahrt worden. Er hat Gelegenheit gehabt, auch die bessere
Gesellschaft des Nordens kennen zu lernen, er hat die Hauptfragen, um die es sich
in den Vereinigten Staaten handelt, gründlich studirt und erwogen. Er hat uns ein sehr
verständiges, mir etwas z" weit ausholendes Urtheil über die Sklaverei, eine dan-
kenswerthe, nur bisweilen etwas zu doctrinäre Darstellung des Parteiwesens, an¬
schauliche Bilder aus Virginien und eine Schilderung der Natur und der Menschen
in Centralamerika geliefert, die vielleicht die beste'ist, welche bisher geschrieben wurde
und mit der das schcrzersche Buch über denselben Gegenstand keinen Vergleich aushält.
Wir behalten uns vor, in einem der nächste" Hefte der Grenzboten einige Auszüge
M geben, die sich aus die für uns interessantesten Gegenstände: Sklaverei und
Parteiwesen beziehen, und empfehlen inzwischen das Werk angelegentlich. --

Aus und über Italien. Briefe an eine Freundin von H. Schlüter. Erster
Band. Hannover. Karl Ninnplcr. - Dieser erste Theil enthält im Wesentlichen die
Resultate der Beobachtungen des Verfassers während eines Aufenthalts in Venedig,
welcher von Anfang October 1835 bis gegen Ende April 1856 dauerte. Der Ver¬
fasser hat sich in dieser Zeit fleißig umgesehen unter den Bildern der Kunst wie
"uter den lebendigen Bildern in den Straßen und in den Häusern. Er hat zu den
"stern ein gutes Verständniß und die Liebe mitgebracht, die sich auch in das Detail
versenkt, zu den zweiten Unbefangenheit, humanen Sinn und Freude an dem, was


Es ist daher sehr thöricht, jede neue astronomische, physikalische oder geologische
Theorie immer wieder in die Schöpfungsgeschichte hineinpressen zu wollen und
dadurch die Religion von den Streitigkeiten auf dem Katheder abhängig zu
machen. Der religiösen Empfindung genügt die mosaische Schöpfungsgeschichte,
wie sie ist (nicht wie sie Wagner und Genossen machen wollen) vollkommen.
Sie ist kein kindisches Märchen, worüber man spotten könnte, sondern eine tiefe
und ergreifende religiöse Poesie, und sie besitzt dieselbe innere Wahrheit, wie
jede wahre Poesie.




Literatur.
Neue Reisclitemtur.

— Aus Amerika. Erfahrungen. Reisen und Studien von
Julius Fröbel. Erster Band. Leipzig, I. I. Weber. — Gute Bildung, achtungswerthe
Gesinnung, ein bisweilen recht glücklicher Humor, frische treue Farben zur Schilderung
von Dingen und Menschen und eine ziemlich scharfe Beobachtungsgabe wirken zusammen,
um diesem Buche einen hervorragenden Rang unter der neuesten Literatur über
Amerika zu sichern. Der Eintritt gebildeter Deutschen in das amerikanische Treiben
ist selten von guten Folgen für sie gewesen. Die einen wurden zu unbedingten
Verherrlichen, der „Musterrcpublik." Andere und zwar die meisten, fühlten sich so
abgestoßen, daß sie auch das Weiße für Schwarz ansahen, verzweifelten, klagten und
schimpften. Viele gingen im Parteiwesen, einige anch in dem Schmuz des gemeinen
Egoismus unter. Wenige behielten einen klaren Blick, ein unparteiisches Urtheil,
sehr wenige heitere Laune. Fröbel ist durch seine gute Natur und seine Bildung
vor solchen Verlusten bewahrt worden. Er hat Gelegenheit gehabt, auch die bessere
Gesellschaft des Nordens kennen zu lernen, er hat die Hauptfragen, um die es sich
in den Vereinigten Staaten handelt, gründlich studirt und erwogen. Er hat uns ein sehr
verständiges, mir etwas z» weit ausholendes Urtheil über die Sklaverei, eine dan-
kenswerthe, nur bisweilen etwas zu doctrinäre Darstellung des Parteiwesens, an¬
schauliche Bilder aus Virginien und eine Schilderung der Natur und der Menschen
in Centralamerika geliefert, die vielleicht die beste'ist, welche bisher geschrieben wurde
und mit der das schcrzersche Buch über denselben Gegenstand keinen Vergleich aushält.
Wir behalten uns vor, in einem der nächste» Hefte der Grenzboten einige Auszüge
M geben, die sich aus die für uns interessantesten Gegenstände: Sklaverei und
Parteiwesen beziehen, und empfehlen inzwischen das Werk angelegentlich. —

Aus und über Italien. Briefe an eine Freundin von H. Schlüter. Erster
Band. Hannover. Karl Ninnplcr. - Dieser erste Theil enthält im Wesentlichen die
Resultate der Beobachtungen des Verfassers während eines Aufenthalts in Venedig,
welcher von Anfang October 1835 bis gegen Ende April 1856 dauerte. Der Ver¬
fasser hat sich in dieser Zeit fleißig umgesehen unter den Bildern der Kunst wie
«uter den lebendigen Bildern in den Straßen und in den Häusern. Er hat zu den
"stern ein gutes Verständniß und die Liebe mitgebracht, die sich auch in das Detail
versenkt, zu den zweiten Unbefangenheit, humanen Sinn und Freude an dem, was


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/207>, abgerufen am 05.05.2024.