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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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und in ihrem Director einen tüchtigen Astronomen besitzen, ist für unsere
Schiffahrt von Bedeutung. Daher mag die beiläufige Wissenschaftlichkeit des
Institutes noch passiren! Aber ein kostspieliges Museum?! Was nützen die
todten Mineralien, sind Gold- und Silberbarren im Schatz doch besser? Was
nützt es, daß wir schon 3ö0 Arten Saugethiere in -110 Gattungen, 1700
Arien Nögel in 630 Gattungen, von den jetzt bekannten 160 Arten Seeigel
bereits den drillen Theil, von 33 bekannten Gattungen Seesternen bereits
und den dritten Theil ihrer bekannten Arten haben, und an unseren 6i76 Arten
Conchylien in 313 Gattungen eine Sammlung besitzen, die der weitgereiste
Conchyliologe Cumming die reichste Deutschlands nannte? --

Diese und ähnliche Stimmen bedürfen keiner Widerlegung. Die Mehr¬
zahl der Gebildeten denkt unzweifelhaft anders. Die Gunst, die unser Mu¬
seum fand, widerspricht entschieden dem materiellen Rufe Hamburgs. Den
Vortheil, den ihm seine Weltstellung an die Hand gibt, läßt Hamburg jetzt
nicht mehr vorübergehen, es unterläßt nicht mehr nach seinen Kräften zum
I. B. Meier. Bau der wissenschaftlichen Naturerkenntniß beizusteuern.




Die Armenpflege im alten Rom.

Wir geben im Nachstehenden einen Ausschnitt aus den Zuständen Roms
nach dem großen Bürgerkriege. Die Msse der Bewohner Italiens war durch
unaufhörliche Necrutirnngen der friedlichen Arbeit entfremdet, der Stand der
kleinen Ackerbauer hatte so gut wie ganz aufgehört zu eristiren, das Land war
in die Hände von Speculanten, die statt deö nicht genug lohnenden Getreides
Wein und Oel bauten, oder in den Besitz lunmöser Reichen übergegangen,
welche es in Parks, Gärten oder Fischteiche verwandelten. Auf den übrig blei
deuten Strecken fand der freie Landmann weder als Pachter noch als Tagelöhner
Beschäftigung, da die Reichen ihre ungeheuren Güter durch Sklaven bewirth¬
schafteten, die ihnen weniger kosteten, und die sie nach Willkür als kleine
Tyrannen regierten. So verschwand nach und nach der eigentliche Mittelstand;
wie in der Zeit nach der Königsherrschaft dem Erbadel, stand jetzt der über¬
mächtigen Geldaristokratie die große, besitzlose Masse gegenüber: Italien sank
mit reißender Schnelligkeit in Schwäche und Armuth. Der Rückschlag, den
die Hauptstadt durch diese unseligen Aenderungen in den Provinzen erhielt,
war ein sehr empfindlicher. Zlhre Bevölkerung war immer im Steigen begrif¬
fen, und erreichte endlich unter August die Einwohnerzahl der jetzt am höch¬
sten bevölkerten Stadt Europas, aber leider nicht durch natürliches Wachs¬
thum, sondern durch die Einwanderung ilalischer Bettler und ausländischer


und in ihrem Director einen tüchtigen Astronomen besitzen, ist für unsere
Schiffahrt von Bedeutung. Daher mag die beiläufige Wissenschaftlichkeit des
Institutes noch passiren! Aber ein kostspieliges Museum?! Was nützen die
todten Mineralien, sind Gold- und Silberbarren im Schatz doch besser? Was
nützt es, daß wir schon 3ö0 Arten Saugethiere in -110 Gattungen, 1700
Arien Nögel in 630 Gattungen, von den jetzt bekannten 160 Arten Seeigel
bereits den drillen Theil, von 33 bekannten Gattungen Seesternen bereits
und den dritten Theil ihrer bekannten Arten haben, und an unseren 6i76 Arten
Conchylien in 313 Gattungen eine Sammlung besitzen, die der weitgereiste
Conchyliologe Cumming die reichste Deutschlands nannte? —

Diese und ähnliche Stimmen bedürfen keiner Widerlegung. Die Mehr¬
zahl der Gebildeten denkt unzweifelhaft anders. Die Gunst, die unser Mu¬
seum fand, widerspricht entschieden dem materiellen Rufe Hamburgs. Den
Vortheil, den ihm seine Weltstellung an die Hand gibt, läßt Hamburg jetzt
nicht mehr vorübergehen, es unterläßt nicht mehr nach seinen Kräften zum
I. B. Meier. Bau der wissenschaftlichen Naturerkenntniß beizusteuern.




Die Armenpflege im alten Rom.

Wir geben im Nachstehenden einen Ausschnitt aus den Zuständen Roms
nach dem großen Bürgerkriege. Die Msse der Bewohner Italiens war durch
unaufhörliche Necrutirnngen der friedlichen Arbeit entfremdet, der Stand der
kleinen Ackerbauer hatte so gut wie ganz aufgehört zu eristiren, das Land war
in die Hände von Speculanten, die statt deö nicht genug lohnenden Getreides
Wein und Oel bauten, oder in den Besitz lunmöser Reichen übergegangen,
welche es in Parks, Gärten oder Fischteiche verwandelten. Auf den übrig blei
deuten Strecken fand der freie Landmann weder als Pachter noch als Tagelöhner
Beschäftigung, da die Reichen ihre ungeheuren Güter durch Sklaven bewirth¬
schafteten, die ihnen weniger kosteten, und die sie nach Willkür als kleine
Tyrannen regierten. So verschwand nach und nach der eigentliche Mittelstand;
wie in der Zeit nach der Königsherrschaft dem Erbadel, stand jetzt der über¬
mächtigen Geldaristokratie die große, besitzlose Masse gegenüber: Italien sank
mit reißender Schnelligkeit in Schwäche und Armuth. Der Rückschlag, den
die Hauptstadt durch diese unseligen Aenderungen in den Provinzen erhielt,
war ein sehr empfindlicher. Zlhre Bevölkerung war immer im Steigen begrif¬
fen, und erreichte endlich unter August die Einwohnerzahl der jetzt am höch¬
sten bevölkerten Stadt Europas, aber leider nicht durch natürliches Wachs¬
thum, sondern durch die Einwanderung ilalischer Bettler und ausländischer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/434>, abgerufen am 30.04.2024.