Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

den Markt seiner Colonien. Es überläßt den übrigen Regierungen, nament¬
lich der französischen, die Verantwortlichkeit, in ihren Ländern das Schutzzoll¬
system mit allen seinen Nachtheilen für die Entwicklung des Nationalreichthums
und für den Fortschritt des VolkSglücks, mit- seinem verderblichen Einfluß auf
die Ursachen der öffentlichen Ordnung fortzusetzen. England, dessen Handlungs¬
weise so oft eine egoistische genannt worden ist, hat in der Handelsfreiheit
eine wahrhaft uneigennützige und großartige Politik befolgt, wie sie äußerst selten
gefunden wird, es hat an sich selbst mit lobenswerthem Muthe ein mühevolles
Experiment vollzogen, dessen Erfolg zwar von der Theorie verkündet wurde,
aber durch die Praxis widerlegt werden konnte.




Korrespondenzen.

-- Gestern'fand im hiesigen Hoftheater das üb¬
liche Concert zum Besten der Pensionskasse des Sängerchors statt. Franz Liszt,
einer an ihn gestellten Einladung folgend, war von Weimar herübergekommen
und das ihm seit Langem fremd gewordene dresdner Publicum drängte- sich mit
Neugier zu der angekündigten Aufführung. Um zwei Orchestercompositioneu han¬
delte sichs dies Mal. Der Theaterzettel verkündigte als ersten Theil: Prome¬
theus, symphonische Dichtung und Chöre zu Herders dramatischen Scenen; als
Zweiten: Symphonie zu Dantes Divina Commedia, und zwar: -I) die Holle (mit
der Episode der Francesca da Rimini, 2) das Fegfeuer (mit dem Schlußchor: Mag-
nificat Anima mea Dominum).

Am Tage der Aufführung wurde mit der constitutionellen Zeitung ein Bei¬
blatt von dem halben Umfange jeuer Zeitung ausgegeben. Der nicht unterzeich¬
nete Verfasser des Beiblattes benachrichtigt das Publicum: beide Tonwerke seien
noch Manuscript, und es fehle ihnen noch das erläuternde Programm, mit welchem
^er Componist sonst seiue frühern Compositionen zu begleiten pflegte. In Erman¬
gelung dieses Programms gibt er den Wortlaut eines Vorworts von Liszt wieder,
welches die im Stich bereits erschienene Prome-thcnsvuvcrture in das Verständniß
der Hörer einzuführen bestimmt war. "Es genügte," sagt Liszt in diesem Vor¬
wort "i" Musik die Stimmungen aufgehen zu lassen, welche unter 'den ver¬
schiedenen, wechselnden Formen des Mythus seine Wesenheit, gleichsam seine Seele,
bilden: Kühnheit. Leiden, Ausharren, Erlösung -- kühnes Hinanstrcbe" nach den
höchsten Zielen, welche dem menschlichen Geiste erreichbar scheinen, Schaffensdrang,
Thätigkeitstrieb. - - . Sündentilgcnde Schmerzen, welche unablässig an dem Le¬
bensnerv unseres Daseins nagen. ohne es zu zerstören; Verurtheilung, angeschmie-
det zu sein an den öden Uferfelsen unserer irdischen, Natur'; Angstrufe und Thra¬
nn aus unserm Herzensblut .... Aber ein unentreißbarcs Bewußtsein angeborner
^röße ,c. !c." Und schließlich: "Ein tiefer Schmerz, der durch trotzbictcndcs Aus.
^rren trtumphirt, bildet den musikalischen Charakter dieser Vorlage." Diese Worte


Grenzboten IV. 18L7. Hg

den Markt seiner Colonien. Es überläßt den übrigen Regierungen, nament¬
lich der französischen, die Verantwortlichkeit, in ihren Ländern das Schutzzoll¬
system mit allen seinen Nachtheilen für die Entwicklung des Nationalreichthums
und für den Fortschritt des VolkSglücks, mit- seinem verderblichen Einfluß auf
die Ursachen der öffentlichen Ordnung fortzusetzen. England, dessen Handlungs¬
weise so oft eine egoistische genannt worden ist, hat in der Handelsfreiheit
eine wahrhaft uneigennützige und großartige Politik befolgt, wie sie äußerst selten
gefunden wird, es hat an sich selbst mit lobenswerthem Muthe ein mühevolles
Experiment vollzogen, dessen Erfolg zwar von der Theorie verkündet wurde,
aber durch die Praxis widerlegt werden konnte.




Korrespondenzen.

— Gestern'fand im hiesigen Hoftheater das üb¬
liche Concert zum Besten der Pensionskasse des Sängerchors statt. Franz Liszt,
einer an ihn gestellten Einladung folgend, war von Weimar herübergekommen
und das ihm seit Langem fremd gewordene dresdner Publicum drängte- sich mit
Neugier zu der angekündigten Aufführung. Um zwei Orchestercompositioneu han¬
delte sichs dies Mal. Der Theaterzettel verkündigte als ersten Theil: Prome¬
theus, symphonische Dichtung und Chöre zu Herders dramatischen Scenen; als
Zweiten: Symphonie zu Dantes Divina Commedia, und zwar: -I) die Holle (mit
der Episode der Francesca da Rimini, 2) das Fegfeuer (mit dem Schlußchor: Mag-
nificat Anima mea Dominum).

Am Tage der Aufführung wurde mit der constitutionellen Zeitung ein Bei¬
blatt von dem halben Umfange jeuer Zeitung ausgegeben. Der nicht unterzeich¬
nete Verfasser des Beiblattes benachrichtigt das Publicum: beide Tonwerke seien
noch Manuscript, und es fehle ihnen noch das erläuternde Programm, mit welchem
^er Componist sonst seiue frühern Compositionen zu begleiten pflegte. In Erman¬
gelung dieses Programms gibt er den Wortlaut eines Vorworts von Liszt wieder,
welches die im Stich bereits erschienene Prome-thcnsvuvcrture in das Verständniß
der Hörer einzuführen bestimmt war. „Es genügte," sagt Liszt in diesem Vor¬
wort „i„ Musik die Stimmungen aufgehen zu lassen, welche unter 'den ver¬
schiedenen, wechselnden Formen des Mythus seine Wesenheit, gleichsam seine Seele,
bilden: Kühnheit. Leiden, Ausharren, Erlösung — kühnes Hinanstrcbe» nach den
höchsten Zielen, welche dem menschlichen Geiste erreichbar scheinen, Schaffensdrang,
Thätigkeitstrieb. - - . Sündentilgcnde Schmerzen, welche unablässig an dem Le¬
bensnerv unseres Daseins nagen. ohne es zu zerstören; Verurtheilung, angeschmie-
det zu sein an den öden Uferfelsen unserer irdischen, Natur'; Angstrufe und Thra¬
nn aus unserm Herzensblut .... Aber ein unentreißbarcs Bewußtsein angeborner
^röße ,c. !c." Und schließlich: „Ein tiefer Schmerz, der durch trotzbictcndcs Aus.
^rren trtumphirt, bildet den musikalischen Charakter dieser Vorlage." Diese Worte


Grenzboten IV. 18L7. Hg
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0321" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105056"/>
          <p xml:id="ID_913" prev="#ID_912"> den Markt seiner Colonien. Es überläßt den übrigen Regierungen, nament¬<lb/>
lich der französischen, die Verantwortlichkeit, in ihren Ländern das Schutzzoll¬<lb/>
system mit allen seinen Nachtheilen für die Entwicklung des Nationalreichthums<lb/>
und für den Fortschritt des VolkSglücks, mit- seinem verderblichen Einfluß auf<lb/>
die Ursachen der öffentlichen Ordnung fortzusetzen. England, dessen Handlungs¬<lb/>
weise so oft eine egoistische genannt worden ist, hat in der Handelsfreiheit<lb/>
eine wahrhaft uneigennützige und großartige Politik befolgt, wie sie äußerst selten<lb/>
gefunden wird, es hat an sich selbst mit lobenswerthem Muthe ein mühevolles<lb/>
Experiment vollzogen, dessen Erfolg zwar von der Theorie verkündet wurde,<lb/>
aber durch die Praxis widerlegt werden konnte.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Korrespondenzen.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_914"> &#x2014; Gestern'fand im hiesigen Hoftheater das üb¬<lb/>
liche Concert zum Besten der Pensionskasse des Sängerchors statt. Franz Liszt,<lb/>
einer an ihn gestellten Einladung folgend, war von Weimar herübergekommen<lb/>
und das ihm seit Langem fremd gewordene dresdner Publicum drängte- sich mit<lb/>
Neugier zu der angekündigten Aufführung. Um zwei Orchestercompositioneu han¬<lb/>
delte sichs dies Mal. Der Theaterzettel verkündigte als ersten Theil: Prome¬<lb/>
theus, symphonische Dichtung und Chöre zu Herders dramatischen Scenen; als<lb/>
Zweiten: Symphonie zu Dantes Divina Commedia, und zwar: -I) die Holle (mit<lb/>
der Episode der Francesca da Rimini, 2) das Fegfeuer (mit dem Schlußchor: Mag-<lb/>
nificat Anima mea Dominum).</p><lb/>
          <p xml:id="ID_915" next="#ID_916"> Am Tage der Aufführung wurde mit der constitutionellen Zeitung ein Bei¬<lb/>
blatt von dem halben Umfange jeuer Zeitung ausgegeben.  Der nicht unterzeich¬<lb/>
nete Verfasser des Beiblattes benachrichtigt das Publicum: beide Tonwerke seien<lb/>
noch Manuscript, und es fehle ihnen noch das erläuternde Programm, mit welchem<lb/>
^er Componist sonst seiue frühern Compositionen zu begleiten pflegte.  In Erman¬<lb/>
gelung dieses Programms gibt er den Wortlaut eines Vorworts von Liszt wieder,<lb/>
welches die im Stich bereits erschienene Prome-thcnsvuvcrture in das Verständniß<lb/>
der Hörer einzuführen bestimmt war.  &#x201E;Es genügte," sagt Liszt in diesem Vor¬<lb/>
wort &#x201E;i&#x201E;    Musik die Stimmungen aufgehen zu lassen, welche unter 'den ver¬<lb/>
schiedenen, wechselnden Formen des Mythus seine Wesenheit, gleichsam seine Seele,<lb/>
bilden: Kühnheit. Leiden, Ausharren, Erlösung &#x2014; kühnes Hinanstrcbe» nach den<lb/>
höchsten Zielen, welche dem menschlichen Geiste erreichbar scheinen, Schaffensdrang,<lb/>
Thätigkeitstrieb. - - . Sündentilgcnde Schmerzen, welche unablässig an dem Le¬<lb/>
bensnerv unseres Daseins nagen. ohne es zu zerstören; Verurtheilung, angeschmie-<lb/>
det zu sein an den öden Uferfelsen unserer irdischen, Natur'; Angstrufe und Thra¬<lb/>
nn aus unserm Herzensblut .... Aber ein unentreißbarcs Bewußtsein angeborner<lb/>
^röße ,c. !c." Und schließlich: &#x201E;Ein tiefer Schmerz, der durch trotzbictcndcs Aus.<lb/>
^rren trtumphirt, bildet den musikalischen Charakter dieser Vorlage." Diese Worte</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 18L7. Hg</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0321] den Markt seiner Colonien. Es überläßt den übrigen Regierungen, nament¬ lich der französischen, die Verantwortlichkeit, in ihren Ländern das Schutzzoll¬ system mit allen seinen Nachtheilen für die Entwicklung des Nationalreichthums und für den Fortschritt des VolkSglücks, mit- seinem verderblichen Einfluß auf die Ursachen der öffentlichen Ordnung fortzusetzen. England, dessen Handlungs¬ weise so oft eine egoistische genannt worden ist, hat in der Handelsfreiheit eine wahrhaft uneigennützige und großartige Politik befolgt, wie sie äußerst selten gefunden wird, es hat an sich selbst mit lobenswerthem Muthe ein mühevolles Experiment vollzogen, dessen Erfolg zwar von der Theorie verkündet wurde, aber durch die Praxis widerlegt werden konnte. Korrespondenzen. — Gestern'fand im hiesigen Hoftheater das üb¬ liche Concert zum Besten der Pensionskasse des Sängerchors statt. Franz Liszt, einer an ihn gestellten Einladung folgend, war von Weimar herübergekommen und das ihm seit Langem fremd gewordene dresdner Publicum drängte- sich mit Neugier zu der angekündigten Aufführung. Um zwei Orchestercompositioneu han¬ delte sichs dies Mal. Der Theaterzettel verkündigte als ersten Theil: Prome¬ theus, symphonische Dichtung und Chöre zu Herders dramatischen Scenen; als Zweiten: Symphonie zu Dantes Divina Commedia, und zwar: -I) die Holle (mit der Episode der Francesca da Rimini, 2) das Fegfeuer (mit dem Schlußchor: Mag- nificat Anima mea Dominum). Am Tage der Aufführung wurde mit der constitutionellen Zeitung ein Bei¬ blatt von dem halben Umfange jeuer Zeitung ausgegeben. Der nicht unterzeich¬ nete Verfasser des Beiblattes benachrichtigt das Publicum: beide Tonwerke seien noch Manuscript, und es fehle ihnen noch das erläuternde Programm, mit welchem ^er Componist sonst seiue frühern Compositionen zu begleiten pflegte. In Erman¬ gelung dieses Programms gibt er den Wortlaut eines Vorworts von Liszt wieder, welches die im Stich bereits erschienene Prome-thcnsvuvcrture in das Verständniß der Hörer einzuführen bestimmt war. „Es genügte," sagt Liszt in diesem Vor¬ wort „i„ Musik die Stimmungen aufgehen zu lassen, welche unter 'den ver¬ schiedenen, wechselnden Formen des Mythus seine Wesenheit, gleichsam seine Seele, bilden: Kühnheit. Leiden, Ausharren, Erlösung — kühnes Hinanstrcbe» nach den höchsten Zielen, welche dem menschlichen Geiste erreichbar scheinen, Schaffensdrang, Thätigkeitstrieb. - - . Sündentilgcnde Schmerzen, welche unablässig an dem Le¬ bensnerv unseres Daseins nagen. ohne es zu zerstören; Verurtheilung, angeschmie- det zu sein an den öden Uferfelsen unserer irdischen, Natur'; Angstrufe und Thra¬ nn aus unserm Herzensblut .... Aber ein unentreißbarcs Bewußtsein angeborner ^röße ,c. !c." Und schließlich: „Ein tiefer Schmerz, der durch trotzbictcndcs Aus. ^rren trtumphirt, bildet den musikalischen Charakter dieser Vorlage." Diese Worte Grenzboten IV. 18L7. Hg

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/321
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/321>, abgerufen am 30.04.2024.