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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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eigenen Geschäft ist, und wie viel Geld dieselben unnütz an besondere Zeichner
auszugeben haben, wenn bildnerischer Schmuck oder eine elegante Form be¬
sonders verlangt wird, um zuletzt oft nach Plänen arbeiten zu müssen, die
ihnen ebensowenig zusagen wie den Bestellern, weil sie mit den Forderungen
ihres Handwerks nicht in Einklang zu bringen sind-

Der Staat hat für gewisse Gewerbe schon für einen derartigen speciellen
Unterricht Sorge getragen, andere haben sich ihn durch eigene zu diesem
Zweck errichtete Institute zu verschaffen gesucht, warum steht man an. allen
Handwerken insgesammt diesen Vortheil zuzugestehen, da voraussichtlich der
Nutzen für die Allgemeinheit ein bedeutender sein wird? Hebung der gewerb¬
lichen Industrie ist die Losung unserer Zeit geworden, möge er es bleiben, nur
mit dem Unterschied, daß man in Zukunft nicht nur dem fabrikmäßigen Theil
derselben seine besondere Obhut zuwende, sondern auch den Theilen, welche
ihrem Untergang näher und näher kommen, wenn man sie dem alten Schien"
drian nicht bald entreiß?. Statt an eine Wiederbelebung des veralteten und
verrotteten Zunftwesens denke man an eine Umgestaltung der Gewerbe zu
gewerblicher Kunstthätigkeit und sie werden dadurch innerlich und äußerlich
W. W. mächtig gehoben sein.




Das Attentat aus den Kaiser Napoleon.
''

Was bei den politischen Verbrechen, von denen wieder ein neues den ge¬
rechten Abscheu Europas hervorgerufen hat, den peinlichsten Eindruck macht, ist der
Umstand, daß es noch immer eine Classe von Irregeleiteter gibt, die etwas Heroisches
oder wol gar Tugendhaftes darin sehn, Missethäter der schlimmsten Art gibt es bei
uns in derselben Zahl, wie es deren zu allen Zeiten gegeben hat, aber in diesen
untergeordneten Regionen des Lasters weiß doch jeder, daß er sündigt, während in
der Politik der Wahn, der im 16, und 17. Jahrhundert der Kirche vorbehalten
blieb, daß der Zweck die Mittel heiligt, noch immer eine Menge unreifer Köpfe be¬
hängt. Der religiöse Fanatismus gab Element und Ravaillac die verruchten Dolche
in die Hand, der politische Fanatismus scheint in unserer Zeit den religiösen ersetzt
zu haben, und die Menge verabschenungswürdiger Mordversuche, die seit einem
Menschenalter in Paris vorgekommen sind, kann uns wol über die Festigkeit unserer
sittlichen Bildung in Zweifel setzen.

In der Regel hat man bei der Beurtheilung dieser Attentate einen wichtigen
Umstand übersehn. Fast immer ist der politische Zweck nur das Aushängeschild für
eine wilde verbrecherische Natur, um die bösen Gelüste des Herzens damit zu be¬
schönigen. Der wahre Inhalt der That ist nichts Anderes als was in den gemein¬
sten Verbrechen die Seele schlechter Menschen bestimmt; die Farbe erhält sie von dem
Vorurtheil. gewissermaßen von der Mode der Zeit. Die Predigten der Jesuiten


eigenen Geschäft ist, und wie viel Geld dieselben unnütz an besondere Zeichner
auszugeben haben, wenn bildnerischer Schmuck oder eine elegante Form be¬
sonders verlangt wird, um zuletzt oft nach Plänen arbeiten zu müssen, die
ihnen ebensowenig zusagen wie den Bestellern, weil sie mit den Forderungen
ihres Handwerks nicht in Einklang zu bringen sind-

Der Staat hat für gewisse Gewerbe schon für einen derartigen speciellen
Unterricht Sorge getragen, andere haben sich ihn durch eigene zu diesem
Zweck errichtete Institute zu verschaffen gesucht, warum steht man an. allen
Handwerken insgesammt diesen Vortheil zuzugestehen, da voraussichtlich der
Nutzen für die Allgemeinheit ein bedeutender sein wird? Hebung der gewerb¬
lichen Industrie ist die Losung unserer Zeit geworden, möge er es bleiben, nur
mit dem Unterschied, daß man in Zukunft nicht nur dem fabrikmäßigen Theil
derselben seine besondere Obhut zuwende, sondern auch den Theilen, welche
ihrem Untergang näher und näher kommen, wenn man sie dem alten Schien»
drian nicht bald entreiß?. Statt an eine Wiederbelebung des veralteten und
verrotteten Zunftwesens denke man an eine Umgestaltung der Gewerbe zu
gewerblicher Kunstthätigkeit und sie werden dadurch innerlich und äußerlich
W. W. mächtig gehoben sein.




Das Attentat aus den Kaiser Napoleon.
''

Was bei den politischen Verbrechen, von denen wieder ein neues den ge¬
rechten Abscheu Europas hervorgerufen hat, den peinlichsten Eindruck macht, ist der
Umstand, daß es noch immer eine Classe von Irregeleiteter gibt, die etwas Heroisches
oder wol gar Tugendhaftes darin sehn, Missethäter der schlimmsten Art gibt es bei
uns in derselben Zahl, wie es deren zu allen Zeiten gegeben hat, aber in diesen
untergeordneten Regionen des Lasters weiß doch jeder, daß er sündigt, während in
der Politik der Wahn, der im 16, und 17. Jahrhundert der Kirche vorbehalten
blieb, daß der Zweck die Mittel heiligt, noch immer eine Menge unreifer Köpfe be¬
hängt. Der religiöse Fanatismus gab Element und Ravaillac die verruchten Dolche
in die Hand, der politische Fanatismus scheint in unserer Zeit den religiösen ersetzt
zu haben, und die Menge verabschenungswürdiger Mordversuche, die seit einem
Menschenalter in Paris vorgekommen sind, kann uns wol über die Festigkeit unserer
sittlichen Bildung in Zweifel setzen.

In der Regel hat man bei der Beurtheilung dieser Attentate einen wichtigen
Umstand übersehn. Fast immer ist der politische Zweck nur das Aushängeschild für
eine wilde verbrecherische Natur, um die bösen Gelüste des Herzens damit zu be¬
schönigen. Der wahre Inhalt der That ist nichts Anderes als was in den gemein¬
sten Verbrechen die Seele schlechter Menschen bestimmt; die Farbe erhält sie von dem
Vorurtheil. gewissermaßen von der Mode der Zeit. Die Predigten der Jesuiten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/200>, abgerufen am 28.04.2024.