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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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zur Hebung des Journalismus im Allgemeinen, ist die Gründung eines Blat¬
tes wie die preußischen Jahrbücher ein unberechenbarer Gewinn.

Da wir aber über die populäre Literatur manches Nachtheilige gesagt
haben, so fühlen wir uns verpflichtet, auf einen sehr nützlichen und respectabeln
Zweig derselben hinzuweisen. Wir meinen die encyklopädischen Sammlungen,
die sich an das brockhausische Conversatio n slexikon anknüpfen. Es
wäre im höchsten Grad unbillig, von allen Artikeln gleiche Vortrefflichkeit zu
erwarten, aber sowol die Gegenwart, die nun mit dem 12 Bande beendigt
ist, als die neue Zeit, die mehr auf die encyklopädischen Bedürfnisse Rück¬
sicht nimmt, und von welcher der erste Band jetzt fertig vorliegt, enthalten
nicht blos eine Reihe zweckmäßiger und nützlicher Uebersichten, sondern auch
einzelne eingehende Abhandlungen, die in den ersten Rang der wissenschaft¬
lichen Literatur gehören. Wir erinnern nur an die Arbeiten von Röscher
über Nationalökonomie und von Springer über neuere Kunstgeschichte. Der
Stand der Gelehrten hat gegen diese Gattung von Werken trotz Jöcher immer
ein ungerechtfertigtes Vorurtheil gehabt. Bei der massenhaften Ansammlung
des wissenschaftlichen Materials ist aber jede Vorarbeit dankenswert!), welche
die Arbeit wesentlich abkürzt, sobald man sich nur aus ihre wissenschaftliche
Correctheit verlassen kann, und es ist nicht zu bestreiten, daß sich die brock-
I. S. hausischen Sammelwerke diesem Ziel immer mehr nähern. --




Die Aerzte im alten Rom.

Zwar war der Dienst des heilenden Gottes Aesculap bereits während
des dritten samnitischen Krieges auf Befehl der sybillinischcn Bücher von
Epidaurus nach Rom verpflanzt worden, um einer damals herrschenden Epi¬
demie Einhalt zu thun; und gewiß wurden auch seitdem im Tempel des Got¬
tes auf der Tiberinsel die von den griechischen Asklepiospricstern allenthalben
geübten religiösen Wunderkuren nicht unterlassen. Allein an ein wohlein¬
gerichtetes Tempelhospital läßt sich dabei schwerlich denken, und wenn Sue-
ton erzählt, daß der Kaiser Claudius das Verfahren der Herrn, welche ihre
kranken Sklaven auf der Tiberinsel aussetzten, als eine arge Grausamkeit
dadurch bestrafte, daß er solche Sklaven für frei erklärte, so spricht dies
eben für das geringe Ansehen und für die wenig allgemeine Be¬
nutzung dieser größtentheils auf Priesterbctrug (vermittelst divinato-
rischer Träume und der abgerichteten cpidaurischen Tempelschlange) basir-
ten Lazarctheinrichtung. Eigentliche Aerzte hat Rom vor dem 6. Jahrhun¬
dert seiner Zeitrechnung nicht gehabt. Der Pcloponnesier Archagathus,


zur Hebung des Journalismus im Allgemeinen, ist die Gründung eines Blat¬
tes wie die preußischen Jahrbücher ein unberechenbarer Gewinn.

Da wir aber über die populäre Literatur manches Nachtheilige gesagt
haben, so fühlen wir uns verpflichtet, auf einen sehr nützlichen und respectabeln
Zweig derselben hinzuweisen. Wir meinen die encyklopädischen Sammlungen,
die sich an das brockhausische Conversatio n slexikon anknüpfen. Es
wäre im höchsten Grad unbillig, von allen Artikeln gleiche Vortrefflichkeit zu
erwarten, aber sowol die Gegenwart, die nun mit dem 12 Bande beendigt
ist, als die neue Zeit, die mehr auf die encyklopädischen Bedürfnisse Rück¬
sicht nimmt, und von welcher der erste Band jetzt fertig vorliegt, enthalten
nicht blos eine Reihe zweckmäßiger und nützlicher Uebersichten, sondern auch
einzelne eingehende Abhandlungen, die in den ersten Rang der wissenschaft¬
lichen Literatur gehören. Wir erinnern nur an die Arbeiten von Röscher
über Nationalökonomie und von Springer über neuere Kunstgeschichte. Der
Stand der Gelehrten hat gegen diese Gattung von Werken trotz Jöcher immer
ein ungerechtfertigtes Vorurtheil gehabt. Bei der massenhaften Ansammlung
des wissenschaftlichen Materials ist aber jede Vorarbeit dankenswert!), welche
die Arbeit wesentlich abkürzt, sobald man sich nur aus ihre wissenschaftliche
Correctheit verlassen kann, und es ist nicht zu bestreiten, daß sich die brock-
I. S. hausischen Sammelwerke diesem Ziel immer mehr nähern. —




Die Aerzte im alten Rom.

Zwar war der Dienst des heilenden Gottes Aesculap bereits während
des dritten samnitischen Krieges auf Befehl der sybillinischcn Bücher von
Epidaurus nach Rom verpflanzt worden, um einer damals herrschenden Epi¬
demie Einhalt zu thun; und gewiß wurden auch seitdem im Tempel des Got¬
tes auf der Tiberinsel die von den griechischen Asklepiospricstern allenthalben
geübten religiösen Wunderkuren nicht unterlassen. Allein an ein wohlein¬
gerichtetes Tempelhospital läßt sich dabei schwerlich denken, und wenn Sue-
ton erzählt, daß der Kaiser Claudius das Verfahren der Herrn, welche ihre
kranken Sklaven auf der Tiberinsel aussetzten, als eine arge Grausamkeit
dadurch bestrafte, daß er solche Sklaven für frei erklärte, so spricht dies
eben für das geringe Ansehen und für die wenig allgemeine Be¬
nutzung dieser größtentheils auf Priesterbctrug (vermittelst divinato-
rischer Träume und der abgerichteten cpidaurischen Tempelschlange) basir-
ten Lazarctheinrichtung. Eigentliche Aerzte hat Rom vor dem 6. Jahrhun¬
dert seiner Zeitrechnung nicht gehabt. Der Pcloponnesier Archagathus,


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[0255] zur Hebung des Journalismus im Allgemeinen, ist die Gründung eines Blat¬ tes wie die preußischen Jahrbücher ein unberechenbarer Gewinn. Da wir aber über die populäre Literatur manches Nachtheilige gesagt haben, so fühlen wir uns verpflichtet, auf einen sehr nützlichen und respectabeln Zweig derselben hinzuweisen. Wir meinen die encyklopädischen Sammlungen, die sich an das brockhausische Conversatio n slexikon anknüpfen. Es wäre im höchsten Grad unbillig, von allen Artikeln gleiche Vortrefflichkeit zu erwarten, aber sowol die Gegenwart, die nun mit dem 12 Bande beendigt ist, als die neue Zeit, die mehr auf die encyklopädischen Bedürfnisse Rück¬ sicht nimmt, und von welcher der erste Band jetzt fertig vorliegt, enthalten nicht blos eine Reihe zweckmäßiger und nützlicher Uebersichten, sondern auch einzelne eingehende Abhandlungen, die in den ersten Rang der wissenschaft¬ lichen Literatur gehören. Wir erinnern nur an die Arbeiten von Röscher über Nationalökonomie und von Springer über neuere Kunstgeschichte. Der Stand der Gelehrten hat gegen diese Gattung von Werken trotz Jöcher immer ein ungerechtfertigtes Vorurtheil gehabt. Bei der massenhaften Ansammlung des wissenschaftlichen Materials ist aber jede Vorarbeit dankenswert!), welche die Arbeit wesentlich abkürzt, sobald man sich nur aus ihre wissenschaftliche Correctheit verlassen kann, und es ist nicht zu bestreiten, daß sich die brock- I. S. hausischen Sammelwerke diesem Ziel immer mehr nähern. — Die Aerzte im alten Rom. Zwar war der Dienst des heilenden Gottes Aesculap bereits während des dritten samnitischen Krieges auf Befehl der sybillinischcn Bücher von Epidaurus nach Rom verpflanzt worden, um einer damals herrschenden Epi¬ demie Einhalt zu thun; und gewiß wurden auch seitdem im Tempel des Got¬ tes auf der Tiberinsel die von den griechischen Asklepiospricstern allenthalben geübten religiösen Wunderkuren nicht unterlassen. Allein an ein wohlein¬ gerichtetes Tempelhospital läßt sich dabei schwerlich denken, und wenn Sue- ton erzählt, daß der Kaiser Claudius das Verfahren der Herrn, welche ihre kranken Sklaven auf der Tiberinsel aussetzten, als eine arge Grausamkeit dadurch bestrafte, daß er solche Sklaven für frei erklärte, so spricht dies eben für das geringe Ansehen und für die wenig allgemeine Be¬ nutzung dieser größtentheils auf Priesterbctrug (vermittelst divinato- rischer Träume und der abgerichteten cpidaurischen Tempelschlange) basir- ten Lazarctheinrichtung. Eigentliche Aerzte hat Rom vor dem 6. Jahrhun¬ dert seiner Zeitrechnung nicht gehabt. Der Pcloponnesier Archagathus,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/255>, abgerufen am 28.04.2024.