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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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eignisse mit so großer und gewiß gerechtfertigter Theilnahme verfolgt hat,
diese für die bevorstehenden Veränderungen leitenden Gesichtspunkte sich an¬
eigne. Es mag immerhin richtig sein, daß in weiterer Folge derselben Ver¬
änderungen im englischen Staatsleben eintreten tonnen, wenn auch nicht
nothwendig eintreten müssen; das lüge aber nur eben an der Gewalt der
Thatsachen. Ein Staat, der zu Behauptung eines von ihm eroberten weit-
läufigen Gebiets aus Jahre hinaus einer Art militärischer Dictatur für das¬
selbe bedarf, kann einmal nun -nicht allein mehr den alten Weg der parla¬
mentarischen Sicherheismaßregein gehen; England muß entweder Indien aus¬
geben oder den Schutz für seine Freiheiten anderswo als bisher finden. Auch
diese Rückwirkung auf die heimischen englischen Zustände haben wir bereits
vorausgesehen. Wir zweifeln übrigens sehr, daß eine solche Sicherheit durch
irgend eine blos äußerlich angebrachte Maßregel gewährt werden kann, sie
muß vielmehr in den Menschen selbst liegen. Das übersehen die, welche auf
den Trümmern des allen England sitzend die ganze neuere Entwicklung als
eine Art Mißgeburt behandeln und dafür ein etwas unklares Ideal von Ver¬
größerung der allgemeinen Freiheit durch verminderte Gewalt des Parlaments
nicht ohne einige Neigung zur Verstärkung der Königsmacht ersonnen haben,
ein englischer Bonapartismus, welcher auf breitester demokratischer Grund,
läge die Aristokratie und die Mittelclassen umwerfen soll. Die Zeiten, die
Ansichten und die Bestrebungen sind anders geworden und darum wirken die
alten Kräfte auch anders, aber gewiß nicht schlechter. Es wird in Zukunft
Sache des Parlaments. Sache der Presse und jedes Einzelnen sein, die durch
die indischen Ereignisse gelegten Keime zu einer der bisherigen fremden Ent¬
wicklung der englischen Zustünde sich nicht übermächtig entfalten zu .lassen,
weiter läßt sich für jetzt nichts sagen. Namentlich der Presse wird hierbei
ein großer Berus zufallen, und grade in ihr sehen wir auch für die Erfüllung
desselben das geeignetste Werkzeug.




Die gewerbliche Kunstthätigkeit.

Kann das Gewerbe überhaupt eine Kunstthütigkeit entwickeln, oder bleibt
es am sichersten in den engen Schranken seiner nächsten und ursprünglichen
Bestimmung, dem ^rein Zweckmäßiger und Praktischen zu dienen, eingeschlossen?

Ein beschränkter Sinn wird auf den ersten Theil jener Frage mit einem >
entschiedenen Nein antworten, nicht weil er über die Sachlage sich klar zu
werden versucht hat. sondern weil es ihm angenehm scheint, sobald er Pro¬
ducent ist, mit dem blos Handwerklichen und leicht Erlernbaren seines Ge-


eignisse mit so großer und gewiß gerechtfertigter Theilnahme verfolgt hat,
diese für die bevorstehenden Veränderungen leitenden Gesichtspunkte sich an¬
eigne. Es mag immerhin richtig sein, daß in weiterer Folge derselben Ver¬
änderungen im englischen Staatsleben eintreten tonnen, wenn auch nicht
nothwendig eintreten müssen; das lüge aber nur eben an der Gewalt der
Thatsachen. Ein Staat, der zu Behauptung eines von ihm eroberten weit-
läufigen Gebiets aus Jahre hinaus einer Art militärischer Dictatur für das¬
selbe bedarf, kann einmal nun -nicht allein mehr den alten Weg der parla¬
mentarischen Sicherheismaßregein gehen; England muß entweder Indien aus¬
geben oder den Schutz für seine Freiheiten anderswo als bisher finden. Auch
diese Rückwirkung auf die heimischen englischen Zustände haben wir bereits
vorausgesehen. Wir zweifeln übrigens sehr, daß eine solche Sicherheit durch
irgend eine blos äußerlich angebrachte Maßregel gewährt werden kann, sie
muß vielmehr in den Menschen selbst liegen. Das übersehen die, welche auf
den Trümmern des allen England sitzend die ganze neuere Entwicklung als
eine Art Mißgeburt behandeln und dafür ein etwas unklares Ideal von Ver¬
größerung der allgemeinen Freiheit durch verminderte Gewalt des Parlaments
nicht ohne einige Neigung zur Verstärkung der Königsmacht ersonnen haben,
ein englischer Bonapartismus, welcher auf breitester demokratischer Grund,
läge die Aristokratie und die Mittelclassen umwerfen soll. Die Zeiten, die
Ansichten und die Bestrebungen sind anders geworden und darum wirken die
alten Kräfte auch anders, aber gewiß nicht schlechter. Es wird in Zukunft
Sache des Parlaments. Sache der Presse und jedes Einzelnen sein, die durch
die indischen Ereignisse gelegten Keime zu einer der bisherigen fremden Ent¬
wicklung der englischen Zustünde sich nicht übermächtig entfalten zu .lassen,
weiter läßt sich für jetzt nichts sagen. Namentlich der Presse wird hierbei
ein großer Berus zufallen, und grade in ihr sehen wir auch für die Erfüllung
desselben das geeignetste Werkzeug.




Die gewerbliche Kunstthätigkeit.

Kann das Gewerbe überhaupt eine Kunstthütigkeit entwickeln, oder bleibt
es am sichersten in den engen Schranken seiner nächsten und ursprünglichen
Bestimmung, dem ^rein Zweckmäßiger und Praktischen zu dienen, eingeschlossen?

Ein beschränkter Sinn wird auf den ersten Theil jener Frage mit einem >
entschiedenen Nein antworten, nicht weil er über die Sachlage sich klar zu
werden versucht hat. sondern weil es ihm angenehm scheint, sobald er Pro¬
ducent ist, mit dem blos Handwerklichen und leicht Erlernbaren seines Ge-


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[0192] eignisse mit so großer und gewiß gerechtfertigter Theilnahme verfolgt hat, diese für die bevorstehenden Veränderungen leitenden Gesichtspunkte sich an¬ eigne. Es mag immerhin richtig sein, daß in weiterer Folge derselben Ver¬ änderungen im englischen Staatsleben eintreten tonnen, wenn auch nicht nothwendig eintreten müssen; das lüge aber nur eben an der Gewalt der Thatsachen. Ein Staat, der zu Behauptung eines von ihm eroberten weit- läufigen Gebiets aus Jahre hinaus einer Art militärischer Dictatur für das¬ selbe bedarf, kann einmal nun -nicht allein mehr den alten Weg der parla¬ mentarischen Sicherheismaßregein gehen; England muß entweder Indien aus¬ geben oder den Schutz für seine Freiheiten anderswo als bisher finden. Auch diese Rückwirkung auf die heimischen englischen Zustände haben wir bereits vorausgesehen. Wir zweifeln übrigens sehr, daß eine solche Sicherheit durch irgend eine blos äußerlich angebrachte Maßregel gewährt werden kann, sie muß vielmehr in den Menschen selbst liegen. Das übersehen die, welche auf den Trümmern des allen England sitzend die ganze neuere Entwicklung als eine Art Mißgeburt behandeln und dafür ein etwas unklares Ideal von Ver¬ größerung der allgemeinen Freiheit durch verminderte Gewalt des Parlaments nicht ohne einige Neigung zur Verstärkung der Königsmacht ersonnen haben, ein englischer Bonapartismus, welcher auf breitester demokratischer Grund, läge die Aristokratie und die Mittelclassen umwerfen soll. Die Zeiten, die Ansichten und die Bestrebungen sind anders geworden und darum wirken die alten Kräfte auch anders, aber gewiß nicht schlechter. Es wird in Zukunft Sache des Parlaments. Sache der Presse und jedes Einzelnen sein, die durch die indischen Ereignisse gelegten Keime zu einer der bisherigen fremden Ent¬ wicklung der englischen Zustünde sich nicht übermächtig entfalten zu .lassen, weiter läßt sich für jetzt nichts sagen. Namentlich der Presse wird hierbei ein großer Berus zufallen, und grade in ihr sehen wir auch für die Erfüllung desselben das geeignetste Werkzeug. Die gewerbliche Kunstthätigkeit. Kann das Gewerbe überhaupt eine Kunstthütigkeit entwickeln, oder bleibt es am sichersten in den engen Schranken seiner nächsten und ursprünglichen Bestimmung, dem ^rein Zweckmäßiger und Praktischen zu dienen, eingeschlossen? Ein beschränkter Sinn wird auf den ersten Theil jener Frage mit einem > entschiedenen Nein antworten, nicht weil er über die Sachlage sich klar zu werden versucht hat. sondern weil es ihm angenehm scheint, sobald er Pro¬ ducent ist, mit dem blos Handwerklichen und leicht Erlernbaren seines Ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/192>, abgerufen am 29.04.2024.