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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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frieden geben, sie würden am nächsten Tage sicher bezahlt werden. Sie aber
wollten nicht abziehn, wenn sie nicht versichert würden, daß sie ungestraft
bleiben sollten, weil sie dein Kaiser vor sein Logis gerückt wären. Das ver¬
sprach ihnen der Kaiser, so zogen sie ab, wurden den nächsten Tag bezahlt und
entlassen. Aber was geschah? Es wurden einige Späher abgefertigt, die soll¬
ten sich unvermerkt zu den Führern der Fähnlein ein, zwei, drei Tagereisen
gesellen und hören, ob diese auch der Kais. Majestät ungünstig oder spöttisch
gedenken würden; wenn das geschehe, sollten sie sich Beistand nehmen und
die Männer gefangen zu Augsburg wieder einbringen. Am andern oder
dritten Abend im Wirthshaus thaten die Landsknechte einen fröhlichen Trunk,
denn sie hatten Geld im Säckel und vermeinten, sie wären jetzt sicher, wie in
Priester Johanns Land, und glaubten nicht, daß sie ihren Berräther bei sich
sitzen hätten, da gedachten sie der Kais. Majestät in solcher Weise: "O weh,
ja! das sollte man Karl von Gent erlauben, Kriegsleute annehmen und sie nicht
bezahlen!" Sie schworen dem Kaiser Se. Vettius Krankheit an den Hals*) und:
"wir wolltens ihm schon gelehrt und auf den Kopf gegeben haben, Gotts Ele¬
ment sollte ihn geschändet haben." Auf solche Worte ^wurden sie ergriffen,
wieder zurück nach Augsburg geführt, am Verlans an den Galgen gehenkt
und einem jeden ein kleines Fähnlein in den Latz gesteckt.




Ein russischer Stmitsmalm.

Des Grafen I. I. Siepers Denkwürdigkeiten zur Geschichte Rußlands von K. L.
Blum. Bd. 1. 2. ö. Leipzig, Winter. --

Das Buch gehört zu den interessantesten, die uus in der neuesten Zeit
vorgekommen sind, und ist namentlich im treten Band für die Geschichte eine
wichtige Quelle. Auch aus den beiden ersten Bänden lernt man sehr viel
über den innern Mechanismus jenes kolossalen Reichs, dessen Stärke doch
hauptsächlich auf der Schwäche und Kläglichkeit seiner Nachbarn beruhte,
aber hier bleiben in den Papieren, die dem Herausgeber vorlagen, viele Lücken,
die er selbst auszufüllen nicht im Stande war, und die nur eine detaillirte
Kenntniß der russischen Geschichte vollständig ergänzen könnte. Im dritten Band
dagegen stehen wir aus festem historischen Boden. Die Hauptfacta über die
Theilung Polens sind hinlänglich bekannt, und es wird uns hier ein über¬
raschender Blick hinter die Coulissen eröffnet; die einzelnen Betheiligten ge-



") Die schwere Noth, fallende Sucht.

frieden geben, sie würden am nächsten Tage sicher bezahlt werden. Sie aber
wollten nicht abziehn, wenn sie nicht versichert würden, daß sie ungestraft
bleiben sollten, weil sie dein Kaiser vor sein Logis gerückt wären. Das ver¬
sprach ihnen der Kaiser, so zogen sie ab, wurden den nächsten Tag bezahlt und
entlassen. Aber was geschah? Es wurden einige Späher abgefertigt, die soll¬
ten sich unvermerkt zu den Führern der Fähnlein ein, zwei, drei Tagereisen
gesellen und hören, ob diese auch der Kais. Majestät ungünstig oder spöttisch
gedenken würden; wenn das geschehe, sollten sie sich Beistand nehmen und
die Männer gefangen zu Augsburg wieder einbringen. Am andern oder
dritten Abend im Wirthshaus thaten die Landsknechte einen fröhlichen Trunk,
denn sie hatten Geld im Säckel und vermeinten, sie wären jetzt sicher, wie in
Priester Johanns Land, und glaubten nicht, daß sie ihren Berräther bei sich
sitzen hätten, da gedachten sie der Kais. Majestät in solcher Weise: „O weh,
ja! das sollte man Karl von Gent erlauben, Kriegsleute annehmen und sie nicht
bezahlen!" Sie schworen dem Kaiser Se. Vettius Krankheit an den Hals*) und:
„wir wolltens ihm schon gelehrt und auf den Kopf gegeben haben, Gotts Ele¬
ment sollte ihn geschändet haben." Auf solche Worte ^wurden sie ergriffen,
wieder zurück nach Augsburg geführt, am Verlans an den Galgen gehenkt
und einem jeden ein kleines Fähnlein in den Latz gesteckt.




Ein russischer Stmitsmalm.

Des Grafen I. I. Siepers Denkwürdigkeiten zur Geschichte Rußlands von K. L.
Blum. Bd. 1. 2. ö. Leipzig, Winter. —

Das Buch gehört zu den interessantesten, die uus in der neuesten Zeit
vorgekommen sind, und ist namentlich im treten Band für die Geschichte eine
wichtige Quelle. Auch aus den beiden ersten Bänden lernt man sehr viel
über den innern Mechanismus jenes kolossalen Reichs, dessen Stärke doch
hauptsächlich auf der Schwäche und Kläglichkeit seiner Nachbarn beruhte,
aber hier bleiben in den Papieren, die dem Herausgeber vorlagen, viele Lücken,
die er selbst auszufüllen nicht im Stande war, und die nur eine detaillirte
Kenntniß der russischen Geschichte vollständig ergänzen könnte. Im dritten Band
dagegen stehen wir aus festem historischen Boden. Die Hauptfacta über die
Theilung Polens sind hinlänglich bekannt, und es wird uns hier ein über¬
raschender Blick hinter die Coulissen eröffnet; die einzelnen Betheiligten ge-



") Die schwere Noth, fallende Sucht.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/306>, abgerufen am 28.04.2024.