Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Imperialistische Consequenzen.

Eine vielgebrauchte französische Redewendung, um sich für etwas zu ent¬
schuldigen, was man besser nicht gethan, ist que voulsö-vous, e'est xlus lor-t
csus wol. Das mag auch Napoleon III. sagen, das Princip des Imperialis¬
mus ist stärker als seine Persönlichkeit, er möchte vielleicht Mäßigung zeigen,
ensis, c'est Ms kort pun: lui. Den beschwichtigenden Artikeln des Con-
stitutionel und des Moiüteur vom 13. Febr. ist es nicht gelungen, den Ein¬
druck zu verwischen, den die Maßregeln selbst gemacht haben, das vorlaute
Prahlen und Drohen der Adressen konnte dementirt werden, die Ernennung
eines Generals zum Minister des Innern blieb , eine' Thatsache. Jener Ar¬
tikel des Moniteur bestätigt übrigens auf das bündigste die in Ur. 6 dieser
Blätter ausgesprochene Ansicht, daß das Attentat nicht die Ursache, sondern
nur der Anlaß zu dem Sicherheitsgesetz war. "Die Maßregeln," heißt es.
"welche die kaiserliche Regierung genommen, um unsere Institutionen zu ver¬
theidigen und zu befestigen, waren seit langer Zeit bei Sr. Majestät be-
schlossen. Die Existenz, die Organisation, die Verschwörungen der Feinde der
gesellschaftlichen Ordnung konnten der Regierung nicht verborgen bleiben.
Ihre erste Pflicht war, die Verwirklichung dieser Absichten zu vereiteln, und
sie war entschlossen, dies ohne Leidenschaft und ohne Schwäche zu thun.
Das Attentat vom l4. Jan. war nicht geeignet, sie davon abzuhalten. Dies
Verbrechen hat die von der Vorsicht vorgeschriebenen Maßregeln weder ein-
gegeben noch verschärft, aber nichts konnte besser ihre Dringlichkeit zeigen
und ihre Nothwendigkeit rechtfertigen." Die mißliebigen Wahlen des letzten
Sommers, die leisen Regungen der Presse, die geheimen Gesellschaften waren
die Gründe, welche neue Repressivmaßregeln beabsichtigen ließen, das Attentat
bot den Anlaß, sie ins Leben treten zu lassen. Zwar Graf Morny und der
neue Minister des Innern sprechen merkwürdigerweise eine andere Ansicht aus
und stellen.jenen Mordversuch als einen Blitz aus heiterm Himmel dar, wat^
cher zu aller Erschrecken die verborgen brütenden bösen Leidenschaften gezeigt,
indessen man wird uns verzeihen, wenn wir dem Moniteur mehr glauben,
als den Dienern, welche stets kaiserlicher als ihr Herr s
^ein wollen. Nebenbei
bemerkt sind die Widersprüche der Regierungsorgane in dieser Angelegenheit
sehr auffallend, man wird aber leicht durch die Gegensätze den wirklichen
Faden verfolgen können, wenn man die beschwichtigenden und entschuldigenden
Acte in ihrem thatsächlichen Zusammenhang betrachtet, z. B. die Ent-
schuldigungsdepcsche des Grafen Walewski über die militärischen Drohungen
im Moniteur. Das Sachverhältniß war hier einfach folgendes: jene Adressen
hatten in England großes Aufsehen hervorgerufen, das Ministerium war im


Imperialistische Consequenzen.

Eine vielgebrauchte französische Redewendung, um sich für etwas zu ent¬
schuldigen, was man besser nicht gethan, ist que voulsö-vous, e'est xlus lor-t
csus wol. Das mag auch Napoleon III. sagen, das Princip des Imperialis¬
mus ist stärker als seine Persönlichkeit, er möchte vielleicht Mäßigung zeigen,
ensis, c'est Ms kort pun: lui. Den beschwichtigenden Artikeln des Con-
stitutionel und des Moiüteur vom 13. Febr. ist es nicht gelungen, den Ein¬
druck zu verwischen, den die Maßregeln selbst gemacht haben, das vorlaute
Prahlen und Drohen der Adressen konnte dementirt werden, die Ernennung
eines Generals zum Minister des Innern blieb , eine' Thatsache. Jener Ar¬
tikel des Moniteur bestätigt übrigens auf das bündigste die in Ur. 6 dieser
Blätter ausgesprochene Ansicht, daß das Attentat nicht die Ursache, sondern
nur der Anlaß zu dem Sicherheitsgesetz war. „Die Maßregeln," heißt es.
„welche die kaiserliche Regierung genommen, um unsere Institutionen zu ver¬
theidigen und zu befestigen, waren seit langer Zeit bei Sr. Majestät be-
schlossen. Die Existenz, die Organisation, die Verschwörungen der Feinde der
gesellschaftlichen Ordnung konnten der Regierung nicht verborgen bleiben.
Ihre erste Pflicht war, die Verwirklichung dieser Absichten zu vereiteln, und
sie war entschlossen, dies ohne Leidenschaft und ohne Schwäche zu thun.
Das Attentat vom l4. Jan. war nicht geeignet, sie davon abzuhalten. Dies
Verbrechen hat die von der Vorsicht vorgeschriebenen Maßregeln weder ein-
gegeben noch verschärft, aber nichts konnte besser ihre Dringlichkeit zeigen
und ihre Nothwendigkeit rechtfertigen." Die mißliebigen Wahlen des letzten
Sommers, die leisen Regungen der Presse, die geheimen Gesellschaften waren
die Gründe, welche neue Repressivmaßregeln beabsichtigen ließen, das Attentat
bot den Anlaß, sie ins Leben treten zu lassen. Zwar Graf Morny und der
neue Minister des Innern sprechen merkwürdigerweise eine andere Ansicht aus
und stellen.jenen Mordversuch als einen Blitz aus heiterm Himmel dar, wat^
cher zu aller Erschrecken die verborgen brütenden bösen Leidenschaften gezeigt,
indessen man wird uns verzeihen, wenn wir dem Moniteur mehr glauben,
als den Dienern, welche stets kaiserlicher als ihr Herr s
^ein wollen. Nebenbei
bemerkt sind die Widersprüche der Regierungsorgane in dieser Angelegenheit
sehr auffallend, man wird aber leicht durch die Gegensätze den wirklichen
Faden verfolgen können, wenn man die beschwichtigenden und entschuldigenden
Acte in ihrem thatsächlichen Zusammenhang betrachtet, z. B. die Ent-
schuldigungsdepcsche des Grafen Walewski über die militärischen Drohungen
im Moniteur. Das Sachverhältniß war hier einfach folgendes: jene Adressen
hatten in England großes Aufsehen hervorgerufen, das Ministerium war im


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0374" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105651"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Imperialistische Consequenzen.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_980" next="#ID_981"> Eine vielgebrauchte französische Redewendung, um sich für etwas zu ent¬<lb/>
schuldigen, was man besser nicht gethan, ist que voulsö-vous, e'est xlus lor-t<lb/>
csus wol. Das mag auch Napoleon III. sagen, das Princip des Imperialis¬<lb/>
mus ist stärker als seine Persönlichkeit, er möchte vielleicht Mäßigung zeigen,<lb/>
ensis, c'est Ms kort pun: lui. Den beschwichtigenden Artikeln des Con-<lb/>
stitutionel und des Moiüteur vom 13. Febr. ist es nicht gelungen, den Ein¬<lb/>
druck zu verwischen, den die Maßregeln selbst gemacht haben, das vorlaute<lb/>
Prahlen und Drohen der Adressen konnte dementirt werden, die Ernennung<lb/>
eines Generals zum Minister des Innern blieb , eine' Thatsache. Jener Ar¬<lb/>
tikel des Moniteur bestätigt übrigens auf das bündigste die in Ur. 6 dieser<lb/>
Blätter ausgesprochene Ansicht, daß das Attentat nicht die Ursache, sondern<lb/>
nur der Anlaß zu dem Sicherheitsgesetz war. &#x201E;Die Maßregeln," heißt es.<lb/>
&#x201E;welche die kaiserliche Regierung genommen, um unsere Institutionen zu ver¬<lb/>
theidigen und zu befestigen, waren seit langer Zeit bei Sr. Majestät be-<lb/>
schlossen. Die Existenz, die Organisation, die Verschwörungen der Feinde der<lb/>
gesellschaftlichen Ordnung konnten der Regierung nicht verborgen bleiben.<lb/>
Ihre erste Pflicht war, die Verwirklichung dieser Absichten zu vereiteln, und<lb/>
sie war entschlossen, dies ohne Leidenschaft und ohne Schwäche zu thun.<lb/>
Das Attentat vom l4. Jan. war nicht geeignet, sie davon abzuhalten. Dies<lb/>
Verbrechen hat die von der Vorsicht vorgeschriebenen Maßregeln weder ein-<lb/>
gegeben noch verschärft, aber nichts konnte besser ihre Dringlichkeit zeigen<lb/>
und ihre Nothwendigkeit rechtfertigen." Die mißliebigen Wahlen des letzten<lb/>
Sommers, die leisen Regungen der Presse, die geheimen Gesellschaften waren<lb/>
die Gründe, welche neue Repressivmaßregeln beabsichtigen ließen, das Attentat<lb/>
bot den Anlaß, sie ins Leben treten zu lassen. Zwar Graf Morny und der<lb/>
neue Minister des Innern sprechen merkwürdigerweise eine andere Ansicht aus<lb/>
und stellen.jenen Mordversuch als einen Blitz aus heiterm Himmel dar, wat^<lb/>
cher zu aller Erschrecken die verborgen brütenden bösen Leidenschaften gezeigt,<lb/>
indessen man wird uns verzeihen, wenn wir dem Moniteur mehr glauben,<lb/>
als den Dienern, welche stets kaiserlicher als ihr Herr s<lb/>
^ein wollen. Nebenbei<lb/>
bemerkt sind die Widersprüche der Regierungsorgane in dieser Angelegenheit<lb/>
sehr auffallend, man wird aber leicht durch die Gegensätze den wirklichen<lb/>
Faden verfolgen können, wenn man die beschwichtigenden und entschuldigenden<lb/>
Acte in ihrem thatsächlichen Zusammenhang betrachtet, z. B. die Ent-<lb/>
schuldigungsdepcsche des Grafen Walewski über die militärischen Drohungen<lb/>
im Moniteur. Das Sachverhältniß war hier einfach folgendes: jene Adressen<lb/>
hatten in England großes Aufsehen hervorgerufen, das Ministerium war im</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0374] Imperialistische Consequenzen. Eine vielgebrauchte französische Redewendung, um sich für etwas zu ent¬ schuldigen, was man besser nicht gethan, ist que voulsö-vous, e'est xlus lor-t csus wol. Das mag auch Napoleon III. sagen, das Princip des Imperialis¬ mus ist stärker als seine Persönlichkeit, er möchte vielleicht Mäßigung zeigen, ensis, c'est Ms kort pun: lui. Den beschwichtigenden Artikeln des Con- stitutionel und des Moiüteur vom 13. Febr. ist es nicht gelungen, den Ein¬ druck zu verwischen, den die Maßregeln selbst gemacht haben, das vorlaute Prahlen und Drohen der Adressen konnte dementirt werden, die Ernennung eines Generals zum Minister des Innern blieb , eine' Thatsache. Jener Ar¬ tikel des Moniteur bestätigt übrigens auf das bündigste die in Ur. 6 dieser Blätter ausgesprochene Ansicht, daß das Attentat nicht die Ursache, sondern nur der Anlaß zu dem Sicherheitsgesetz war. „Die Maßregeln," heißt es. „welche die kaiserliche Regierung genommen, um unsere Institutionen zu ver¬ theidigen und zu befestigen, waren seit langer Zeit bei Sr. Majestät be- schlossen. Die Existenz, die Organisation, die Verschwörungen der Feinde der gesellschaftlichen Ordnung konnten der Regierung nicht verborgen bleiben. Ihre erste Pflicht war, die Verwirklichung dieser Absichten zu vereiteln, und sie war entschlossen, dies ohne Leidenschaft und ohne Schwäche zu thun. Das Attentat vom l4. Jan. war nicht geeignet, sie davon abzuhalten. Dies Verbrechen hat die von der Vorsicht vorgeschriebenen Maßregeln weder ein- gegeben noch verschärft, aber nichts konnte besser ihre Dringlichkeit zeigen und ihre Nothwendigkeit rechtfertigen." Die mißliebigen Wahlen des letzten Sommers, die leisen Regungen der Presse, die geheimen Gesellschaften waren die Gründe, welche neue Repressivmaßregeln beabsichtigen ließen, das Attentat bot den Anlaß, sie ins Leben treten zu lassen. Zwar Graf Morny und der neue Minister des Innern sprechen merkwürdigerweise eine andere Ansicht aus und stellen.jenen Mordversuch als einen Blitz aus heiterm Himmel dar, wat^ cher zu aller Erschrecken die verborgen brütenden bösen Leidenschaften gezeigt, indessen man wird uns verzeihen, wenn wir dem Moniteur mehr glauben, als den Dienern, welche stets kaiserlicher als ihr Herr s ^ein wollen. Nebenbei bemerkt sind die Widersprüche der Regierungsorgane in dieser Angelegenheit sehr auffallend, man wird aber leicht durch die Gegensätze den wirklichen Faden verfolgen können, wenn man die beschwichtigenden und entschuldigenden Acte in ihrem thatsächlichen Zusammenhang betrachtet, z. B. die Ent- schuldigungsdepcsche des Grafen Walewski über die militärischen Drohungen im Moniteur. Das Sachverhältniß war hier einfach folgendes: jene Adressen hatten in England großes Aufsehen hervorgerufen, das Ministerium war im

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/374
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/374>, abgerufen am 29.04.2024.