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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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die Erblichkeit seiner Würde zu gewinnen. So lange Serbien unter dem
Namen eines "Wahlreichs", oder einer türkischen Commandite, welcher die
Pforte den neuen Geschäftsführer einsehen kann, existirt, ist an einen sicheren Fort¬
schritt in Cultur, Kraft und Ansetzn nicht zu denken. Erst ein christliches erb¬
liches Fürstenhaus wird der relativen Unabhängigkeit Dauer, der Verfassung
Sicherheit, dem Volke Bildung geben. Ohne diese Garantie sind die Nach¬
folger des schwarzen Georg in den Augen der europäischen Staatsmänner
wenig mehr als der finstere alte Heiduckenführer war. Werkzeuge, die man
gebraucht, bezahlt und wegwirft.




Der StmüMenst und die Presse.

Wir haben kürzlich bei Besprechung der Memoiren von Lord Normcmby
die Frage berührt, ob und inwieweit ein Staatsmann Memoiren über seine
Thätigkeit herausgeben darf, wir glauben, daß diese Frage weiter gesaßt einer
nähern Erörterung werth ist und wollen zu ermitteln suchen, unter welchen
Umständen es erlaubt ist, über Verhältnisse, deren Kenntniß man seiner Stellung
im Staatsdienst verdankt, öffentliche Mittheilungen zu machen. Es kann kein
Zweifel darüber walten, daß im Allgemeinen solche Mittheilungen nicht statthaft
sind; derNechtsauwalt, der dasGeheimnißseinesClientennichtwahrt, dcrArzt, der
seiner Kunden persönliche Verhältnisse mißbraucht, werden von ihren Genossen
wie von der Welt geflohen; in noch höherm Grade soll der Staatsdiener,
dessen Thätigkeit das Wohl der Gesammtheit berührt, seine Verschwiegenheit
bewahren. Wollte der Gesandte seine Depeschen bekannt machen oder der
geheime Rath erzählen, was in der letzten Sitzung des Ministeriums vor¬
gefallen, so wäre keine Diplomatie oder amtliche Berathung mehr möglich;
am wenigsten aber darf eine solche Indiskretion durch die Presse begangen
werden, wodurch sie aller Welt bekannt wird. Es fragt sich also nur, welches
sind die Umstünde, die eine Ausnahme von dieser Regel erlauben oder sogar
gebieten? Gehen wir bei dieser Betrachtung zuerst auf unsern Ausgangspunkt,
die Memoiren Normanbys. zurück. Die schriftlichen Aufzeichnungen eines
Gesandten bestehen vornehmlich in den gewöhnlichen oder geheimen Depeschen,
welche die Korrespondenz mit seinem Ministerium und der Regierung, bei
welcher er beglaubigt ist, bilden. Diese Actenstücke sind natürlich in einem
besondern Grade geheimzuhalten und nur mit Wissen und Willen der höchsten
vorgesetzten Behörde dritten Personen mitzutheilen. Neben der officiellen Cor-
respondenz wird aber meist eine vertrauliche hergehen, in die Privatbezichungen


Grenzboten I. 13ö3. 54

die Erblichkeit seiner Würde zu gewinnen. So lange Serbien unter dem
Namen eines „Wahlreichs", oder einer türkischen Commandite, welcher die
Pforte den neuen Geschäftsführer einsehen kann, existirt, ist an einen sicheren Fort¬
schritt in Cultur, Kraft und Ansetzn nicht zu denken. Erst ein christliches erb¬
liches Fürstenhaus wird der relativen Unabhängigkeit Dauer, der Verfassung
Sicherheit, dem Volke Bildung geben. Ohne diese Garantie sind die Nach¬
folger des schwarzen Georg in den Augen der europäischen Staatsmänner
wenig mehr als der finstere alte Heiduckenführer war. Werkzeuge, die man
gebraucht, bezahlt und wegwirft.




Der StmüMenst und die Presse.

Wir haben kürzlich bei Besprechung der Memoiren von Lord Normcmby
die Frage berührt, ob und inwieweit ein Staatsmann Memoiren über seine
Thätigkeit herausgeben darf, wir glauben, daß diese Frage weiter gesaßt einer
nähern Erörterung werth ist und wollen zu ermitteln suchen, unter welchen
Umständen es erlaubt ist, über Verhältnisse, deren Kenntniß man seiner Stellung
im Staatsdienst verdankt, öffentliche Mittheilungen zu machen. Es kann kein
Zweifel darüber walten, daß im Allgemeinen solche Mittheilungen nicht statthaft
sind; derNechtsauwalt, der dasGeheimnißseinesClientennichtwahrt, dcrArzt, der
seiner Kunden persönliche Verhältnisse mißbraucht, werden von ihren Genossen
wie von der Welt geflohen; in noch höherm Grade soll der Staatsdiener,
dessen Thätigkeit das Wohl der Gesammtheit berührt, seine Verschwiegenheit
bewahren. Wollte der Gesandte seine Depeschen bekannt machen oder der
geheime Rath erzählen, was in der letzten Sitzung des Ministeriums vor¬
gefallen, so wäre keine Diplomatie oder amtliche Berathung mehr möglich;
am wenigsten aber darf eine solche Indiskretion durch die Presse begangen
werden, wodurch sie aller Welt bekannt wird. Es fragt sich also nur, welches
sind die Umstünde, die eine Ausnahme von dieser Regel erlauben oder sogar
gebieten? Gehen wir bei dieser Betrachtung zuerst auf unsern Ausgangspunkt,
die Memoiren Normanbys. zurück. Die schriftlichen Aufzeichnungen eines
Gesandten bestehen vornehmlich in den gewöhnlichen oder geheimen Depeschen,
welche die Korrespondenz mit seinem Ministerium und der Regierung, bei
welcher er beglaubigt ist, bilden. Diese Actenstücke sind natürlich in einem
besondern Grade geheimzuhalten und nur mit Wissen und Willen der höchsten
vorgesetzten Behörde dritten Personen mitzutheilen. Neben der officiellen Cor-
respondenz wird aber meist eine vertrauliche hergehen, in die Privatbezichungen


Grenzboten I. 13ö3. 54
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[0433] die Erblichkeit seiner Würde zu gewinnen. So lange Serbien unter dem Namen eines „Wahlreichs", oder einer türkischen Commandite, welcher die Pforte den neuen Geschäftsführer einsehen kann, existirt, ist an einen sicheren Fort¬ schritt in Cultur, Kraft und Ansetzn nicht zu denken. Erst ein christliches erb¬ liches Fürstenhaus wird der relativen Unabhängigkeit Dauer, der Verfassung Sicherheit, dem Volke Bildung geben. Ohne diese Garantie sind die Nach¬ folger des schwarzen Georg in den Augen der europäischen Staatsmänner wenig mehr als der finstere alte Heiduckenführer war. Werkzeuge, die man gebraucht, bezahlt und wegwirft. Der StmüMenst und die Presse. Wir haben kürzlich bei Besprechung der Memoiren von Lord Normcmby die Frage berührt, ob und inwieweit ein Staatsmann Memoiren über seine Thätigkeit herausgeben darf, wir glauben, daß diese Frage weiter gesaßt einer nähern Erörterung werth ist und wollen zu ermitteln suchen, unter welchen Umständen es erlaubt ist, über Verhältnisse, deren Kenntniß man seiner Stellung im Staatsdienst verdankt, öffentliche Mittheilungen zu machen. Es kann kein Zweifel darüber walten, daß im Allgemeinen solche Mittheilungen nicht statthaft sind; derNechtsauwalt, der dasGeheimnißseinesClientennichtwahrt, dcrArzt, der seiner Kunden persönliche Verhältnisse mißbraucht, werden von ihren Genossen wie von der Welt geflohen; in noch höherm Grade soll der Staatsdiener, dessen Thätigkeit das Wohl der Gesammtheit berührt, seine Verschwiegenheit bewahren. Wollte der Gesandte seine Depeschen bekannt machen oder der geheime Rath erzählen, was in der letzten Sitzung des Ministeriums vor¬ gefallen, so wäre keine Diplomatie oder amtliche Berathung mehr möglich; am wenigsten aber darf eine solche Indiskretion durch die Presse begangen werden, wodurch sie aller Welt bekannt wird. Es fragt sich also nur, welches sind die Umstünde, die eine Ausnahme von dieser Regel erlauben oder sogar gebieten? Gehen wir bei dieser Betrachtung zuerst auf unsern Ausgangspunkt, die Memoiren Normanbys. zurück. Die schriftlichen Aufzeichnungen eines Gesandten bestehen vornehmlich in den gewöhnlichen oder geheimen Depeschen, welche die Korrespondenz mit seinem Ministerium und der Regierung, bei welcher er beglaubigt ist, bilden. Diese Actenstücke sind natürlich in einem besondern Grade geheimzuhalten und nur mit Wissen und Willen der höchsten vorgesetzten Behörde dritten Personen mitzutheilen. Neben der officiellen Cor- respondenz wird aber meist eine vertrauliche hergehen, in die Privatbezichungen Grenzboten I. 13ö3. 54

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/433>, abgerufen am 28.04.2024.