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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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aber selbst die des Landbaus noch nicht genügend, ebensowenig die der meisten
Handarbeiter und Fabrikthätigkeiten. 81in wenigsten aber ist es den Gelehrten
bis jetzt gelungen, die sprachebildenden Triebe unseres Volkes und sein eigen¬
thümliches Verständniß der Sprache zu analysiren, fast nur Schmeller hat
darin gearbeitet. Es würde bei größerer Aufmerksamkeit auf den Gebrauch
der Sprache durch das Volk unter vielem andern sich ergeben, daß das Volk
die Wörter und Sätze noch viel concreter und sinnlicher deutet als wir, daß
von vielen Abstracten noch sehr alterthümliche und farbenreichere Nüancen
der Bedeutung jetzt wirklich leben, und daß die Sprache der naiven in Scherz
und Ernst sowol ein fremdartiges Behagen, als eine Kraft besitzt, welche in
Wortspielen, Scherzreden, Sprüchwörtern, kurzem epigrammatischem Ausdruck
fortwährend reich und schöpferisch hinströmt, und auf die Fortbildung unserer
Schriftsprache einen kräftigen Einfluß zu üben berechtigt ist. Wer seine
Muttersprache so betrachtet, dem wird sie als ein unermeßliches, lebendiges Ge¬
bilde der Volksseele erscheinen, welches immer wieder neue Bildungen nach
innern Gesetzen hervoruft, so daß ihr Weben und Schaffen in und über dem
Einzelnen einer lebhaften Empfindung wol als geisterhaft und unbegreiflich
entgegentreten kann. Es gehört zu den größten Verdiensten des Riesen¬
werkes der Brüder Grimm, daß dasselbe in weiten Kreisen ein solches Ver¬
ständniß der Sprache und ihres geistigen Lebens befördert.

Auch das vorliegende Heft ist durch Wilhelm Grimm mit der aus¬
führlichen Sorgfalt, welche ihn auszeichnet, durchgearbeitet. Ein schöner, fast
überreicher Schatz von Citaten aus den Schriftstellern von vier Jahrhunderten
führt dem Leser fortwährend Erinnerungen an die verschiedensten Geister
deutscher Nation in das Herz. Möge recht bald uns die Fortsetzung werden,
den Herausgebern aber die Freude, noch die Vollendung der größten Arbeit,
welche sie für das deutsche Volk unternommen, zu genießen.




Literatur.

Walkers Expedition nach Nicaragua und der centralam crikani-
sche Krieg. Von William V. Walls. Ans dem Englischen mit einem Porträt
Walkers und einer Karte. Braunschweig. Verlag der Schulbuchhandlung,
Der Verfasser ist ein Bürger der Vereinigten Staaten, und man hört in ihm
einen Vertheidiger des "Flibustiers" und seiner Maßregeln. Man mag sein Buch
nach der Regel -uuluttur v>> "leve-i i>uis lesen. Ueherzeugcn wird es von der Gerech¬
tigkeit der Sache Walkers niemand. Es verfolgt'den Krieg übrigens nur bis zum
April vorigen Jahres, wo man im Norden noch hoffen konnte, die Banden Walkers
würden das Feld behalten. --




Verantwortlicher Redacteur: v. Moritz Busch. Verlag von F. L. Hcrg
in Leipzig.
Druck von C. E. Elvert in Leipzig.

aber selbst die des Landbaus noch nicht genügend, ebensowenig die der meisten
Handarbeiter und Fabrikthätigkeiten. 81in wenigsten aber ist es den Gelehrten
bis jetzt gelungen, die sprachebildenden Triebe unseres Volkes und sein eigen¬
thümliches Verständniß der Sprache zu analysiren, fast nur Schmeller hat
darin gearbeitet. Es würde bei größerer Aufmerksamkeit auf den Gebrauch
der Sprache durch das Volk unter vielem andern sich ergeben, daß das Volk
die Wörter und Sätze noch viel concreter und sinnlicher deutet als wir, daß
von vielen Abstracten noch sehr alterthümliche und farbenreichere Nüancen
der Bedeutung jetzt wirklich leben, und daß die Sprache der naiven in Scherz
und Ernst sowol ein fremdartiges Behagen, als eine Kraft besitzt, welche in
Wortspielen, Scherzreden, Sprüchwörtern, kurzem epigrammatischem Ausdruck
fortwährend reich und schöpferisch hinströmt, und auf die Fortbildung unserer
Schriftsprache einen kräftigen Einfluß zu üben berechtigt ist. Wer seine
Muttersprache so betrachtet, dem wird sie als ein unermeßliches, lebendiges Ge¬
bilde der Volksseele erscheinen, welches immer wieder neue Bildungen nach
innern Gesetzen hervoruft, so daß ihr Weben und Schaffen in und über dem
Einzelnen einer lebhaften Empfindung wol als geisterhaft und unbegreiflich
entgegentreten kann. Es gehört zu den größten Verdiensten des Riesen¬
werkes der Brüder Grimm, daß dasselbe in weiten Kreisen ein solches Ver¬
ständniß der Sprache und ihres geistigen Lebens befördert.

Auch das vorliegende Heft ist durch Wilhelm Grimm mit der aus¬
führlichen Sorgfalt, welche ihn auszeichnet, durchgearbeitet. Ein schöner, fast
überreicher Schatz von Citaten aus den Schriftstellern von vier Jahrhunderten
führt dem Leser fortwährend Erinnerungen an die verschiedensten Geister
deutscher Nation in das Herz. Möge recht bald uns die Fortsetzung werden,
den Herausgebern aber die Freude, noch die Vollendung der größten Arbeit,
welche sie für das deutsche Volk unternommen, zu genießen.




Literatur.

Walkers Expedition nach Nicaragua und der centralam crikani-
sche Krieg. Von William V. Walls. Ans dem Englischen mit einem Porträt
Walkers und einer Karte. Braunschweig. Verlag der Schulbuchhandlung,
Der Verfasser ist ein Bürger der Vereinigten Staaten, und man hört in ihm
einen Vertheidiger des „Flibustiers" und seiner Maßregeln. Man mag sein Buch
nach der Regel -uuluttur v>> »leve-i i>uis lesen. Ueherzeugcn wird es von der Gerech¬
tigkeit der Sache Walkers niemand. Es verfolgt'den Krieg übrigens nur bis zum
April vorigen Jahres, wo man im Norden noch hoffen konnte, die Banden Walkers
würden das Feld behalten. —




Verantwortlicher Redacteur: v. Moritz Busch. Verlag von F. L. Hcrg
in Leipzig.
Druck von C. E. Elvert in Leipzig.
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[0248] aber selbst die des Landbaus noch nicht genügend, ebensowenig die der meisten Handarbeiter und Fabrikthätigkeiten. 81in wenigsten aber ist es den Gelehrten bis jetzt gelungen, die sprachebildenden Triebe unseres Volkes und sein eigen¬ thümliches Verständniß der Sprache zu analysiren, fast nur Schmeller hat darin gearbeitet. Es würde bei größerer Aufmerksamkeit auf den Gebrauch der Sprache durch das Volk unter vielem andern sich ergeben, daß das Volk die Wörter und Sätze noch viel concreter und sinnlicher deutet als wir, daß von vielen Abstracten noch sehr alterthümliche und farbenreichere Nüancen der Bedeutung jetzt wirklich leben, und daß die Sprache der naiven in Scherz und Ernst sowol ein fremdartiges Behagen, als eine Kraft besitzt, welche in Wortspielen, Scherzreden, Sprüchwörtern, kurzem epigrammatischem Ausdruck fortwährend reich und schöpferisch hinströmt, und auf die Fortbildung unserer Schriftsprache einen kräftigen Einfluß zu üben berechtigt ist. Wer seine Muttersprache so betrachtet, dem wird sie als ein unermeßliches, lebendiges Ge¬ bilde der Volksseele erscheinen, welches immer wieder neue Bildungen nach innern Gesetzen hervoruft, so daß ihr Weben und Schaffen in und über dem Einzelnen einer lebhaften Empfindung wol als geisterhaft und unbegreiflich entgegentreten kann. Es gehört zu den größten Verdiensten des Riesen¬ werkes der Brüder Grimm, daß dasselbe in weiten Kreisen ein solches Ver¬ ständniß der Sprache und ihres geistigen Lebens befördert. Auch das vorliegende Heft ist durch Wilhelm Grimm mit der aus¬ führlichen Sorgfalt, welche ihn auszeichnet, durchgearbeitet. Ein schöner, fast überreicher Schatz von Citaten aus den Schriftstellern von vier Jahrhunderten führt dem Leser fortwährend Erinnerungen an die verschiedensten Geister deutscher Nation in das Herz. Möge recht bald uns die Fortsetzung werden, den Herausgebern aber die Freude, noch die Vollendung der größten Arbeit, welche sie für das deutsche Volk unternommen, zu genießen. Literatur. Walkers Expedition nach Nicaragua und der centralam crikani- sche Krieg. Von William V. Walls. Ans dem Englischen mit einem Porträt Walkers und einer Karte. Braunschweig. Verlag der Schulbuchhandlung, Der Verfasser ist ein Bürger der Vereinigten Staaten, und man hört in ihm einen Vertheidiger des „Flibustiers" und seiner Maßregeln. Man mag sein Buch nach der Regel -uuluttur v>> »leve-i i>uis lesen. Ueherzeugcn wird es von der Gerech¬ tigkeit der Sache Walkers niemand. Es verfolgt'den Krieg übrigens nur bis zum April vorigen Jahres, wo man im Norden noch hoffen konnte, die Banden Walkers würden das Feld behalten. — Verantwortlicher Redacteur: v. Moritz Busch. Verlag von F. L. Hcrg in Leipzig. Druck von C. E. Elvert in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/248>, abgerufen am 30.04.2024.