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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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Wucherische in Preußen eine Anomalie geworden sind und daß sie in nächster
Zukunft fallen müssen.




Die Bewegungen in den SWslnlienlmldern.
Das Staatsrecht des Fürstenthums Serbien von I^r. E, I, von Tkalac,
Leipzig, Breitkopf und Härte! 1858,

Es sind jetzt 7t) Jahre, daß der Serbe Georg Petrowitsch, der
Schwarze, als junger Mann vor den Türken nach "Deutschland" in die östrei¬
chischen Donauländer floh. Als das Wasser der weißen save seinen bewaffne¬
ten Haufen eutgegenblinkte, ergriff den alten Vater des Heiduckenführers 'das
Heimweh und er sprach: "wir wollen uns vor den Türken demüthigen, mein
Sohn, bleibe hier, daß dir das Brot nicht zum Fluch werde, das du bei mir
gegessen". Georg schritt vorwärts dem Grenzflüsse zu; da sprach der Vater
kleinmüthig, "so geh allein, ich will in der Heimath sterben". Wie wirst du
sterben? rief der schwarze Heiduck, die Türken werden dich langsam zu Tode
martern. Willst du hier sterben, so sollst du von einer Serbenkugel sterben.
Er zog seine Pistole aus dem Gurt, schoß seinen Vater nieder und rief dein
Diener zu: gib ihm den Todesstoß. Den Leuten aber im Grenzdorf sagte
er, "gebet den? Alten ein Grab und seiner Seele das Todtenmahl". Darauf
schenkte er seinen Monden und den Dorfleuten sein Vieh, das er vor sich her trieb
und alle seine Habe und fuhr über die weiße save. -- Dieser wilde Führer
von Heiducken und Momken wurde 20 Jahre später der Begründer eines neuen
Staates. So nahe jene Zeit um der unsern liegt, so hängt doch an seiner
Person, seinen Thaten und .Kämpfen schon vieles sagenhafte, und die serbi¬
schen Lieder, welche bis zur Gegenwart bei jeder Gelegenheit aufschössen, find
für manche Ereignisse seiner Zeit die einzige unsichere Quelle. Er soll um 1807
in allgemeiner Landesversammlllng vom Volke zum Erbfürsten und Herrscher von
Serbien gewählt worden sein. Die Pforte hat ihn jedenfalls nicht anerkannt.
Er wurde wieder vertrieben. Im Jahr 1815 begründete der Führer eines
zweiten Aufstandes gegen die Türken, Müosch Obrenowltsch, aufs Neue ein.
nationales Regiment, zunächst als Kres von der türkischen Regierung ein¬
gesetzt, von Rußland protegirt, seit 1830 als Erbfürst von Serbien durch sei¬
nen Oberherrn, den Sultan, anerkannt. Seine Paschaherrschaft ward 1842
durch eine neue Revolution beendigt und der Sohn des schwarzen Georg,
Fürst Alexander Karageorgewitsch durch die Pforte als Dynast für seine Person
anerkannt, ohne daß seiner Familie die Erblichkeit bewilligt wurde. Noch heute
ist diese Lebensfrage für sem Geschlecht nicht gelöst und die letzten Monate


Wucherische in Preußen eine Anomalie geworden sind und daß sie in nächster
Zukunft fallen müssen.




Die Bewegungen in den SWslnlienlmldern.
Das Staatsrecht des Fürstenthums Serbien von I^r. E, I, von Tkalac,
Leipzig, Breitkopf und Härte! 1858,

Es sind jetzt 7t) Jahre, daß der Serbe Georg Petrowitsch, der
Schwarze, als junger Mann vor den Türken nach „Deutschland" in die östrei¬
chischen Donauländer floh. Als das Wasser der weißen save seinen bewaffne¬
ten Haufen eutgegenblinkte, ergriff den alten Vater des Heiduckenführers 'das
Heimweh und er sprach: „wir wollen uns vor den Türken demüthigen, mein
Sohn, bleibe hier, daß dir das Brot nicht zum Fluch werde, das du bei mir
gegessen". Georg schritt vorwärts dem Grenzflüsse zu; da sprach der Vater
kleinmüthig, „so geh allein, ich will in der Heimath sterben". Wie wirst du
sterben? rief der schwarze Heiduck, die Türken werden dich langsam zu Tode
martern. Willst du hier sterben, so sollst du von einer Serbenkugel sterben.
Er zog seine Pistole aus dem Gurt, schoß seinen Vater nieder und rief dein
Diener zu: gib ihm den Todesstoß. Den Leuten aber im Grenzdorf sagte
er, „gebet den? Alten ein Grab und seiner Seele das Todtenmahl". Darauf
schenkte er seinen Monden und den Dorfleuten sein Vieh, das er vor sich her trieb
und alle seine Habe und fuhr über die weiße save. — Dieser wilde Führer
von Heiducken und Momken wurde 20 Jahre später der Begründer eines neuen
Staates. So nahe jene Zeit um der unsern liegt, so hängt doch an seiner
Person, seinen Thaten und .Kämpfen schon vieles sagenhafte, und die serbi¬
schen Lieder, welche bis zur Gegenwart bei jeder Gelegenheit aufschössen, find
für manche Ereignisse seiner Zeit die einzige unsichere Quelle. Er soll um 1807
in allgemeiner Landesversammlllng vom Volke zum Erbfürsten und Herrscher von
Serbien gewählt worden sein. Die Pforte hat ihn jedenfalls nicht anerkannt.
Er wurde wieder vertrieben. Im Jahr 1815 begründete der Führer eines
zweiten Aufstandes gegen die Türken, Müosch Obrenowltsch, aufs Neue ein.
nationales Regiment, zunächst als Kres von der türkischen Regierung ein¬
gesetzt, von Rußland protegirt, seit 1830 als Erbfürst von Serbien durch sei¬
nen Oberherrn, den Sultan, anerkannt. Seine Paschaherrschaft ward 1842
durch eine neue Revolution beendigt und der Sohn des schwarzen Georg,
Fürst Alexander Karageorgewitsch durch die Pforte als Dynast für seine Person
anerkannt, ohne daß seiner Familie die Erblichkeit bewilligt wurde. Noch heute
ist diese Lebensfrage für sem Geschlecht nicht gelöst und die letzten Monate


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/428>, abgerufen am 29.04.2024.