Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Porto hat fortwährend im Jnnerverkehr einen höhern Stand als anderwärts.
Und dies alles, weil die altüberkommenen Gesetze unter der dünnen, an freier
Bewegung gehinderten Bevölkerung Handel, Industrie, Gewerbe und selbst
eine vollkräftige Entwicklung des Ackerbaues (namentlich der sogenannten
kleinen Leute) niederdrücken. Und dies alles, nachdem schon zur Zeit der Lcib-
eigenschaflsaufhebung einzelne patriotische Männer sich bemüht hatten, solchen
traurigen Zuständen durch passende Vorschläge vorzubeugen. Aber freilich ba-
sirten sich diese Anträge der Hrn. von Oertzen, von Paercke, von Basfewitz u.a.
darauf, daß die Bauernbefreiung ein ehrlicher und radicaler Bruch wahrhafter
Edelleute mit der ganzen Feudalwirthschafl sein müsse. Man ließ jedoch diese
Mahnungen, so wie vereinzelte spätere i. mer wieder unbeachtet, obgleich man
schon dreißig Jahre vor 1820 mit der Regierung darin übereingestimmt hatte,
daß eine gänzliche Reform deS Steuerwesens und der Heimathsgesetzgebung
eine dringende nationalökonomische und politische Forderung sei. Fürchtet man
ober noch heute wirklich, daß durch eine solche Reform das "Modell ständischer
Glückseligkeit" d. h. die repristinirte Verfassung zu Grabe getragen werde, so ist
dies ein Bekenntniß, um welches deren Hüter wahrlich nicht zu beneiden sind.
Denn anderwärts betrachtet man eine Staatsverfassung als dasjenige Werk-
Zeug, womit man die Zeitverhältnisse und Bedürfnisse in Formen saßt, aus
denen weitere Entwicklungen hervorgehen können. Hier soll dagegen, wie es
scheint, die Verfassung grade den entgegengesetzten Sinn und Zweck erfüllen.
Einmal haben freilich auch die Stände dem Großherzog und dem Lande feier¬
lich versprochen, daß sie, "die alten Stände Mecklenburgs, fern von
Rückhalt, gern dazu wirken würden, die neue Landesverfassung den Bedürf¬
nissen und Forderungen der Zeit gemäß ins Leben zu rufen." Dieses
Versprechen ist bis heute noch ungelöst geblieben. Und wenn es auch am
44- April 1848 gegeben ward, so galt doch damals und gilt noch heute die
adelige Verpflichtung darauf: Kodlesss vbliKo!




Ostindien.

Die Erhebung der bengalischen Sipvys ist fehlgeschlagen, denn die Er¬
drückung des Nestes derselben kann nur als Frage der Zeit betrachtet werden.
Wir sprechen hier absichtlich von einer "Erhebung der bengalischen SipoyS,",
denn welche Elemente der Zerstörungö- und der Mordlust, welches Gefühl un¬
befriedigter Rache oder verletzter persönlicher Eitelkeit, welche nationalen oder
religiösen Antipathien sich auch beim Aufstand betheiligt haben möge", der
Kern desselben war das vormalige "Heer von Bengalen", jene von Standes-


Porto hat fortwährend im Jnnerverkehr einen höhern Stand als anderwärts.
Und dies alles, weil die altüberkommenen Gesetze unter der dünnen, an freier
Bewegung gehinderten Bevölkerung Handel, Industrie, Gewerbe und selbst
eine vollkräftige Entwicklung des Ackerbaues (namentlich der sogenannten
kleinen Leute) niederdrücken. Und dies alles, nachdem schon zur Zeit der Lcib-
eigenschaflsaufhebung einzelne patriotische Männer sich bemüht hatten, solchen
traurigen Zuständen durch passende Vorschläge vorzubeugen. Aber freilich ba-
sirten sich diese Anträge der Hrn. von Oertzen, von Paercke, von Basfewitz u.a.
darauf, daß die Bauernbefreiung ein ehrlicher und radicaler Bruch wahrhafter
Edelleute mit der ganzen Feudalwirthschafl sein müsse. Man ließ jedoch diese
Mahnungen, so wie vereinzelte spätere i. mer wieder unbeachtet, obgleich man
schon dreißig Jahre vor 1820 mit der Regierung darin übereingestimmt hatte,
daß eine gänzliche Reform deS Steuerwesens und der Heimathsgesetzgebung
eine dringende nationalökonomische und politische Forderung sei. Fürchtet man
ober noch heute wirklich, daß durch eine solche Reform das „Modell ständischer
Glückseligkeit" d. h. die repristinirte Verfassung zu Grabe getragen werde, so ist
dies ein Bekenntniß, um welches deren Hüter wahrlich nicht zu beneiden sind.
Denn anderwärts betrachtet man eine Staatsverfassung als dasjenige Werk-
Zeug, womit man die Zeitverhältnisse und Bedürfnisse in Formen saßt, aus
denen weitere Entwicklungen hervorgehen können. Hier soll dagegen, wie es
scheint, die Verfassung grade den entgegengesetzten Sinn und Zweck erfüllen.
Einmal haben freilich auch die Stände dem Großherzog und dem Lande feier¬
lich versprochen, daß sie, „die alten Stände Mecklenburgs, fern von
Rückhalt, gern dazu wirken würden, die neue Landesverfassung den Bedürf¬
nissen und Forderungen der Zeit gemäß ins Leben zu rufen." Dieses
Versprechen ist bis heute noch ungelöst geblieben. Und wenn es auch am
44- April 1848 gegeben ward, so galt doch damals und gilt noch heute die
adelige Verpflichtung darauf: Kodlesss vbliKo!




Ostindien.

Die Erhebung der bengalischen Sipvys ist fehlgeschlagen, denn die Er¬
drückung des Nestes derselben kann nur als Frage der Zeit betrachtet werden.
Wir sprechen hier absichtlich von einer „Erhebung der bengalischen SipoyS,",
denn welche Elemente der Zerstörungö- und der Mordlust, welches Gefühl un¬
befriedigter Rache oder verletzter persönlicher Eitelkeit, welche nationalen oder
religiösen Antipathien sich auch beim Aufstand betheiligt haben möge», der
Kern desselben war das vormalige „Heer von Bengalen", jene von Standes-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0359" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105094"/>
          <p xml:id="ID_1004" prev="#ID_1003"> Porto hat fortwährend im Jnnerverkehr einen höhern Stand als anderwärts.<lb/>
Und dies alles, weil die altüberkommenen Gesetze unter der dünnen, an freier<lb/>
Bewegung gehinderten Bevölkerung Handel, Industrie, Gewerbe und selbst<lb/>
eine vollkräftige Entwicklung des Ackerbaues (namentlich der sogenannten<lb/>
kleinen Leute) niederdrücken. Und dies alles, nachdem schon zur Zeit der Lcib-<lb/>
eigenschaflsaufhebung einzelne patriotische Männer sich bemüht hatten, solchen<lb/>
traurigen Zuständen durch passende Vorschläge vorzubeugen. Aber freilich ba-<lb/>
sirten sich diese Anträge der Hrn. von Oertzen, von Paercke, von Basfewitz u.a.<lb/>
darauf, daß die Bauernbefreiung ein ehrlicher und radicaler Bruch wahrhafter<lb/>
Edelleute mit der ganzen Feudalwirthschafl sein müsse. Man ließ jedoch diese<lb/>
Mahnungen, so wie vereinzelte spätere i. mer wieder unbeachtet, obgleich man<lb/>
schon dreißig Jahre vor 1820 mit der Regierung darin übereingestimmt hatte,<lb/>
daß eine gänzliche Reform deS Steuerwesens und der Heimathsgesetzgebung<lb/>
eine dringende nationalökonomische und politische Forderung sei. Fürchtet man<lb/>
ober noch heute wirklich, daß durch eine solche Reform das &#x201E;Modell ständischer<lb/>
Glückseligkeit" d. h. die repristinirte Verfassung zu Grabe getragen werde, so ist<lb/>
dies ein Bekenntniß, um welches deren Hüter wahrlich nicht zu beneiden sind.<lb/>
Denn anderwärts betrachtet man eine Staatsverfassung als dasjenige Werk-<lb/>
Zeug, womit man die Zeitverhältnisse und Bedürfnisse in Formen saßt, aus<lb/>
denen weitere Entwicklungen hervorgehen können. Hier soll dagegen, wie es<lb/>
scheint, die Verfassung grade den entgegengesetzten Sinn und Zweck erfüllen.<lb/>
Einmal haben freilich auch die Stände dem Großherzog und dem Lande feier¬<lb/>
lich versprochen, daß sie, &#x201E;die alten Stände Mecklenburgs, fern von<lb/>
Rückhalt, gern dazu wirken würden, die neue Landesverfassung den Bedürf¬<lb/>
nissen und Forderungen der Zeit gemäß ins Leben zu rufen." Dieses<lb/>
Versprechen ist bis heute noch ungelöst geblieben. Und wenn es auch am<lb/>
44- April 1848 gegeben ward, so galt doch damals und gilt noch heute die<lb/>
adelige Verpflichtung darauf:  Kodlesss vbliKo!</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Ostindien.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1005" next="#ID_1006"> Die Erhebung der bengalischen Sipvys ist fehlgeschlagen, denn die Er¬<lb/>
drückung des Nestes derselben kann nur als Frage der Zeit betrachtet werden.<lb/>
Wir sprechen hier absichtlich von einer &#x201E;Erhebung der bengalischen SipoyS,",<lb/>
denn welche Elemente der Zerstörungö- und der Mordlust, welches Gefühl un¬<lb/>
befriedigter Rache oder verletzter persönlicher Eitelkeit, welche nationalen oder<lb/>
religiösen Antipathien sich auch beim Aufstand betheiligt haben möge», der<lb/>
Kern desselben war das vormalige &#x201E;Heer von Bengalen", jene von Standes-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0359] Porto hat fortwährend im Jnnerverkehr einen höhern Stand als anderwärts. Und dies alles, weil die altüberkommenen Gesetze unter der dünnen, an freier Bewegung gehinderten Bevölkerung Handel, Industrie, Gewerbe und selbst eine vollkräftige Entwicklung des Ackerbaues (namentlich der sogenannten kleinen Leute) niederdrücken. Und dies alles, nachdem schon zur Zeit der Lcib- eigenschaflsaufhebung einzelne patriotische Männer sich bemüht hatten, solchen traurigen Zuständen durch passende Vorschläge vorzubeugen. Aber freilich ba- sirten sich diese Anträge der Hrn. von Oertzen, von Paercke, von Basfewitz u.a. darauf, daß die Bauernbefreiung ein ehrlicher und radicaler Bruch wahrhafter Edelleute mit der ganzen Feudalwirthschafl sein müsse. Man ließ jedoch diese Mahnungen, so wie vereinzelte spätere i. mer wieder unbeachtet, obgleich man schon dreißig Jahre vor 1820 mit der Regierung darin übereingestimmt hatte, daß eine gänzliche Reform deS Steuerwesens und der Heimathsgesetzgebung eine dringende nationalökonomische und politische Forderung sei. Fürchtet man ober noch heute wirklich, daß durch eine solche Reform das „Modell ständischer Glückseligkeit" d. h. die repristinirte Verfassung zu Grabe getragen werde, so ist dies ein Bekenntniß, um welches deren Hüter wahrlich nicht zu beneiden sind. Denn anderwärts betrachtet man eine Staatsverfassung als dasjenige Werk- Zeug, womit man die Zeitverhältnisse und Bedürfnisse in Formen saßt, aus denen weitere Entwicklungen hervorgehen können. Hier soll dagegen, wie es scheint, die Verfassung grade den entgegengesetzten Sinn und Zweck erfüllen. Einmal haben freilich auch die Stände dem Großherzog und dem Lande feier¬ lich versprochen, daß sie, „die alten Stände Mecklenburgs, fern von Rückhalt, gern dazu wirken würden, die neue Landesverfassung den Bedürf¬ nissen und Forderungen der Zeit gemäß ins Leben zu rufen." Dieses Versprechen ist bis heute noch ungelöst geblieben. Und wenn es auch am 44- April 1848 gegeben ward, so galt doch damals und gilt noch heute die adelige Verpflichtung darauf: Kodlesss vbliKo! Ostindien. Die Erhebung der bengalischen Sipvys ist fehlgeschlagen, denn die Er¬ drückung des Nestes derselben kann nur als Frage der Zeit betrachtet werden. Wir sprechen hier absichtlich von einer „Erhebung der bengalischen SipoyS,", denn welche Elemente der Zerstörungö- und der Mordlust, welches Gefühl un¬ befriedigter Rache oder verletzter persönlicher Eitelkeit, welche nationalen oder religiösen Antipathien sich auch beim Aufstand betheiligt haben möge», der Kern desselben war das vormalige „Heer von Bengalen", jene von Standes-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/359
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/359>, abgerufen am 30.04.2024.