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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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Aus der römischen Kmstrzeit.
Die Gesellschaft und der gesellige Verkehr.
1.

Schon in den spätern Zeiten der römischen Republik, besonders im letzten
vorchristlichen Jahrhundert, hatten die Formen des geselligen Verkehrs sich in
ziemlich hohem Grade ausgebildet und befestigt, und eine nicht geringe An¬
zahl von Höflichkeitsbezeugungen war durch das Herkommen zum Range von
Pflichten (oKcia) erhoben'worden. AIs aber Rom einen Hof erhielt, wurden
auch die Gesetze der Höflichkeit je länger desto zahlreicher, complicirter. strenger
und drückender, un/nun erst bildete sich ein Ecremoniel aus. das sich auf
alle gesellschaftliche Verhältnisse bezog und das Detail der überall zu be¬
obachtenden Formen mit genauen Unterscheidungen regelte. Diese Convemen-
zen des geselligen Verkehrs erlitten im Lauf der Zeit mannigfache Modifi-
cationen/da sie sich nach den an dem jedesmaligen Hose beobachteten Formen zu
nahten pflegten. Doch scheinen während der ersten beiden Jahrhunderte
wesentliche Aenderungen nicht eingetreten zu fein, mir daß gegen Ende dieser
Periode die Förmlichkeiten zunahmen und die Tendenz sich mehr geltend
machte , die Abstufung der verschiedenen Stunde und Nangclassen schärfer zu
markiren. Im dritten Jahrhundert wurden die römischen Sitten mehr und
mehr von orientalischen Einflüssen inficirt. die sich besonders auch in strenger
Scheidung zwischen Höhern und Niedern und Ausbildung eures asiatischen
Ceremoniels am Hose und den nach dessen Muster eingerichteten großen
Häusern kundgaben, bis endlich Diocletian dem römischen Kaiserhof voll¬
ständig den Charakter eines orientalischen gab.

Aus dem totalen Umsturz der frühem Zustände und der chaotischen Ver¬
wirrung, welche die Bürgerkriege herbeigeführt hatten, ging mit Begründung der
Monarchie eine neue Ordnung der gesellschaftlichen Verhältnisse hervor.
Einen Geburtsadel. der als solcher einen abgeschlossenen Stand gebildet
hätte, gab es schon längst nicht mehr, wenn auch das Patriziat noch in der
Kaiserzeii in einer sah'cinexistenz fortdauerte, bis es unter Konstantin zum
bloßen Titel wurde. Der ebenfalls erbliche Amtsadel (die Nobilität) bestand
zwar in der Kaiserzeit. fort, aber je mehr die Staatsämter aufhörten eine


Ämizdoten I. 1858.
Aus der römischen Kmstrzeit.
Die Gesellschaft und der gesellige Verkehr.
1.

Schon in den spätern Zeiten der römischen Republik, besonders im letzten
vorchristlichen Jahrhundert, hatten die Formen des geselligen Verkehrs sich in
ziemlich hohem Grade ausgebildet und befestigt, und eine nicht geringe An¬
zahl von Höflichkeitsbezeugungen war durch das Herkommen zum Range von
Pflichten (oKcia) erhoben'worden. AIs aber Rom einen Hof erhielt, wurden
auch die Gesetze der Höflichkeit je länger desto zahlreicher, complicirter. strenger
und drückender, un/nun erst bildete sich ein Ecremoniel aus. das sich auf
alle gesellschaftliche Verhältnisse bezog und das Detail der überall zu be¬
obachtenden Formen mit genauen Unterscheidungen regelte. Diese Convemen-
zen des geselligen Verkehrs erlitten im Lauf der Zeit mannigfache Modifi-
cationen/da sie sich nach den an dem jedesmaligen Hose beobachteten Formen zu
nahten pflegten. Doch scheinen während der ersten beiden Jahrhunderte
wesentliche Aenderungen nicht eingetreten zu fein, mir daß gegen Ende dieser
Periode die Förmlichkeiten zunahmen und die Tendenz sich mehr geltend
machte , die Abstufung der verschiedenen Stunde und Nangclassen schärfer zu
markiren. Im dritten Jahrhundert wurden die römischen Sitten mehr und
mehr von orientalischen Einflüssen inficirt. die sich besonders auch in strenger
Scheidung zwischen Höhern und Niedern und Ausbildung eures asiatischen
Ceremoniels am Hose und den nach dessen Muster eingerichteten großen
Häusern kundgaben, bis endlich Diocletian dem römischen Kaiserhof voll¬
ständig den Charakter eines orientalischen gab.

Aus dem totalen Umsturz der frühem Zustände und der chaotischen Ver¬
wirrung, welche die Bürgerkriege herbeigeführt hatten, ging mit Begründung der
Monarchie eine neue Ordnung der gesellschaftlichen Verhältnisse hervor.
Einen Geburtsadel. der als solcher einen abgeschlossenen Stand gebildet
hätte, gab es schon längst nicht mehr, wenn auch das Patriziat noch in der
Kaiserzeii in einer sah'cinexistenz fortdauerte, bis es unter Konstantin zum
bloßen Titel wurde. Der ebenfalls erbliche Amtsadel (die Nobilität) bestand
zwar in der Kaiserzeit. fort, aber je mehr die Staatsämter aufhörten eine


Ämizdoten I. 1858.
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[0049] Aus der römischen Kmstrzeit. Die Gesellschaft und der gesellige Verkehr. 1. Schon in den spätern Zeiten der römischen Republik, besonders im letzten vorchristlichen Jahrhundert, hatten die Formen des geselligen Verkehrs sich in ziemlich hohem Grade ausgebildet und befestigt, und eine nicht geringe An¬ zahl von Höflichkeitsbezeugungen war durch das Herkommen zum Range von Pflichten (oKcia) erhoben'worden. AIs aber Rom einen Hof erhielt, wurden auch die Gesetze der Höflichkeit je länger desto zahlreicher, complicirter. strenger und drückender, un/nun erst bildete sich ein Ecremoniel aus. das sich auf alle gesellschaftliche Verhältnisse bezog und das Detail der überall zu be¬ obachtenden Formen mit genauen Unterscheidungen regelte. Diese Convemen- zen des geselligen Verkehrs erlitten im Lauf der Zeit mannigfache Modifi- cationen/da sie sich nach den an dem jedesmaligen Hose beobachteten Formen zu nahten pflegten. Doch scheinen während der ersten beiden Jahrhunderte wesentliche Aenderungen nicht eingetreten zu fein, mir daß gegen Ende dieser Periode die Förmlichkeiten zunahmen und die Tendenz sich mehr geltend machte , die Abstufung der verschiedenen Stunde und Nangclassen schärfer zu markiren. Im dritten Jahrhundert wurden die römischen Sitten mehr und mehr von orientalischen Einflüssen inficirt. die sich besonders auch in strenger Scheidung zwischen Höhern und Niedern und Ausbildung eures asiatischen Ceremoniels am Hose und den nach dessen Muster eingerichteten großen Häusern kundgaben, bis endlich Diocletian dem römischen Kaiserhof voll¬ ständig den Charakter eines orientalischen gab. Aus dem totalen Umsturz der frühem Zustände und der chaotischen Ver¬ wirrung, welche die Bürgerkriege herbeigeführt hatten, ging mit Begründung der Monarchie eine neue Ordnung der gesellschaftlichen Verhältnisse hervor. Einen Geburtsadel. der als solcher einen abgeschlossenen Stand gebildet hätte, gab es schon längst nicht mehr, wenn auch das Patriziat noch in der Kaiserzeii in einer sah'cinexistenz fortdauerte, bis es unter Konstantin zum bloßen Titel wurde. Der ebenfalls erbliche Amtsadel (die Nobilität) bestand zwar in der Kaiserzeit. fort, aber je mehr die Staatsämter aufhörten eine Ämizdoten I. 1858.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/49>, abgerufen am 29.04.2024.