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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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gesprochen hatte." Auch die Testamente der Diener, die ihren Herrn mit
Ostentation von der Erbschaft ausschließen, enthalten eine bittre Anspielung,
eS war schon etwas Großes, wenn man wagen durfte, den Kaiser nicht zum
Erben einzusetzen! So ist auch diese leichtfertige Schilderung, in der sich nur
Lächerlichkeiten und Extravaganzen der Zeit reflectiren, nicht völlig frei von
finstern Schatten.




Eine Jesuitenkoinöoie in Rom.

In dem Collegio ti Propaganda Fete findet alljährlich, etwa um die
Zeit der heiligen drei Könige, ein sogenanntes Sprachenfest statt. Eingela¬
dene oder Angemeldete haben Zutritt. Das letzte römische Jubeljahr, veran¬
laßt durch die Feststellung des JmmacolatadvgmaS, gab dem berühmten
Misstonsseminar Gelegenheit, im Geschmack der rappresenwlione sacre ein
besonders reichhaltiges Programm vorzuführen und eine große Menge Neu¬
gieriger zu dieser für das vergleichende Sprachstudium unvergleichlich anziehen¬
den heiligen Komödie herbeizulocken.

Unweit des berninischcn Palastes, welcher dem Jesuitencollegium jetzt
gehört, war man um jene Zeit eben beschäftigt, die "Mariolatrie" durch Auf¬
richtung einer neu aufgefundenen antiken Säule zu feiern. Sie sollte durch
eine Statue der im Halbmond stehenden Madonna geschmückt werden. Ob sie
das Jesuitencollegium oder Spitthöverö deutschen Buchladen anschauen werde,
stand noch dahin.

Dieses Monument, ein Unterwerfungssymbol der alten Gegner deS Jmma¬
colatadvgmaS, der Dominicaner, gereichte den Jesuiten zu nicht geringem
Stolze, und sie suchten ihre Befriedigung über diese ihnen so nahe gerückte
Auszeichnung durch eine doppelt reiche Ausstattung des diesmaligen Sprachen-
sesteö an den Tag zu legen.

So wurde dasselbe denn am 1i. und 15. Januar mit allem Pomp in
der geräumigen Kapelle des JesuitencollegiumS begangen. DaS Schiff war
mit männlichen Zuschauern gefüllt. Die Damen schloß man aus, gestattete
ihnen jedoch, durch die Fenster der oben anstoßenden Gemächer dem sonder¬
baren Schauspiel beizuwohnen. Hinter den Zuschauern, auf dem Chor hatte
eine starkbcsetzte Musikbande ihren Posten bezogen und leitete im italienischen
Geschmack durch vertusche und andere Opernstücke die heilige Parade ein.
Die Schüler der Propaganda saßen auf erhöhten Bänken vor dem Altar.
Hinter ihnen erinnerte daS Porträt des Papstes an den siegreichen Beendi¬
ger dieses dogmatischen Streites, der so manches Jahrhundert unerledigt ge-


Grenzboten IV. 4367. 8

gesprochen hatte." Auch die Testamente der Diener, die ihren Herrn mit
Ostentation von der Erbschaft ausschließen, enthalten eine bittre Anspielung,
eS war schon etwas Großes, wenn man wagen durfte, den Kaiser nicht zum
Erben einzusetzen! So ist auch diese leichtfertige Schilderung, in der sich nur
Lächerlichkeiten und Extravaganzen der Zeit reflectiren, nicht völlig frei von
finstern Schatten.




Eine Jesuitenkoinöoie in Rom.

In dem Collegio ti Propaganda Fete findet alljährlich, etwa um die
Zeit der heiligen drei Könige, ein sogenanntes Sprachenfest statt. Eingela¬
dene oder Angemeldete haben Zutritt. Das letzte römische Jubeljahr, veran¬
laßt durch die Feststellung des JmmacolatadvgmaS, gab dem berühmten
Misstonsseminar Gelegenheit, im Geschmack der rappresenwlione sacre ein
besonders reichhaltiges Programm vorzuführen und eine große Menge Neu¬
gieriger zu dieser für das vergleichende Sprachstudium unvergleichlich anziehen¬
den heiligen Komödie herbeizulocken.

Unweit des berninischcn Palastes, welcher dem Jesuitencollegium jetzt
gehört, war man um jene Zeit eben beschäftigt, die „Mariolatrie" durch Auf¬
richtung einer neu aufgefundenen antiken Säule zu feiern. Sie sollte durch
eine Statue der im Halbmond stehenden Madonna geschmückt werden. Ob sie
das Jesuitencollegium oder Spitthöverö deutschen Buchladen anschauen werde,
stand noch dahin.

Dieses Monument, ein Unterwerfungssymbol der alten Gegner deS Jmma¬
colatadvgmaS, der Dominicaner, gereichte den Jesuiten zu nicht geringem
Stolze, und sie suchten ihre Befriedigung über diese ihnen so nahe gerückte
Auszeichnung durch eine doppelt reiche Ausstattung des diesmaligen Sprachen-
sesteö an den Tag zu legen.

So wurde dasselbe denn am 1i. und 15. Januar mit allem Pomp in
der geräumigen Kapelle des JesuitencollegiumS begangen. DaS Schiff war
mit männlichen Zuschauern gefüllt. Die Damen schloß man aus, gestattete
ihnen jedoch, durch die Fenster der oben anstoßenden Gemächer dem sonder¬
baren Schauspiel beizuwohnen. Hinter den Zuschauern, auf dem Chor hatte
eine starkbcsetzte Musikbande ihren Posten bezogen und leitete im italienischen
Geschmack durch vertusche und andere Opernstücke die heilige Parade ein.
Die Schüler der Propaganda saßen auf erhöhten Bänken vor dem Altar.
Hinter ihnen erinnerte daS Porträt des Papstes an den siegreichen Beendi¬
ger dieses dogmatischen Streites, der so manches Jahrhundert unerledigt ge-


Grenzboten IV. 4367. 8
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/65>, abgerufen am 30.04.2024.