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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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Görres, seiner Freunde Schubert u. s. w. Der Haufe wird groß werden, und
wir Deutsche, die wir auf unsere goldene Zeit stolz sind, werden mit einiger
Beschämung entdecken, daß sich mit dieser Pyramide nichts vergleichen läßt,
waS irgend ein anderes Volk von altem Unrath zusammenkehren kann.


I. S.


Hamburgs geistiges Leben.
3.

Un iversilätsfrage; akademisches Gymnasium, das Rauhe Haus,
die Kindergärten, Hochschule für Frauen, öffentliche Vor¬
lesungen und Hamburger Gelehrte an Universitäten.

Hamburg hat an den von uns geschilderten Bildungsanstalten eine so gute,
ja eine bessere Basis zur Gründung einer Universität, als manche Stadt, in
der eine Hochschule mit Erfolg gegründet wurde, und eS hat in den letzten
Jahren auch nicht gefehlt, daß diese Idee öffentlich zur Sprache kam. Schon
1837, als die bekannten Sieben Göttingen verließen, redete man in mehren Kreisen
lebhast von einer Hamburger Universität, lebhafter noch ein Decennium später.
Damals entwarf man einen vollständigen Plan, eS bildete sich ein Comite aus
hiesigen angesehenen Kaufleuten und Gelehrten, um den Fortgang der Sache
fernerhin zu berathen und Geldbeiträge für die Ausführung in Empfang zu
nehmen. Der Plan fand lebhaften Anklang bei den Professoren mancher
deutschen Universität. Dahlman schrieb aus Bonn einen Brief voll warmer
Wünsche. Er erinnere sich, schrieb er, daß Niebuhr und er bei ihrer Anwesen¬
heit in Hamburg in einem langen Abendgespräch erwogen hätten, wie doch
hier so sehr vieles beisammen sei, was gradezu auf eine Universität hinweise.
"Ich entsinne mich noch recht gut," heißes in seinem Brief, "wie durchdrungen
Niebuhr davon sprach, wie die frische Weltluft, die in Hamburg geathmet wird,
so manche unpraktische Lahmheit, die sich so leicht unserem Universitätswesen
anhängt, heilen müsse, und wie dagegen solch eine der Wissenschaft dargebrachte
Huldigung, außer ihrem eigentlichen wissenschaftlichen Ertrage, dem Staate
auch eine neue Geltung und Weihe im deutschen Vaterlande geben werde."
Mit ähnlichen Hoffnungen begrüßte Gervinus in einem Briefe an einen Freund
in Hamburg den UniversilätSplan, er fand in ihm einen Gedanken, "der wol
nahe und in den Verhältnissen angeregt liegen müsse, da er zu so verschiede¬
nen Zeiten und in so verschiedenen Köpfen aufgekommen."

Die Nichtausführung deS Gedankens zeigt, daß Dahinaus, Niebuhrs,
Gervinus' und anderer Sympathien nicht allgemein geworden sind. Bedenken


Görres, seiner Freunde Schubert u. s. w. Der Haufe wird groß werden, und
wir Deutsche, die wir auf unsere goldene Zeit stolz sind, werden mit einiger
Beschämung entdecken, daß sich mit dieser Pyramide nichts vergleichen läßt,
waS irgend ein anderes Volk von altem Unrath zusammenkehren kann.


I. S.


Hamburgs geistiges Leben.
3.

Un iversilätsfrage; akademisches Gymnasium, das Rauhe Haus,
die Kindergärten, Hochschule für Frauen, öffentliche Vor¬
lesungen und Hamburger Gelehrte an Universitäten.

Hamburg hat an den von uns geschilderten Bildungsanstalten eine so gute,
ja eine bessere Basis zur Gründung einer Universität, als manche Stadt, in
der eine Hochschule mit Erfolg gegründet wurde, und eS hat in den letzten
Jahren auch nicht gefehlt, daß diese Idee öffentlich zur Sprache kam. Schon
1837, als die bekannten Sieben Göttingen verließen, redete man in mehren Kreisen
lebhast von einer Hamburger Universität, lebhafter noch ein Decennium später.
Damals entwarf man einen vollständigen Plan, eS bildete sich ein Comite aus
hiesigen angesehenen Kaufleuten und Gelehrten, um den Fortgang der Sache
fernerhin zu berathen und Geldbeiträge für die Ausführung in Empfang zu
nehmen. Der Plan fand lebhaften Anklang bei den Professoren mancher
deutschen Universität. Dahlman schrieb aus Bonn einen Brief voll warmer
Wünsche. Er erinnere sich, schrieb er, daß Niebuhr und er bei ihrer Anwesen¬
heit in Hamburg in einem langen Abendgespräch erwogen hätten, wie doch
hier so sehr vieles beisammen sei, was gradezu auf eine Universität hinweise.
„Ich entsinne mich noch recht gut," heißes in seinem Brief, „wie durchdrungen
Niebuhr davon sprach, wie die frische Weltluft, die in Hamburg geathmet wird,
so manche unpraktische Lahmheit, die sich so leicht unserem Universitätswesen
anhängt, heilen müsse, und wie dagegen solch eine der Wissenschaft dargebrachte
Huldigung, außer ihrem eigentlichen wissenschaftlichen Ertrage, dem Staate
auch eine neue Geltung und Weihe im deutschen Vaterlande geben werde."
Mit ähnlichen Hoffnungen begrüßte Gervinus in einem Briefe an einen Freund
in Hamburg den UniversilätSplan, er fand in ihm einen Gedanken, „der wol
nahe und in den Verhältnissen angeregt liegen müsse, da er zu so verschiede¬
nen Zeiten und in so verschiedenen Köpfen aufgekommen."

Die Nichtausführung deS Gedankens zeigt, daß Dahinaus, Niebuhrs,
Gervinus' und anderer Sympathien nicht allgemein geworden sind. Bedenken


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[0480] Görres, seiner Freunde Schubert u. s. w. Der Haufe wird groß werden, und wir Deutsche, die wir auf unsere goldene Zeit stolz sind, werden mit einiger Beschämung entdecken, daß sich mit dieser Pyramide nichts vergleichen läßt, waS irgend ein anderes Volk von altem Unrath zusammenkehren kann. I. S. Hamburgs geistiges Leben. 3. Un iversilätsfrage; akademisches Gymnasium, das Rauhe Haus, die Kindergärten, Hochschule für Frauen, öffentliche Vor¬ lesungen und Hamburger Gelehrte an Universitäten. Hamburg hat an den von uns geschilderten Bildungsanstalten eine so gute, ja eine bessere Basis zur Gründung einer Universität, als manche Stadt, in der eine Hochschule mit Erfolg gegründet wurde, und eS hat in den letzten Jahren auch nicht gefehlt, daß diese Idee öffentlich zur Sprache kam. Schon 1837, als die bekannten Sieben Göttingen verließen, redete man in mehren Kreisen lebhast von einer Hamburger Universität, lebhafter noch ein Decennium später. Damals entwarf man einen vollständigen Plan, eS bildete sich ein Comite aus hiesigen angesehenen Kaufleuten und Gelehrten, um den Fortgang der Sache fernerhin zu berathen und Geldbeiträge für die Ausführung in Empfang zu nehmen. Der Plan fand lebhaften Anklang bei den Professoren mancher deutschen Universität. Dahlman schrieb aus Bonn einen Brief voll warmer Wünsche. Er erinnere sich, schrieb er, daß Niebuhr und er bei ihrer Anwesen¬ heit in Hamburg in einem langen Abendgespräch erwogen hätten, wie doch hier so sehr vieles beisammen sei, was gradezu auf eine Universität hinweise. „Ich entsinne mich noch recht gut," heißes in seinem Brief, „wie durchdrungen Niebuhr davon sprach, wie die frische Weltluft, die in Hamburg geathmet wird, so manche unpraktische Lahmheit, die sich so leicht unserem Universitätswesen anhängt, heilen müsse, und wie dagegen solch eine der Wissenschaft dargebrachte Huldigung, außer ihrem eigentlichen wissenschaftlichen Ertrage, dem Staate auch eine neue Geltung und Weihe im deutschen Vaterlande geben werde." Mit ähnlichen Hoffnungen begrüßte Gervinus in einem Briefe an einen Freund in Hamburg den UniversilätSplan, er fand in ihm einen Gedanken, „der wol nahe und in den Verhältnissen angeregt liegen müsse, da er zu so verschiede¬ nen Zeiten und in so verschiedenen Köpfen aufgekommen." Die Nichtausführung deS Gedankens zeigt, daß Dahinaus, Niebuhrs, Gervinus' und anderer Sympathien nicht allgemein geworden sind. Bedenken

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/480>, abgerufen am 30.04.2024.