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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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Der Stand der schlestvig-holsteinischen Frage.

Wenn wir die Berichte und Urtheile, welche unsere Presse in den letzten
Monaten über den Streit zwischen Dänemark und Deutschland gebracht hat.
überblicken, so finden wir. daß die Mehrzahl der Blätter nur eine holsteinische
oder holstein-lauenburgische Frage kennt, und betrachtet man die Noten und
Depeschen, mit denen bisher von den Mandataren des deutschen Bundes und
zuletzt von diesem selbst mit den Herren in Kopenhagen über diese Angelegen¬
heit Krieg geführt wurde, so muß man sich mit jener Bezeichnung einver¬
standen erklären; denn nirgend erwähnten diese Documente den Namen Schles¬
wigs. Da das Land zwischen Eider und.Königsau noch existirt, ebensowenig
ins Königreich Dänemark aufgegangen als ins Meer versunken ist, und da das
Recht Holsteins auf Zusammengehörigkeit mit dem nordlichen Nachbarherzog-
thume durch die Verträge von 1852 nur modificirt. keineswegs aufgehoben
wurde, so vermöchten wir uns jene beharrliche Schweigsamkeit, gegenüber den
auch hier, ja hier in stärkerem Grade verletzten deutschen Rechten und Inter¬
essen nur mit der Furcht vor einem Einspruch der nichtdeutschen Großmächte
zu deuten. Indeß füllt, da England durch die Sendung des Generalconsuls
Ward nach Schleswig bekundete, daß es die Grenze der deutsch-dänischen
Frage nicht am Südufer der Eider sieht, und selbst russische Zeitungen an¬
erkennen dürfen, daß Deutschland in Schleswig Rechte zu wahren hat, auch
dieser Erklärungsgrund zum Theil hinweg, und es scheint, da wir von der
deutschen Diplomatie doch unmöglich annehmen dürfen, sie sei sich in der
Sache nicht klar, nichts übrig zu bleiben als die Vermuthung, die deutsche
Bundesversammlung unterlasse die Sache Holsteins in Schleswig zu erwähnen
aus Rücksicht auf Frankreich oder Oestreich.

Gesetzt aber auch den Fall, Schleswig wäre aus guten Gründen ein
uoli me wnL'ol'o für den Bund, so hat die Presse diese Gründe nur als vor¬
läufig noch vorhanden zu behandeln, und es ist ihre Pflicht, möglichst oft
und möglichst energisch daran zu erinnern, daß hier nicht blos ein Zerwürf-
niß zwischen Frankfurt und, Kopenhagen wegen in Holstein verletzter ständi¬
scher Rechte, sondern die Frage nach der Zukunft Dänemarks vorliegt, daß
hinter dem Bundestage, wie hinter dem dänischen Ministerconseil eine öffent-


Grenzbotm I. 13S8. 61
Der Stand der schlestvig-holsteinischen Frage.

Wenn wir die Berichte und Urtheile, welche unsere Presse in den letzten
Monaten über den Streit zwischen Dänemark und Deutschland gebracht hat.
überblicken, so finden wir. daß die Mehrzahl der Blätter nur eine holsteinische
oder holstein-lauenburgische Frage kennt, und betrachtet man die Noten und
Depeschen, mit denen bisher von den Mandataren des deutschen Bundes und
zuletzt von diesem selbst mit den Herren in Kopenhagen über diese Angelegen¬
heit Krieg geführt wurde, so muß man sich mit jener Bezeichnung einver¬
standen erklären; denn nirgend erwähnten diese Documente den Namen Schles¬
wigs. Da das Land zwischen Eider und.Königsau noch existirt, ebensowenig
ins Königreich Dänemark aufgegangen als ins Meer versunken ist, und da das
Recht Holsteins auf Zusammengehörigkeit mit dem nordlichen Nachbarherzog-
thume durch die Verträge von 1852 nur modificirt. keineswegs aufgehoben
wurde, so vermöchten wir uns jene beharrliche Schweigsamkeit, gegenüber den
auch hier, ja hier in stärkerem Grade verletzten deutschen Rechten und Inter¬
essen nur mit der Furcht vor einem Einspruch der nichtdeutschen Großmächte
zu deuten. Indeß füllt, da England durch die Sendung des Generalconsuls
Ward nach Schleswig bekundete, daß es die Grenze der deutsch-dänischen
Frage nicht am Südufer der Eider sieht, und selbst russische Zeitungen an¬
erkennen dürfen, daß Deutschland in Schleswig Rechte zu wahren hat, auch
dieser Erklärungsgrund zum Theil hinweg, und es scheint, da wir von der
deutschen Diplomatie doch unmöglich annehmen dürfen, sie sei sich in der
Sache nicht klar, nichts übrig zu bleiben als die Vermuthung, die deutsche
Bundesversammlung unterlasse die Sache Holsteins in Schleswig zu erwähnen
aus Rücksicht auf Frankreich oder Oestreich.

Gesetzt aber auch den Fall, Schleswig wäre aus guten Gründen ein
uoli me wnL'ol'o für den Bund, so hat die Presse diese Gründe nur als vor¬
läufig noch vorhanden zu behandeln, und es ist ihre Pflicht, möglichst oft
und möglichst energisch daran zu erinnern, daß hier nicht blos ein Zerwürf-
niß zwischen Frankfurt und, Kopenhagen wegen in Holstein verletzter ständi¬
scher Rechte, sondern die Frage nach der Zukunft Dänemarks vorliegt, daß
hinter dem Bundestage, wie hinter dem dänischen Ministerconseil eine öffent-


Grenzbotm I. 13S8. 61
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[0489] Der Stand der schlestvig-holsteinischen Frage. Wenn wir die Berichte und Urtheile, welche unsere Presse in den letzten Monaten über den Streit zwischen Dänemark und Deutschland gebracht hat. überblicken, so finden wir. daß die Mehrzahl der Blätter nur eine holsteinische oder holstein-lauenburgische Frage kennt, und betrachtet man die Noten und Depeschen, mit denen bisher von den Mandataren des deutschen Bundes und zuletzt von diesem selbst mit den Herren in Kopenhagen über diese Angelegen¬ heit Krieg geführt wurde, so muß man sich mit jener Bezeichnung einver¬ standen erklären; denn nirgend erwähnten diese Documente den Namen Schles¬ wigs. Da das Land zwischen Eider und.Königsau noch existirt, ebensowenig ins Königreich Dänemark aufgegangen als ins Meer versunken ist, und da das Recht Holsteins auf Zusammengehörigkeit mit dem nordlichen Nachbarherzog- thume durch die Verträge von 1852 nur modificirt. keineswegs aufgehoben wurde, so vermöchten wir uns jene beharrliche Schweigsamkeit, gegenüber den auch hier, ja hier in stärkerem Grade verletzten deutschen Rechten und Inter¬ essen nur mit der Furcht vor einem Einspruch der nichtdeutschen Großmächte zu deuten. Indeß füllt, da England durch die Sendung des Generalconsuls Ward nach Schleswig bekundete, daß es die Grenze der deutsch-dänischen Frage nicht am Südufer der Eider sieht, und selbst russische Zeitungen an¬ erkennen dürfen, daß Deutschland in Schleswig Rechte zu wahren hat, auch dieser Erklärungsgrund zum Theil hinweg, und es scheint, da wir von der deutschen Diplomatie doch unmöglich annehmen dürfen, sie sei sich in der Sache nicht klar, nichts übrig zu bleiben als die Vermuthung, die deutsche Bundesversammlung unterlasse die Sache Holsteins in Schleswig zu erwähnen aus Rücksicht auf Frankreich oder Oestreich. Gesetzt aber auch den Fall, Schleswig wäre aus guten Gründen ein uoli me wnL'ol'o für den Bund, so hat die Presse diese Gründe nur als vor¬ läufig noch vorhanden zu behandeln, und es ist ihre Pflicht, möglichst oft und möglichst energisch daran zu erinnern, daß hier nicht blos ein Zerwürf- niß zwischen Frankfurt und, Kopenhagen wegen in Holstein verletzter ständi¬ scher Rechte, sondern die Frage nach der Zukunft Dänemarks vorliegt, daß hinter dem Bundestage, wie hinter dem dänischen Ministerconseil eine öffent- Grenzbotm I. 13S8. 61

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/489>, abgerufen am 29.04.2024.