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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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Josephus und der jüdische Krieg.

Des Flavius Josephus Geschichte des jüdischen Krieges, übersetzt von Heinrich Parce,
Diakonus zu Bmckenhcim 1856. Stuttgart, I, E. Metzler.

Wenn Spiegclberg Karl Moor aufforderte den Josephus zu lesen, so
hatte er allerdings dazu seine ganz besondern Gründe; aber auch für andere
Leser ist es eine sehr interessante Lectüre. Die obengenannte treffliche neue
Uebersetzung seiner Geschichte des jüdischen Krieges bietet NichtPhilologen Ge¬
legenheit, sich mit dem besten Buch dieses merkwürdigen Schriftstellers bekannt
zu machen; sie ist übrigens auch für Philologen nicht ohne Werth. Josephus
beschrieb den Untergang seines Vaterlandes in Rom als Pensionär der sieg¬
reichen Ueberwinder, zuerst in seiner Muttersprache, dann in der griechischen
Umarbeitung, die wir noch haben. In welchem Sinne, erhellt daraus, daß
Titus die Veröffentlichung ausdrücklich autorisirte. Ein kurzer Abriß der jü¬
dischen Geschichte von den Makkabäern an leitet die ausführliche Erzählung
ein, in welcher die Empörung der aufs Aeußerste getriebenen Nation, ihr vier¬
jähriger Verzweiflungskampf gegen eine erdrückende Uebermacht und dessen
tragisches Ende geschildert werden. Für die äußerliche Wahrheit d. h. die
Nichtigkeit und Genauigkeit in der Darstellung der Begebenheiten bürgt, daß
Josephus als Augenzeuge und für Augenzeugen schrieb. Innere Wahrheit
d. h. richtige Darstellung der Motive und Einflüsse, die auf die Entwickelung dieser
großen Katastrophe einwirkten und die Führer der Bewegung leiteten, dürfen
wir hier natürlich nicht suchen. Für Josephus sind die heroischen Vertheidi¬
ger der Sache, von der er abgefallen war, um sein kostbares Leben zu retten,
"Räuber oder Unsinnige".

Das zweite größere Werk des Josephus "die jüdischen Alterthümer" (eine
jüdische Geschichte von Erschaffung der Welt bis auf das Jahr 66 nach Chr.)
ist in seiner zweiten Hälfte eine wichtige Quelle auch für römische Geschichte,
zum größern Theil hat es ein vorwiegend theologisches Interesse. Die Er¬
zählung folgt im Ganzen dem alten Testament, aber auch nationalen Tradi¬
tionen und Sagen. Seine kurze Autobiographie ist eine Vertheidigung gegen
die Angriffe der jüdischen Patriotenpartei, der man die unbehagliche Stimmung
des Verfassers trotz des überschwenglichen Selbstlobes anfühlt. Viel erquick¬
licher ist seine Vertheidigung des Judenthums gegen den alexandrinischen Ge¬
lehrten Apior, in der die Vortheile, welche die monotheistische Religion und
ihr Moralgesetz ihrem Verfechter gegen die heidnischen Angriffe bietet, geschickt
benutzt und die Darstellung würdig gehalten ist. Zugleich erhalten wir
hier interessante Einblicke in die antike judenfeindliche Literatur, für welche


Josephus und der jüdische Krieg.

Des Flavius Josephus Geschichte des jüdischen Krieges, übersetzt von Heinrich Parce,
Diakonus zu Bmckenhcim 1856. Stuttgart, I, E. Metzler.

Wenn Spiegclberg Karl Moor aufforderte den Josephus zu lesen, so
hatte er allerdings dazu seine ganz besondern Gründe; aber auch für andere
Leser ist es eine sehr interessante Lectüre. Die obengenannte treffliche neue
Uebersetzung seiner Geschichte des jüdischen Krieges bietet NichtPhilologen Ge¬
legenheit, sich mit dem besten Buch dieses merkwürdigen Schriftstellers bekannt
zu machen; sie ist übrigens auch für Philologen nicht ohne Werth. Josephus
beschrieb den Untergang seines Vaterlandes in Rom als Pensionär der sieg¬
reichen Ueberwinder, zuerst in seiner Muttersprache, dann in der griechischen
Umarbeitung, die wir noch haben. In welchem Sinne, erhellt daraus, daß
Titus die Veröffentlichung ausdrücklich autorisirte. Ein kurzer Abriß der jü¬
dischen Geschichte von den Makkabäern an leitet die ausführliche Erzählung
ein, in welcher die Empörung der aufs Aeußerste getriebenen Nation, ihr vier¬
jähriger Verzweiflungskampf gegen eine erdrückende Uebermacht und dessen
tragisches Ende geschildert werden. Für die äußerliche Wahrheit d. h. die
Nichtigkeit und Genauigkeit in der Darstellung der Begebenheiten bürgt, daß
Josephus als Augenzeuge und für Augenzeugen schrieb. Innere Wahrheit
d. h. richtige Darstellung der Motive und Einflüsse, die auf die Entwickelung dieser
großen Katastrophe einwirkten und die Führer der Bewegung leiteten, dürfen
wir hier natürlich nicht suchen. Für Josephus sind die heroischen Vertheidi¬
ger der Sache, von der er abgefallen war, um sein kostbares Leben zu retten,
„Räuber oder Unsinnige".

Das zweite größere Werk des Josephus „die jüdischen Alterthümer" (eine
jüdische Geschichte von Erschaffung der Welt bis auf das Jahr 66 nach Chr.)
ist in seiner zweiten Hälfte eine wichtige Quelle auch für römische Geschichte,
zum größern Theil hat es ein vorwiegend theologisches Interesse. Die Er¬
zählung folgt im Ganzen dem alten Testament, aber auch nationalen Tradi¬
tionen und Sagen. Seine kurze Autobiographie ist eine Vertheidigung gegen
die Angriffe der jüdischen Patriotenpartei, der man die unbehagliche Stimmung
des Verfassers trotz des überschwenglichen Selbstlobes anfühlt. Viel erquick¬
licher ist seine Vertheidigung des Judenthums gegen den alexandrinischen Ge¬
lehrten Apior, in der die Vortheile, welche die monotheistische Religion und
ihr Moralgesetz ihrem Verfechter gegen die heidnischen Angriffe bietet, geschickt
benutzt und die Darstellung würdig gehalten ist. Zugleich erhalten wir
hier interessante Einblicke in die antike judenfeindliche Literatur, für welche


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[0342] Josephus und der jüdische Krieg. Des Flavius Josephus Geschichte des jüdischen Krieges, übersetzt von Heinrich Parce, Diakonus zu Bmckenhcim 1856. Stuttgart, I, E. Metzler. Wenn Spiegclberg Karl Moor aufforderte den Josephus zu lesen, so hatte er allerdings dazu seine ganz besondern Gründe; aber auch für andere Leser ist es eine sehr interessante Lectüre. Die obengenannte treffliche neue Uebersetzung seiner Geschichte des jüdischen Krieges bietet NichtPhilologen Ge¬ legenheit, sich mit dem besten Buch dieses merkwürdigen Schriftstellers bekannt zu machen; sie ist übrigens auch für Philologen nicht ohne Werth. Josephus beschrieb den Untergang seines Vaterlandes in Rom als Pensionär der sieg¬ reichen Ueberwinder, zuerst in seiner Muttersprache, dann in der griechischen Umarbeitung, die wir noch haben. In welchem Sinne, erhellt daraus, daß Titus die Veröffentlichung ausdrücklich autorisirte. Ein kurzer Abriß der jü¬ dischen Geschichte von den Makkabäern an leitet die ausführliche Erzählung ein, in welcher die Empörung der aufs Aeußerste getriebenen Nation, ihr vier¬ jähriger Verzweiflungskampf gegen eine erdrückende Uebermacht und dessen tragisches Ende geschildert werden. Für die äußerliche Wahrheit d. h. die Nichtigkeit und Genauigkeit in der Darstellung der Begebenheiten bürgt, daß Josephus als Augenzeuge und für Augenzeugen schrieb. Innere Wahrheit d. h. richtige Darstellung der Motive und Einflüsse, die auf die Entwickelung dieser großen Katastrophe einwirkten und die Führer der Bewegung leiteten, dürfen wir hier natürlich nicht suchen. Für Josephus sind die heroischen Vertheidi¬ ger der Sache, von der er abgefallen war, um sein kostbares Leben zu retten, „Räuber oder Unsinnige". Das zweite größere Werk des Josephus „die jüdischen Alterthümer" (eine jüdische Geschichte von Erschaffung der Welt bis auf das Jahr 66 nach Chr.) ist in seiner zweiten Hälfte eine wichtige Quelle auch für römische Geschichte, zum größern Theil hat es ein vorwiegend theologisches Interesse. Die Er¬ zählung folgt im Ganzen dem alten Testament, aber auch nationalen Tradi¬ tionen und Sagen. Seine kurze Autobiographie ist eine Vertheidigung gegen die Angriffe der jüdischen Patriotenpartei, der man die unbehagliche Stimmung des Verfassers trotz des überschwenglichen Selbstlobes anfühlt. Viel erquick¬ licher ist seine Vertheidigung des Judenthums gegen den alexandrinischen Ge¬ lehrten Apior, in der die Vortheile, welche die monotheistische Religion und ihr Moralgesetz ihrem Verfechter gegen die heidnischen Angriffe bietet, geschickt benutzt und die Darstellung würdig gehalten ist. Zugleich erhalten wir hier interessante Einblicke in die antike judenfeindliche Literatur, für welche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/342>, abgerufen am 28.04.2024.