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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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liebe Meinung existirt., die sich mit dem Gesammtstaat, dessen Bestehen beide
zur Basis ihrer Unterhandlungen nahmen, nicht einverstanden erklärt, daß die
Frage nur halb gelöst wird, wenn man sie auf Holstein beschränkt, nicht auch
auf Schleswig ausdehnt.

Ob die vollständige Lösung derselben gegenwärtig möglich ist, ob Preu¬
ßen, der dabei zunächst betheiligte Staat, erst die Bündnisse reifen zu lassen
hat. deren Anknüpfung oder Vorbereitung jetzt das Gerücht verkündigt, darf
unseres Erachtens dabei nicht in den Vordergrund gestellt werden. Es genügt
zu wissen, daß sie überhaupt möglich ist^ daß sie sich vollziehen wird, sobald
das gesammte deutsche Volk sich die volle Bedeutung des Streites zum Be¬
wußtsein gebracht hat und, ebenso fern von zu wcitfliegenden Hoffnungen wie
von zu ängstlich messender Beschränkung, mit aller Wucht seiner Ueberzeugung
und seines Willens nach den ihm hier gesteckten Zielen hindrängt. Liäora
Romain tormimi" iinxerii -- so las man einst über dem einen Thore Rends¬
burgs. Die Dünen dursten, nachdem 1852 die Herzogthümer von Deutsch¬
land entwaffnet waren, diese Inschrift abnehmen und in die Rumpelkammer
werfen. Die Grenze war, so schien es einige Jahre, bis an die Elbe, bis
an die Thore Hamburgs vorgeschoben. Es war vorauszusehen, daß ein Rück¬
schlag erfolgen würde, er kam, und.jetzt möchten die Dänen das Grenzzeichen
wieder aufrichten, wo es einst gestanden. Die Diplomaten der eschenhcimer
Gasse würden sich vermuthlich damit begnügen. Sie werden vielleicht mit
noch Wenigerem zufrieden sein. Die deutsche Nation aber, so weit sie ihre
Interessen auf der cimbrischen ^Halbinsel kennt, wird dazu nicht ihr Amen
sprechen; sie wird sagen, was sie selbst weggenommen, soll weggenommen
bleiben, nicht die Elbe, aber auch nicht die Eider bilde in Zukunft unsere
Markscheide im Norden; sie wird dies in einem feinen Gedächtniß behalten,
und den Wunsch zur Wirklichkeit werden lassen sobald sie kann.

Noch nie erwiesen die Verträge, welche die Diplomaten ewige nannten,
sich wirklich als ewig, am wenigsten die, welche gegen die Natur waren.
Und das weiß man in Schleswig-Holstein. Diese Niedersachsen, diese Friesen
und Angler, die jetzt des Ausgangs der Verhandlungen begierig von jenseit
des dänischen Schlagbaums zu uns hcrüberbUcken, sind ein langathmiges,
wettcrgehärtetes Geschlecht, mit ruhigem Blut und ausdauernden Nerven ge¬
segnet, wie kein anderer deutscher Stamm. Sie haben sich vier Jahrhunderte
hindurch allein des Dänenthums erwehrt, haben in den letzten zehn Jahren
Enttäuschung -auf Enttäuschung in ihren gerechtesten Erwartungen erlebt, ohne
zu verzweifeln, ohne auf die Dauer auch nur zu zweifeln. Sie werden sich
keinen Illusionen über das Einschreiten des Bundes hingeben, werden ein
festes Wort von ihm in ihrer Sache, beschränke es sich auch auf Holstein, als
erste Abschlagszahlung nach langem Schuldverweigeru, und als ein Gewicht in


liebe Meinung existirt., die sich mit dem Gesammtstaat, dessen Bestehen beide
zur Basis ihrer Unterhandlungen nahmen, nicht einverstanden erklärt, daß die
Frage nur halb gelöst wird, wenn man sie auf Holstein beschränkt, nicht auch
auf Schleswig ausdehnt.

Ob die vollständige Lösung derselben gegenwärtig möglich ist, ob Preu¬
ßen, der dabei zunächst betheiligte Staat, erst die Bündnisse reifen zu lassen
hat. deren Anknüpfung oder Vorbereitung jetzt das Gerücht verkündigt, darf
unseres Erachtens dabei nicht in den Vordergrund gestellt werden. Es genügt
zu wissen, daß sie überhaupt möglich ist^ daß sie sich vollziehen wird, sobald
das gesammte deutsche Volk sich die volle Bedeutung des Streites zum Be¬
wußtsein gebracht hat und, ebenso fern von zu wcitfliegenden Hoffnungen wie
von zu ängstlich messender Beschränkung, mit aller Wucht seiner Ueberzeugung
und seines Willens nach den ihm hier gesteckten Zielen hindrängt. Liäora
Romain tormimi« iinxerii — so las man einst über dem einen Thore Rends¬
burgs. Die Dünen dursten, nachdem 1852 die Herzogthümer von Deutsch¬
land entwaffnet waren, diese Inschrift abnehmen und in die Rumpelkammer
werfen. Die Grenze war, so schien es einige Jahre, bis an die Elbe, bis
an die Thore Hamburgs vorgeschoben. Es war vorauszusehen, daß ein Rück¬
schlag erfolgen würde, er kam, und.jetzt möchten die Dänen das Grenzzeichen
wieder aufrichten, wo es einst gestanden. Die Diplomaten der eschenhcimer
Gasse würden sich vermuthlich damit begnügen. Sie werden vielleicht mit
noch Wenigerem zufrieden sein. Die deutsche Nation aber, so weit sie ihre
Interessen auf der cimbrischen ^Halbinsel kennt, wird dazu nicht ihr Amen
sprechen; sie wird sagen, was sie selbst weggenommen, soll weggenommen
bleiben, nicht die Elbe, aber auch nicht die Eider bilde in Zukunft unsere
Markscheide im Norden; sie wird dies in einem feinen Gedächtniß behalten,
und den Wunsch zur Wirklichkeit werden lassen sobald sie kann.

Noch nie erwiesen die Verträge, welche die Diplomaten ewige nannten,
sich wirklich als ewig, am wenigsten die, welche gegen die Natur waren.
Und das weiß man in Schleswig-Holstein. Diese Niedersachsen, diese Friesen
und Angler, die jetzt des Ausgangs der Verhandlungen begierig von jenseit
des dänischen Schlagbaums zu uns hcrüberbUcken, sind ein langathmiges,
wettcrgehärtetes Geschlecht, mit ruhigem Blut und ausdauernden Nerven ge¬
segnet, wie kein anderer deutscher Stamm. Sie haben sich vier Jahrhunderte
hindurch allein des Dänenthums erwehrt, haben in den letzten zehn Jahren
Enttäuschung -auf Enttäuschung in ihren gerechtesten Erwartungen erlebt, ohne
zu verzweifeln, ohne auf die Dauer auch nur zu zweifeln. Sie werden sich
keinen Illusionen über das Einschreiten des Bundes hingeben, werden ein
festes Wort von ihm in ihrer Sache, beschränke es sich auch auf Holstein, als
erste Abschlagszahlung nach langem Schuldverweigeru, und als ein Gewicht in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/490>, abgerufen am 14.05.2024.